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Rodung für Autobahn-Ausbau

Polizei räumt Fechenheimer Wald - nur noch wenige Aktivisten im Gebiet

Polizeibeamte während der Räumung des Fechenheimer Waldes.

Polizeibeamte während der Räumung des Fechenheimer Waldes.

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Kassel/Frankfurt. Für die Rodung eines Teilstücks des Fechenheimer Waldes zum Ausbau einer Autobahn in Frankfurt ist die Polizei mit einem Großeinsatz gegen Umweltaktivisten vorgegangen. Nachdem mehrere Menschen von den Beamten aus dem besetzten Gebiet getragen worden waren, hielt sich am Nachmittag noch eine niedrige Anzahl von Aktivisten dort auf. Einige hatten sich mit Seilen hoch in den Bäumen eingehängt. Die Einsatzkräfte brachten mehrere Baumhäuser zu Fall. Bislang laufe alles weitestgehend friedlich, hieß es von der Polizei. Parallel zu der Räumung wurden am Mittwoch erste Bäume gefällt. Die Polizei sperrte das gesamte Gebiet ab.

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Am Abend teilte die Polizei mit, insgesamt seien am Mittwoch 3 Ermittlungs- sowie 18 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Zehn Personen seien in Gewahrsam genommen und zum Teil „nach den polizeilichen Maßnahmen“ wieder entlassen worden. „Nach vorliegendem Kenntnisstand kam es zu keinerlei Verletzungen auf Seiten der Ausbaugegner und ebenso wenig auf Seiten der Polizei.“

Hintergrund der Räumung ist der geplante Ausbau des Riederwaldtunnels im Fechenheimer Wald. Am Dienstag hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Teilrodung des Waldes im Zuge des Ausbaus der A66 vorgenommen werden kann, nachdem ein Eilantrag der Naturfreunde Deutschlands nach einem Aufschub abgelehnt worden war. Zudem scheiterte ein Klimaaktivist am Mittwoch mit einem Eilantrag gegen die Räumung der Polizei. Dieser wurde vom Frankfurter Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

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Am Mittwochvormittag waren auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und Innenminister Peter Beuth (beide CDU) an den Fechenheimer Wald gekommen, um sich einen persönlichen Eindruck von der Einsatzlage zu verschaffen. Rhein appellierte an die Demonstrantinnen und Demonstranten, den Wald zu räumen und „die Polizei ihre Arbeit machen zu lassen und dann die Rodungsarbeiten nicht weiter zu behindern“. Rhein betonte, dass die Räumung demokratisch legitimiert worden sei.

Polizei bittet Klimaaktivisten zu friedlicher Räumung vom Fechenheimer Wald
dpatopbilder - 18.01.2023, Hessen, Frankfurt/Main: Eine Person wird aus einem Baumhaus abgeseilt. Am frühen Morgen begann die Polizei den Fechenheimer Wald zu räumen. Der Wald ist seit über einem Jahr von Aktivisten besetzt, die den Ausbau der A66 und die Rodung des Waldes verhindern wollen. Foto: Hannes P Albert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Polizei hat zum Start ihres Einsatzes im Fechenheimer Wald an die Umweltaktivisten dort appelliert, den Wald friedlich zu verlassen.

Die Grünen-Fraktion im hessischen Landtag erklärte, dass sie gegen den Neubau von Autobahnen sei. Die Planungen im Fechenheimer Wald seien jedoch Ergebnis eines langen, rechtsstaatlichen und demokratischen Verfahrens. „Auch der Rechtsweg ist ausgeschöpft. Das muss selbstverständlich akzeptiert werden.“

Unterdessen hatten die Umweltaktivisten zum Start der Räumung ihren Widerstand bekräftigt. „Ihr werdet euch an dieser Räumung die Zähne ausbeißen“, teilten sie am Mittwochmorgen mit. Die geschützte Versammlung werde mit Füßen getreten und die Polizei setze sich über jede fehlende Rechtsgrundlage hinweg, um schnell Fakten zu schaffen. „Wir sehen uns gezwungen, den Wald mit unseren Körpern zu verteidigen“, erklärten die Aktivisten. In einer Mitteilung forderten sie eine sachkundige ökologische Baubegleitung. Jeder gefällte Baum müsse auf ein Vorkommen des Eichenheldbock-Käfers untersucht werden.

„Noch keine Übergriffe auf die Einsatzkräfte“

Die Polizei war seit dem frühen Mittwochmorgen mit Einsatzkräften aus allen hessischen Präsidien und mit Kräften der Bundespolizei aus Hünfeld vor Ort. „Bislang ist die Atmosphäre so, dass uns keine Feindseligkeit entgegengebracht wurde. Es ist natürlich ein bisschen Erbostheit dabei, dass die Polizei da ist - das war für uns zu erwarten, aber ansonsten gab es noch keine Übergriffe auf die Einsatzkräfte“, sagte ein Polizeisprecher am Vormittag.

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Der Weiterbau der A66 und ihr Anschluss an die A661 durch den geplanten Riederwaldtunnel zählen seit Mitte der 1980er Jahre zu den politischen Dauerbrennern in Hessens größter Stadt. Bislang endet die A66 aus Richtung Fulda kommend gut zwei Kilometer vor der A661. Der Verkehr fließt daher laut der Autobahn GmbH West durch den Osten der Stadt und führe häufig zu Staus, Lärm und Luftverschmutzung.

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Für den Bau des gut einen Kilometer langen Riederwaldtunnels mit zwei Röhren müssen der Autobahngesellschaft zufolge etwa 2,2 Hektar Wald gefällt werden. Das entspricht in etwa der Größe von drei Fußballfeldern. Ein weiterer halber Hektar Waldfläche bleibe vorübergehend als Lebensraum für den geschützten Heldbockkäfer bestehen.

Nach Angaben des Landes Hessen wurden bereits im Jahr 2018 als Ausgleich etwa 12 000 junge Bäume im Stadtteil Schwanheim im Westen Frankfurts gepflanzt. Die Bauzeit für den Tunnel wird auf rund acht Jahre veranschlagt, das Projekt soll 2031 beendet sein. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände unterstrich am Mittwoch die Bedeutung des Tunnels, der für die Wirtschaftsstandorte Frankfurt-Rhein-Main und Osthessen wichtig sei.

Klimaaktivist mit Eilantrag gescheitert

Der Klimaaktivist, der am Mittwoch einen Eilantrag vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht gegen die Räumung gestellt hatte, war bereits am Montag mit einem Eilantrag gescheitert, die betroffene Waldfläche betreten zu dürfen. Der Aktivist, der ein Baumhaus in dem Wald errichtet hatte, und dort sein Hab und Gut aufbewahrt, hatte unter anderem seine Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung geltend gemacht. Gegen den Beschluss hatte der Mann Beschwerde beim VGH eingelegt, die am Mittwoch zurückgewiesen worden war.

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Der Protest erinnert an den teils massiven Widerstand von Klimaaktivisten gegen großflächige Rodungen für den Weiterbau der Autobahn 49 in Mittelhessen. Zentrum der Proteste Dutzender Aktivisten im Herbst 2020 waren der Dannenröder Forst und zwei weitere Waldstücke bei Stadtallendorf und Homberg (Ohm). Die Polizei war wochenlang mit einem Großaufgebot im Einsatz, um die Protestcamps zu räumen.

Polizeigewerkschaften riefen Aktivisten auf, friedlich zu bleiben

Die hessischen Polizeigewerkschaften riefen die Aktivisten auf, friedlich zu bleiben. Der Fechenheimer Wald dürfe kein zweites Lützerath werden, teilte die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Hessen mit. Gewalt gegen Polizeibeamte sei ein nicht tragbarer Zustand. „Die eingesetzten Polizeibeamten/innen würden mit Sicherheit auch lieber etwas anderes tun als sich mit Baumbesetzern und gewalttätigen Demonstranten auseinanderzusetzen.“ Im Zuge der Räumung der Siedlung Lützerath in Nordrhein-Westfalen für den Braunkohle-Abbau waren am vergangenen Wochenende zahlreiche Aktivisten und Beamte verletzt worden.

Die Fraktion der Linken im hessischen Landtag kritisierte die Räumung scharf: „In Zeiten des Klimawandels braucht es die Durchsetzung eines echten sozial-ökologischen Wandels statt der Abholzung von Wäldern für Planungsdinosaurier“, hieß es in einer Mitteilung. „Der für ein Autobahn-Projekt gerodete Dannenröder Forst in Hessen, Lützerath, nun der Fechenheimer Wald in Frankfurt am Main – von Klimaschutz ist zwar auch in der Politik viel die Rede, in der Praxis werden die Klimaziele aber auch unter grüner Regierungsbeteiligung torpediert.“

RND/dpa

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