Häuser eingestürzt, Dutzende Tote: das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe in Deutschland
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Trier: Das Klinikum Mutterhaus Ehrang steht unter Wasser und wurde komplett notevakuiert.
© Quelle: Sebastian Schmitt/dpa
Ganze Landstriche sind überflutet, Orte von der Außenwelt abgeschnitten, Häuser eingestürzt: Nach Dauerregen im Westen Deutschlands sind mindestens 53 Menschen gestorben. Im Ort Schuld in der Eifel wurden in der Nacht zum Donnerstag vier Häuser komplett und zwei weitere zur Hälfte weggespült. Weitere Gebäude in der Katastrophenregion seien vom Einsturz bedroht. 50 bis 70 Menschen werden nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums vermisst. Am Donnerstag zog das Unwetter weiter nach Nordrhein-Westfalen und setzt auch dort viele Orte und Stadtteile unter Wasser. Eine Entspannung der Lage ist kaum in Sicht.
Unwetter trifft NRW: acht Tote in Euskirchen
In Nordrhein-Westfalen bleibt die Lage angespannt. Nach dem Abklingen des Starkregens kämpfen Feuerwehr und andere Einsatzkräfte an vielen Orten mit einer sich verschärfenden Hochwasserlage. Mindestens 30 Menschen starben in NRW.
Im Kreis Euskirchen im Süden von NRW sind laut den Behörden 15 Menschen ums Leben gekommen. In mehreren Orten sei die Lage sehr kritisch. „Es finden Menschenrettungen statt“, heißt es vom Kreis Euskirchen. Teilweise bestehe kein Zugang zu den Orten. Im Kreisgebiet sei die Kommunikation weitgehend ausgefallen. Auch der Feuerwehrnotruf 112 seien nicht zu erreichen. Weitere Entwicklungen im Live-Ticker.
In der Nacht zum Donnerstag drohte im Kreis Euskirchen der Damm der Steinbachtalsperre zu brechen. Ein unkontrollierter Überlauf der Wupper-Talsperre bei Radevormwald konnte offenbar nicht mehr verhindert werden. Die Anwohner entlang der Wupper waren in der Nacht aufgefordert worden, umgehend den Gefahrenbereich zu verlassen. Es bestehe akute Lebensgefahr. In Hückeswagen lief die Bevertalsperre über. Mehr als 1000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Zudem wurden angrenzende Ortschaften und Häuser evakuiert.
Im Sauerland starben bei den Rettungseinsätzen zwei Feuerwehrleute. Ein 46-jähriger Feuerwehrmann war am Mittwochnachmittag in Altena nach der Rettung eines Mannes aus einem überfluteten Stadtteil ins Wasser gestürzt und abgetrieben. Knapp zwei Stunden später kollabierte ein 52 Jahre alter Feuerwehrmann bei einem Einsatz im Bereich des Kraftwerks Werdohl-Elverlingsen. Er sei am Mittwochabend trotz Reanimations- und Hilfsmaßnahmen gestorben, teilte die Polizei mit. Ersten Erkenntnissen nach handelte es sich bei dem Unglück um einen gesundheitlichen Notfall.
In Rheinbach bei Bonn wurde am frühen Donnerstagmorgen eine tote Frau auf einer Straße entdeckt. Ein Zusammenhang mit dem Unwetter, von dem auch Rheinbach mit überfluteten Straßen stark betroffen war, sei wahrscheinlich, erklärte die Bonner Polizei. Zwei weitere Tote wurden am Nachmittag gemeldet. Im Bergischen Land und in der Eifel fiel der Strom aus, rund 200.000 Menschen waren davon betroffen.
In Köln wurden zwei Menschen tot in ihren mit Wasser vollgelaufenen Kellern entdeckt. Die Feuerwehr habe die tote Frau und den toten Mann am späten Mittwochabend bei Einsätzen gefunden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. In Solingen starb ein 82 Jahre alter Mann nach einem Sturz im überfluteten Keller seines Hauses. Bei dem Sturz sei er mit dem Kopf unter Wasser geraten, sagte eine Sprecherin der Wuppertaler Polizei. Ein 77 Jahre alter Mann aus Kamen kam in dem unter Wasser stehenden Keller seines Wohnhauses ums Leben.
Plünderungen in NRW
In Stolberg bei Aachen nutzen bereits Kriminelle die Hochwasserlage aus: Dort sei es zu einzelnen Plünderungsversuchen von Geschäften gekommen, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Demnach hatten in drei Fällen Zeugen gemeldet, dass sich Personen in überschwemmten Läden befänden. Die Polizei nahm an einem Juweliergeschäft einen Verdächtigen fest. Als die Beamten an den anderen Tatorten - einem Supermarkt und einer Drogerie - eintrafen, sind demnach mehrere Unbekannte geflüchtet. Ob etwas gestohlen wurde, war zunächst unklar. Eine Hundertschaft der Polizei sei nun in Stolberg, um die verlassenen Wohnhäuser und Geschäfte vor Plünderungen zu schützen
Viele Flüsse und Bäche in der Eifel, im Bergischen Land, im Rheinland und Sauerland führten am Donnerstag weiterhin Hochwasser, sie waren am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag über die Ufer getreten. Straßen wurden überschwemmt, Keller liefen voll. Tausende Feuerwehrleute waren landesweit im Einsatz.
Rheinland-Pfalz: sechs Häuser nach Unwetter eingestürzt
Nach Überflutungen und Dauerregen sind im Eifel-Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen. Im Ort Schuld stürzten in der Nacht sechs Häuser ein. Knapp 70 Menschen waren nach Angaben eines Polizeisprechers vermisst. Einige der Fälle hätten sich zwischenzeitlich wohl aufgeklärt, sagte ein Sprecher am Donnerstagvormittag. Eine Vielzahl von Häusern sei instabil, es bestehe Einsturzgefahr. Der Katastrophenfall wurde ausgerufen. Das Dorf mit etwa 700 Einwohnern – nahe der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen – liegt in einer Schleife an der Ahr, die normalerweise ein kleiner Fluss ist. Nun hat sich die Ahr in ein reißendes Gewässer verwandelt. Auf Luftaufnahmen von Schuld ist zu sehen, wie Teile des Ortes in den Fluten mit Geröll und Schlamm nahezu versinken.
Mehrere Orte im Landkreis Ahrweiler wurden wegen des Hochwassers von der Außenwelt abgeschnitten. Ungefähr 50 Menschen befinden sich dort auf Hausdächern und müssen gerettet werden. Auch die Bundeswehr half mit rund 200 Soldaten.
Bahn rät von Reisen von und nach NRW ab
Auch der Bahnverkehr ist durch die Überflutungen und den Dauerregen massiv beeinträchtigt. Die Bahn rief dazu auf, Fahrten von und nach Nordrhein-Westfalen nach Möglichkeit zu verschieben. Aufgrund von Streckensperrungen fahren zahlreiche S-Bahn- und Regionallinien nicht oder nur eingeschränkt, wie die Deutsche Bahn am Donnerstag mitteilte. Auch auf den Autobahnen gibt es erhebliche Wetterfolgen.
RND/dpa