„Erschüttert und fassungslos“

Neues Ausmaß der Brutalität: Täter im neuen Missbrauchskomplex Wermelskirchen fand die meisten Opfer als Babysitter

In Nordrhein-Westfalen gibt es einen neuen Missbrauchskomplex. Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Montag über den Stand der Ermittlungen gegen mehr als 70 Tatverdächtige informiert.

In Nordrhein-Westfalen gibt es einen neuen Missbrauchskomplex. Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Montag über den Stand der Ermittlungen gegen mehr als 70 Tatverdächtige informiert.

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Köln. Staatsanwaltschaft und Polizei in Köln haben am Montag über Ermittlungen gegen mehr als 70 Tatverdächtige informiert, die zahlreiche Fotos und Videos von sexuell missbrauchten Babys und Kleinkindern besessen und getauscht haben sollen.

„Es geht um schwerste sexuelle Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie“, sagte der Kölner Polizeipräsident Falk Schnabel zu Beginn der Pressekonferenz. „Wir müssen heute davon ausgehen, dass sich der Fall in die Liste des Missbrauchskomplexes Lüdge einreiht. Wir haben Anlass zu der Vermutung, dass der Komplex darüber hinausgehen wird“, betonte er. Zusammenhänge gebe es aber bislang keine. Schnabel habe einen kleinen Ausschnitt der Sequenzen gesehen. „Ich bin erschüttert und fassungslos. Ein solches Ausmaß an menschenverachtender Brutalität und gefühlloser Gleichgültigkeit gegenüber kleinen Kindern, ihren Schmerzen und ihren Schreien ist mir noch nicht begegnet“, sagte er.

44-Jähriger räumt Vorwürfe ein

Hauptverdächtiger in dem Komplex ist ein 44-Jähriger aus Wermelskirchen (Nordrhein-Westfalen). Ausgangspunkt der Ermittlungen war ein Verfahren in Berlin. Dabei wurde der Mann entdeckt, der Listen mit mutmaßlichen Pädophilen geführt haben soll.

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Dem 44-Jährigen wird vorgeworfen, insgesamt zwölf Kinder – zehn Jungen und zwei Mädchen – missbraucht zu haben. Die Hälfte der Kinder sei nicht älter als drei Jahre gewesen. Die Taten spielten zwischen 2005 und 2019. Möglich sei auch, dass einige Kinder während der Taten betäubt waren. Mit Dutzenden weiteren Männern habe er zudem kinderpornografische Bilder und Videos „unvorstellbarer Brutalität“ getauscht.

Der Mann aus Wermelskirchen habe die Taten weitgehend eingeräumt, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer, der aber auch betonte, dass noch immer die Unschuldsvermutung gelte. Derzeit werde geprüft, ob er in Sicherungsverwahrung genommen werden könne. Ein psychiatrisches Gutachten sei ebenfalls in Auftrag gegeben worden.

Hauptverdächtiger arbeitete als Babysitter

Bei den Opfern habe es sich um Kinder aus seinem näheren Umfeld, zum Großteil aber um Kinder gehandelt, die er aus seiner Tätigkeit als Babysitter kannte. Die Taten hätten zumeist in Räumlichkeiten der Familien stattgefunden. Manche Kinder habe er über mehrere Jahre betreut. Der Hauptverdächtige hatte detaillierte Listen für seine Ordnerstruktur auf dem Computer angefertigt. Daher stammt auch der Name der Ermittlungsgruppe „BAO Liste“ (Besondere Aufbauorganisation Liste).

Der Hauptverdächtige ist verheiratet, hat selbst aber keine Kinder. Er wurde bereits am 3. Dezember 2021 bei einem SEK-Einsatz festgenommen. Seitdem sitze er in Untersuchungshaft. Die Durchsuchung seines Objektes habe insgesamt 17 Tage gedauert. „Die Daten wurden direkt vor Ort gesichert“, sagte Oberstaatsanwalt Bremer. Insgesamt handele es sich um eine Datenmenge von rund 32 Terrabyte auf 232 Datenträgern mit etwa 3,5 Millionen Bildern und 1,5 Millionen Videos.

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Ermittlungen in 14 Bundesländern

Deutschlandweit werde in 14 Bundesländern gegen Verdächtige ermittelt. Nicht betroffen sind Bremen und das Saarland. Bislang seien 73 Verdächtige und 33 Opfer identifiziert worden. Neben dem Besitz von Fotos und Videos soll ein Teil der verdächtigen Männer auch selbst Kinder brutal vergewaltigt haben. Die gesammelten Daten würden nun ausgewertet werden. Bei den übrigen Verdächtigen handele es sich um Väter, Nachbarn, Bekannte, Brüder oder Großväter der Opfer.

Der Schwerpunkt liege mit 26 Verfahren in NRW, gefolgt von Thüringen (6), Brandenburg (5), Schleswig-Holstein (5) und Niedersachsen (5). Mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland sind alle anderen Bundesländer ebenfalls betroffen. Ein Verfahren sei nach Österreich abgegeben worden.

Die meisten Verdächtigen seien in einem Alter zwischen 26 und 45 Jahren. Auf die Schliche gekommen sei man dem Wermelskirchener im vergangenen November durch Ermittlungen gegen einen seiner Chat-Partner in Berlin. Bis zum Zugriff mit einem Haftbefehl des Kölner Amtsgerichts seien seine Telefone abgehört worden.

Ermittlungen könnten noch lange andauern

Polizeipräsident Schnabel erklärte weiter, dass die Ermittlungen im Komplex noch am Anfang stehen würden. Mit Blick auf den Umfang der gesammelten Daten könnten die Ermittlungen noch sehr lange dauern, betonten die Ermittler.

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Im Zuge der Ermittlungen hatte sich bereits auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) erschüttert gezeigt. „Das ist eine Kriminalität, die an Brutalität überhaupt nicht zu bewerten ist. Die Berge an Daten sind so groß, dass man sie mit normaler händischer Arbeit nicht mehr bewältigen kann“, sagte Reul am Samstag dem WDR.

In Nordrhein-Westfalen hatte es in den vergangenen Jahren mehrere Kriminalitätskomplexe mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern gegeben. Auf den Missbrauchsfall Lügde folgten die Ermittlungen zu den Komplexen Bergisch Gladbach und Münster.

RND/nis mit dpa

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