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Einstiger Todesschütze an High School zeigt Reue: „Ungeheure Scham und Schuld“

FILE - In this May 22, 1998, file photo, Thurston High School student , 15, is led to his arraignment in Eugene, Ore. Kip Kinkel, who killed his parents before going on a shooting rampage at his Oregon high school in 1998, killing two classmates and injuring 25 more, has given his first news interview, telling HuffPost he feels “tremendous, tremendous shame and guilt.”(, File)

FILE - In this May 22, 1998, file photo, Thurston High School student , 15, is led to his arraignment in Eugene, Ore. Kip Kinkel, who killed his parents before going on a shooting rampage at his Oregon high school in 1998, killing two classmates and injuring 25 more, has given his first news interview, telling HuffPost he feels “tremendous, tremendous shame and guilt.”(, File)

Salem. Fast 112 Jahre Gefängnis lautet die Strafe, die Kip Kinkel absitzt für ein Blutbad an seiner High School in Oregon 1998. Jetzt gibt der inzwischen 38-Jährige sein erstes Interview – weil er sich in der Verantwortung fühlt für junge Straftäter, denen sein Verbrechen die Zukunft verbaut.

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„Ich habe Verantwortung für das Leid, das ich anrichtete, als ich 15 war“, sagt Kinkel im Gespräch mit der „HuffPost“. „Aber ich trage auch Verantwortung für das Leid, das ich jetzt als 38-Jähriger verursache mit dem, was ich mit 15 tat.“ Lange habe er nicht mit den Medien sprechen wollen, um seine Opfer nicht weiter zu traumatisieren, erklärt er. Aber er habe zunehmend das Gefühl gehabt, dass sein Schweigen jugendlichen Straftätern eine zweite Chance nehme. Unter Verweis auf Kinkels Tat wurden Vorstöße zu einer Reform des Jugendstrafrechts in Oregon ausgebremst. Zu schwer lastet die Erinnerung an die Bluttat auf Opfern und Angehörigen.

Kip Kinkel hatte im Mai 1998 als 15-Jähriger seine Eltern umgebracht und hatte dann an der Thurston High School zwei Mitschüler erschossen und mehr als zwei Dutzend weitere verletzt, bevor er von anderen Schülern überwältigt wurde. Vor Gericht bekannte er sich schuldig und wurde zu fast 112 Jahren Haft verurteilt.

Kip Kinkel: „Empfinde ungeheure Scham und Schuld“

„Ich empfinde ungeheure, ungeheure Scham und Schuld für das, was ich getan habe“, sagt Kinkel nun den Journalisten der Onlinezeitung, die über zehn Monate hinweg rund 20 Stunden mit ihm telefonierten. Der Jugendliche litt an damals nicht diagnostizierter paranoider Schizophrenie mit Wahnvorstellungen, als er die Schule stürmte. Seit er zwölf Jahre alt war, habe er Stimmen gehört, erklärt Kinkel jetzt im Gespräch. Er sei besessen gewesen von Messern, Gewehren und Sprengstoff, habe geglaubt, eine chinesische Invasion in den USA stehe bevor und dass die Regierung und der Walt-Disney-Konzern ihm einen Mikrochip in den Kopf gepflanzt hätten.

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Als er dann im Mai 1998 in der Thurston High School in Springfield mit einer gestohlenen Waffe erwischt worden sei, die er einem Mitschüler abgekauft habe, sei „meine ganze Welt explodiert“, sagt Kinkel. „Alle Gefühle von Sicherheit und Schutz – oder der Fähigkeit, eine Bedrohung kontrollieren zu können – waren weg.“

Angesichts des drohenden Schulverweises, strafrechtlicher Konsequenzen und der Schande hätten die Stimmen in seinem Kopf ihn glauben gemacht, er müsse seine Eltern töten und an die Schule zurückkehren, um „alle umzubringen“, erinnert sich der heute 38-Jährige. Am Tag nach dem Vorfall in der Schule erschoss der Junge seine Eltern und eröffnete schließlich in der Cafeteria der Schule das Feuer. Dabei tötete er zwei Mitschüler im Alter von 16 und 17 Jahren und verletzte 25 weitere.

„Ich hasse die Gewalt, für die ich Schuld trage“, sagt Kinkel. Im Gefängnis habe er sich einer Therapie unterzogen, berichtet er. Er habe gemerkt, dass er unschuldigen Menschen Schaden zugefügt habe, auch Menschen angegriffen habe, die er liebte – wie seine Eltern. Er habe geweint, als er von dem Schulmassaker von Columbine in Colorado ein Jahr später erfahren habe, und befürchtet, er könne dazu angeregt haben.

Anwälte fechten Urteil von damals an

Inzwischen ficht er seine faktisch lebenslange Haftstrafe an. Seine Anwälte erklären, dass das damalige Schuldbekenntnis im Zeichen der psychischen Erkrankung gestanden habe und dass die Strafe nicht verfassungsgemäß sei. Einen Jugendlichen dazu zu verurteilen, bis zum Tod in Haft zu bleiben, weil er an einer psychischen Krankheit leide, sei ein Verstoß gegen die Verfassung, betonen sie.

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Im Zuge landesweiter Strafrechtsreformen verabschiedete das Parlament von Oregon vor zwei Jahren eine Maßnahme, wonach 15- bis 17-Jährige bei bestimmten Verbrechen nicht automatisch unter Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden sollen. Außerdem beinhaltete die Änderung, dass Jugendliche nicht zu lebenslanger Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung verurteilt werden sollen.

Dagegen regte sich Widerstand: Die Kritiker brachten vor, dass das auch zur Freilassung von Kip Kinkel führen könnte. Einen Monat später schoben die Parlamentarier ein zweites Gesetz nach, das klarstellte, dass die Änderungen nicht rückwirkend sein sollten. Neben Kinkel saßen zu dem Zeitpunkt etwa ein Dutzend weitere Menschen in quasi lebenslanger Haft für Verbrechen, die sie als Jugendliche begangen hatten.

Die Vorstellung, dass Kinkel wieder auf freien Fuß kommen könne, sei für sie unerträglich, sagt indes Betina Lynn der „HuffPost“. Sie wurde von ihrem Mitschüler Kip in Rücken und Fuß geschossen und hat dauerhafte Nervenschäden davongetragen. Auch nach 23 Jahren leide sie ebenso wie andere Überlebende, sagt Lynn. „Wir alle verbüßen unser Lebenslänglich an seiner Seite.“

RND/AP

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