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Zur Krönung von Charles III.

Sieben Grafiken: So viel Kolonialmacht steckt heute noch in Großbritannien

King Charles III., hier noch als Prinz, hier 2000 im südamerikanischen Guyana. Einige Mitgliedsstaaten des Commonwealth kritisieren die Haltung der Royals als neokolonialistisch.

King Charles III., hier noch als Prinz, hier 2000 im südamerikanischen Guyana. Einige Mitgliedsstaaten des Commonwealth kritisieren die Haltung der Royals als neokolonialistisch.

Seit seiner Krönung am Samstag ist er jetzt ganz offiziell Charles III., König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der anderen Reiche und Territorien, Vorsitzender des Commonwealth, Verteidiger des Glaubens und Souverän des edelsten Strumpfbandordens. Während der edelste Strumpfbandorden eine eigene Erwähnung erhält, werden mit „anderen Reiche und Territorien“ der Einfachheit halber 14 Staaten zusammengefasst.

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König Charles III. nun offiziell gekrönt
Großbritanniens König Charles III. verlässt nach der Krönungszeremonie mit der Imperial State Crown.

Etwa acht Monate nach seiner Thronbesteigung ist Charles III. zum britischen König gekrönt worden.

Australien, Antigua und Barbuda, Bahamas, Belize, Kanada, Grenada, Großbritannien, Jamaika, Papua-Neuguinea, St. Christopher und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Neuseeland, Salomonen und Tuvalu werden in der Regel als „Commonwealth Reiche“ beschrieben. Und Charles III. ist jetzt König all dieser Länder, König von 151 Millionen Untertanen. Der größere Verbund, der „Commonwealth of Nation“ hingegen ist ein Zusammenschluss von 56 Staaten, größtenteils ehemalige britische Kolonien.

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Hinwendung zur Republik?

Wie blicken diese Länder auf König Charles? In den Reichen des Commonwealth herrscht Unruhe. Denn einige der 14 Länder überlegen, zur Republik zu werden, überlegen die letzten Verbindungen aus der Kolonialzeit zu kappen. In Australien bahnt sich die Stimmung für ein erneutes Referendum an, berichtet unsere Korrespondentin.

Auch die ehemalige Premierministerin von Neuseeland, Jacinda Arden glaubt, dass sich ihr Land innerhalb ihrer Lebenszeit von der Krone abwenden wird. Doch deutlicher sind die Rufe aus der Karibik. Deutlicher lassen sich auch hier die Auswirkung jahrhundertelanger Kolonialisierung und des Sklavenhandels spüren.

Prinz William und Prinzessin Kate waren im vergangenen Jahr auf ihrer Tour mit deutlichen Protesten konfrontiert. Viele fühlten sich durch das Auftreten des Paares an die Kolonialzeit erinnert. Schließlich schüttelte das Paar in Jamaika die Hände von Kindern durch einen Drahtzaun hindurch und lächelten dabei sonnenscheingleich, als wäre es normal. Sie standen steif in weiß gekleidet in Trench Town auf einem restaurierten Land Rover, den die Queen ebenfalls 1953 bei ihrer Tour nutzte. Zu dieser Zeit war Jamaika noch eine britische Kolonie. Die Regierung in Jamaika denkt seitdem öffentlich über einen staatlichen Umbau zur Republik nach – der Prozess soll 2024 eingeleitet werden.

Belize wollte keinen royalen Besuch

In Belize wurde im vergangenen Jahr der Besuch des royalen Paares wegen der Proteste abgesagt – und nun sagte der Premier Johnny Briceño kurz vor der Krönung, dass Belize sehr wahrscheinlich das nächste Mitglied des Commonwealth Reiches sei, das zur Republik werde könne. Grund ist die Weigerung von Großbritanniens Premier Rishi Sunak sich für die Rolle des Landes im Sklavenhandel zu entschuldigen oder Reparationen zu zahlen. King Charles III. hat übrigens Belize als einziges Land des Commonwealth Reiches nie besucht. Hier soll der Wandlungsprozess bereits nach der Krönung eingeleitet werden.

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Das jüngste Beispiel für eine Loslösung ist Barbados. Am 30. November 2021 wurde der Staat zur Republik erklärt. Die amtierende Generalgouverneurin Dame Sandra Mason ist seitdem Staatsoberhaupt.

Nur 22 Länder wurden nie von Großbritannien angegriffen

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Das Britische Imperium umspannte in seiner Höchstzeit ein Viertel der Erde, das britische Königshaus regierte damit ebenfalls etwa ein Viertel der Weltbevölkerung. Tatsächlich gab es in der Geschichte von Großbritannien nur 22 Länder der Erde, darunter Vatikanstadt, Andorra oder Luxemburg, die nicht zu irgendeiner Zeit von den Briten oder ihren Vorgängern angegriffen wurden. Das schreibt der Autor Stuart Laycock in seinem Buch „All the Countries We‘ve Ever Invaded: And the Few We Never Got Round To“ (2012).


Was ist eigentlich das Commonwealth of Nations? Das Commonwealth ist ein loser Verbund offiziell gleichberechtigter 56 Staaten, deren Vorsitz König Charles III. hat. Die junge Königin Elizabeth II. sah das Commonwealth 1953 als eine „völlig neue Konzeption – aufgebaut auf den höchsten Qualitäten des Geistes des Menschen: Freundschaft, Loyalität und der Wunsch nach Freiheit und Frieden“.

Doch ist es das wirklich? Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Commonwealth, immerhin 2,5 Milliarden Menschen, ist eine ganz andere als die von Großbritannien. 60 Prozent des Commonwealth sind 29 Jahre alt oder jünger, die meisten von ihnen sind people of colour. Tatsächlich ist Großbritannien eines der ältesten Länder im Commonwealth – älter sind nur noch Kanada und Singapur. Indien macht mit seiner Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen die Hälfte des Commonwealth aus.

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Commonwealth oder Common Wealth?

Das Commonwealth übt keine direkte Macht aus wie beispielsweise die Europäische Union. Es ist eine symbolische Vereinigung, deren Vertreterinnen und Vertreter sich jährlich treffen. Auch gibt es Sportveranstaltungen. Dennoch soll der Handel laut der offiziellen Seite des Commonwealth innerhalb der Commonwealth-Staaten reger als mit Nicht-Mitgliedern sein, allerdings gibt es auch Stimmen, die diese Statistik aufgrund der zugrundeliegenden Daten infrage stellen.

Auch soll das Commonwealth als eine Art Garant für die Bekennung der Mitgliedsstaaten zur Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte gesehen werden. So wurde beispielsweise auch Nigerias Mitgliedschaft in den 1990er-Jahren zeitweise ausgesetzt, ebenso wie Pakistan bis 2004. Gleichzeitig fand aber 2013 auch der Commonwealth-Gipfel in Sri Lanka statt – dort tobte zu dieser Zeit ein Bürgerkrieg, der Regierung wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Königin Elisabeth nahm am Gipfel zum ersten Mal seit 40 Jahren nicht teil – doch die Mitgliedschaft von Sri Lanka wurde trotz öffentlichen Drucks nicht ausgesetzt.

Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) weltweit liegt bei 10.728 US-Dollar pro Einwohner. Im Commonwealth liegt es aktuell durchschnittlich bei 3532 US-Dollar pro Einwohner. Das von Großbritannien umfasst 49.761 US-Dollar pro Einwohner. Im ärmsten Land des Commonwealth, Malawi, liegt es bei 324 US-Dollar pro Einwohner pro Jahr.

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Thinktanks wie ODI fordern eine Überarbeitung des Commonwealth und schlagen vor, Wohlstand gerechter innerhalb der Mitgliederstaaten zu verteilen. Einige Länder im Commonwealth seien im Laufe der gemeinsamen Geschichte reicher geworden, andere ärmer. Das ODI spricht von einer „Umverteilungsagenda“. Dafür müsse mit den kolonialen Hinterlassenschaften ebenso wie mit der Struktur von Machtverhältnissen und Denkweisen gebrochen werden. Ähnlich argumentiert auch der Staat Belize, der im Zuge von Reparationszahlungen ebenfalls eine Schuldenamnesie fordert.

Tatsächlich wird beim Betrachten der Daten deutlich, dass es eigentlich nur ein Land gibt, dass sich im Commonwealth unabhängig von den sonst vorherrschenden Reichtumsverhältnissen entwickelt hat: Singapur. 1950 lag das BIP pro Einwohner noch bei 3572 US-Dollar, heute ist es pro Kopf gerechnet das reichste Land im Staatenverbund mit 68.402 US-Dollar.

Warum überhaupt ins Commonwealth?

Warum hat sich ein Großteil der Staaten, die zuvor von Großbritannien kolonialisiert wurden, nach ihrer Unabhängigkeit entschieden, sich dem Verband des Commonwealth anzuschließen? Einmal sind nicht alle ehemalige Kolonien Mitglieder des Commonwealth geworden: Ägypten, Irak, Jordanien, Somalia, Sudan, Kuwait, Bahrain, Oman, Katar, Myanmar und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Doch gibt es auch Länder wie Mozambik oder Ruanda im Commonwealth, die niemals eine britische Kolonie waren und sich dennoch erfolgreich um eine Aufnahme beworben haben. Offenbar sind gemeinsame Werte heute wichtiger für den Verbund als eine gemeinsame Geschichte. Laut „The Africa Report“ hat das Commonwealth im 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung einer geordneten Machtübergabe gespielt. Gleichzeitig habe das Commonwealth im 20. Jahrhundert gemeinsame Ziele und Missionen verfolgt: beispielsweise die Befreiung Südafrikas vom Apartheidregime.

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Und wie denken die Menschen im Commonwealth über den neuen König in London? In Belize seien die Leute nicht euphorisch, sagt Belizes Premier Johnny Briceño kurz vor der Krönung dem britischen „Guardian“. „Wir sind so weit weg von dem Vereinten Königreich... Man sieht hier keine Menschen, die die Union-Jack-Flagge rausholen oder so etwas.“ Dem BBC sagen Barbesucher im karibischen St. Kitts und Nevis: „Eine Republik zu werden bedeutet, dass wir angekommen sind. Also lassen wir den Rest der Welt wissen, dass wir unsere eigenen Angelegenheiten regeln können.“ Und Charles soll wohl Australien mehr lieben, als die Australier ihn lieben, berichtet unsere Korrespondentin von dort.

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