Kira Geiss im RND-Interview

„Ich war dann lange sehr allein“: Wie die Miss-Germany-Siegerin ihrem Drogenumfeld entkam

Kira Geiss: Die Theologiestudentin freut sich über die Wahl zur Miss Germany.

Kira Geiss: Die Theologiestudentin freut sich über die Wahl zur Miss Germany.

Bei Miss Germany soll es nicht mehr um Schönheit, sondern um „Missionen“ gehen. Die Mission von Gewinnerin Kira Geiss (20) ist die Jugendarbeit: „Demokratie sollte den Anspruch haben, die Jugend zu fördern“, sagte die Theologiestudentin bei ihrer Vorstellung. Dabei gehe es nicht um fertige Konzepte, sondern darum, die Zukunft mit den jungen Menschen zu gestalten. In Magdeburg war sie nach eigenen Angaben bereits an der Gründung einer Jugendgemeinde beteiligt. Nun wolle sie eine deutschlandweite Jugendplattform gründen und außerdem in Unternehmen gehen, um zu berichten, was die „Gen Z“ – die Generation junger Menschen, die zwischen Ende der 1990er-Jahre und etwa 2010 geboren wurden – braucht. Im RND-Interview spricht sie darüber:

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Herzlichen Glückwunsch, Kira Geiss! Sie wurden wegen Ihres Engagements für die Jugendarbeit zur Miss Germany gekürt. Wie hat die Jugendarbeit Ihnen denn selbst geholfen?

Jugendarbeit hat alles verändert für mich. Ich bin lange in einem Freundeskreis gewesen, der viel Alkohol getrunken hat, viele Freunde von mir haben ein großes Drogenproblem entwickelt. Ich habe in sehr jungen Jahren andere junge Menschen gesehen, die wirklich zerbrochen sind. Ich bin da immer mit drin gewesen und habe mich nie richtig wohlgefühlt, aber war in einer Abhängigkeit, um gesehen und angenommen zu werden. Als junges Mädchen, mit zwölf oder 13, ist es schwierig, da einfach auszubrechen und von vorne anzufangen. Das sind viele Jahre gewesen, in denen sich ein Schatten über mein Herz gelegt hat, weil ich gemerkt habe, dass es mir nicht guttut, aber ich dabei sein muss, weil ich sonst alleine bin.

Was hat sich dann verändert?

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Ich habe, nachdem zu viele Sachen passiert sind, doch einen Bruch gemacht. Da war ich gerade fertig war mit meinem Abschluss und habe eine Ausbildung zur Gestalterin für visuelles Marketing angefangen. Ich habe mit dem ganzen Freundeskreis gebrochen und mit meinem damaligen Freund Schluss gemacht. Ich war dann lange sehr allein. Dann hatte ich das große Glück, von zwei Mädels, die jeden Morgen mit mir im Bus waren, eingeladen zu werden zu einem christlichen Jugendkreis. Ich fand das am Anfang etwas schräg, aber habe gemerkt, dass es ein anderes Umfeld ist. Ich kannte es nicht, dass Menschen ein ehrliches Interesse an mir haben. Das hat mir neue Lebensfreude gegeben. Ich habe dann auch einen Mentor bekommen, der mich begleitet, viel mit mir aufgearbeitet und mich gefördert hat. Mir hat vor allem das Kreative viel gegeben. Deswegen hat er mir das Gemeindehaus zur Verfügung gestellt und ich durfte alles machen. Ich habe die Wände gestrichen, Events organisiert, Jugendmottopartys gefeiert, Theaterstücke einstudiert und für 150 Leute gekocht. Ich wünsche mir, dass junge Menschen das erleben dürfen, was ich erlebt habe. Ich wäre heute nicht Miss Germany, hätte ich nicht diese Jugendarbeit gehabt, die mir eine Perspektive gegeben hat. Deswegen habe ich Bock, coole Jugendräume und Perspektiven für junge Menschen zu gestalten und vor allem mit ihnen zu gestalten.

Sie wollen in Ihrem Jahr als Miss Germany eine deutschlandweite Jugendplattform gründen. Was kann man sich darunter vorstellen?

Ich habe mich bei Miss Germany mit einem Dreistufenkonzept beworben: Collect, Connect, Create. Die erste Phase ist: Wir treten in Schulen, auf der Straße, in digitalen Medien in Kontakt mit jungen Menschen, mit der Gen Z, und fragen, was sie brauchen. In der Connect-Phase geht es dann darum, diese Jugendplattform aufzubauen mit den Schwerpunkten, die die jungen Menschen sich wünschen. Das kann so aussehen, dass wir von Stadt zu Stadt unterwegs sind und Events veranstalten und junge Menschen vernetzen mit Institutionen, Unternehmen, Gemeinden, Jugendkreisen. Ziel ist es, eine Plattform im Realen, aber auch im Digitalen aufzubauen. „Create“ ist schon sehr weit gedacht, aber das wäre, dass man ein großes Event macht, wo alle vorherigen Events dann vereint werden.

Sie haben sich schon vor der Wahl viel in der Jugendarbeit engagiert. Was ermöglicht Ihnen der Titel denn, was Sie vorher nicht auch hätten tun können?

Einfach eine große Plattform. Ich darf jetzt Sprachrohr sein für meine Generation, die Gen Z. Ich weiß nicht, ob sich die Gen Z mit mir identifiziert, aber ich wünsche mir, dass sie es feiern, was ich mache. Mein Ziel ist es auch – und ich glaube, das ermöglicht mir Miss Germany wirklich –, eine Brücke zu schlagen zwischen den Generationen. Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt so eine Kluft zwischen den Generationen. Die Älteren denken, die jungen Menschen hängen immer nur am Handy und haben keine Lust mehr – Stichwort Work-Life-Balance und Viertagewoche. Die Jüngeren halten die Älteren für eingefahren und nicht innovativ. Wir müssen anfangen, miteinander zu arbeiten und nicht gegeneinander. Darauf möchte ich auch gern hinarbeiten. Das Ziel ist es, dass die ältere Generation von der Vitalität, Kraft und Lebensfreude der jüngeren Generation profitieren kann, dass sie auch reinwachsen kann in die digitale Welt, und dass die junge Generation anerkennt, was für einen Schatz die ältere Generation mit sich bringt, da ist ganz viel Weisheit und Lebenserfahrung.

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Sehen Sie sich da in einer Vorbildfunktion für Ihre Generation?

Ja, es ist unglaublich, dass ich das weitertragen und anderen jungen Menschen sagen kann: Du hast eine Stimme und du darfst in unserer Gesellschaft mitbestimmen. Unsere Demokratie und Gesellschaft lebt davon, dass jeder mitarbeitet und seine Stimme teilt. Ein großes Ziel wäre es für mich auch, mit Familienministerin Lisa Paus zusammenzuarbeiten. Ich finde es ganz stark, was sie macht. Nicht jeder muss ein Politikprofi sein, das bin ich auch nicht, aber wir sollten uns ein Stück weit dafür interessieren, weil wir durch die Demokratie auch enorm unsere Gesellschaft steuern. Ich möchte jungen Menschen gern nahebringen, dass es wertvoll ist, wählen zu dürfen, und dass es cool ist, sich mit Politik und gesellschaftsrelevanten Themen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig will ich der Gesellschaft sagen: Wenn ihr erwartet, dass junge Menschen sich integrieren, müsst ihr ihnen auch eine Stimme geben. Mit Lisa Paus mal zusammenzusitzen und darüber zu philosophieren, das ist ein Schritt, den ich dieses Jahr gerne erreichen möchte.

Was braucht die Gen Z Ihrer Meinung nach denn in unserer (Arbeits-)Welt?

Struktur und Freiraum. Das klingt erst mal super konträr. Ich glaube, in der Gen Z will jeder individuell sein. Aber es gibt so viele Möglichkeiten, dass es eine feste Struktur braucht. Da ist es gut, wenn gesagt wird: Das sind die Fakten, das erwarten wir von dir, das solltest du leisten. Und einem im selben Zuge aber auch Verantwortung gegeben wird und man nicht belächelt wird, nur weil man jung oder eine Frau ist. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Wenn dein Gegenüber dich als kompetent wahrnimmt, dir vertraut und du mitreden darfst, dann sind der eigene Anspruch und die Motivation viel höher. Die Frage ist: Wollen wir einfach nur dieses Treppensystem beibehalten, um dann über Jahre aufsteigen zu können? Oder wollen wir was wagen, versuchen, frischen Wind reinzubekommen, und diese Vitalität von jüngeren Menschen in unsere Unternehmensstruktur einbeziehen?

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Bei Miss Germany hat sich das Konzept in den letzten Jahren sehr verändert. Hätten Sie vor dem Wandel auch mitgemacht?

Auf keinen Fall. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe auf Instagram Werbung für die Miss-Germany-Bewerbung gesehen und es erst mal weggewischt. Ich dachte mir: Miss Germany, das ist ein Schönheitswettbewerb, so eine Schiene mit Victoria‘s Secret, das ist für mich veraltet. Das ist nicht mehr dem entsprechend, was unsere Gesellschaft prägt. Dann habe ich die Werbung noch mal bekommen und es dann doch durchgelesen und gesehen, dass das Konzept verändert worden ist, und fand das ganz spannend. Das langfristige Ziel von Miss Germany ist es, diesen „Female Leader Award“ aufzubauen, Frauen eine Stimme zu geben, sie zu mobilisieren und zu zeigen: Hier gibt es Persönlichkeiten, die wollen für gesellschaftsrelevante Themen und soziale Nachhaltigkeit Verantwortung übernehmen. Miss Germany steht für diesen Wandel. Deswegen macht es mich etwas traurig, wenn ich Kommentare lese, in denen es heißt: „Die stehen doch immer noch auf dem Laufsteg.“ Man kann nicht von heute auf morgen alles ändern. Ich finde es stark, dass es heute kein Schönheitswettbewerb mehr ist, sondern eine Plattform für Frauen, die was bewegen wollen.

Was passiert denn eigentlich mit Ihrem Theologiestudium in diesem Jahr?

Das pausiere ich. Ich bin ein Fan davon, die Sachen, die ich mache, richtig zu machen. Überall so ein bisschen sein, das funktioniert eine Zeit lang, aber trägt meist keine Früchte. Ich habe diesen Schatz bekommen, dass ich mit Miss Germany zusammenarbeiten darf, und ich möchte das gerne ausnutzen. Natürlich ist es auch ein Opfer, dass ich mit meinem Studium bringe. Aber ich mache das gerne und ich breche es ja nicht ab. Und ich mache das, damit ich in die Jugendarbeit investieren kann.

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