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New York versinkt im Schnee – und viele freut es

Ein Mann mit einem Regenschirm in den Schneemassen am Times Square in New York.

Ein Mann mit einem Regenschirm in den Schneemassen am Times Square in New York.

New York. Jose Paulino hatte schon am frühen Montagabend genug von dem Schnee. „Sagt doch bitte mal meinem Hausbesitzer, dass das Ding jetzt vorbei ist“, witzelte der Hausmeister eines vierstöckigen Apartmenthauses in Harlem, während er kurz nach Einbruch der Dunkelheit schon zum fünften Mal an diesem Tag den Bürgersteig und die Eingangstreppe freischaufelte. „Mir tun die verdammten Arme weh.“

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Doch das „Ding“, wie Paulino den Schneesturm nannte und der in den vergangenen drei Tagen den gesamten amerikanischen Nordosten erstickte, war noch lange nicht vorbei. Als am Dienstagmittag die schweren Schneefälle langsam nachließen, waren in Manhattan rund 60 Zentimeter gefallen. Weiter im Norden des Staates, zur kanadischen Grenze hin, waren es noch bis zu zehn Zentimeter mehr.

Der schwere, nasse Schnee legte sich nicht leicht auf die große Stadt, sondern eher wie eine zähe Masse, die das Getriebe lahmlegt. Innerhalb von einer Stunde wurde es am Montag still in New York, der Autoverkehr erlahmte komplett. Lediglich Stadtbusse ratterten noch mit Schneeketten den Broadway auf und ab, ansonsten bevölkerten Skilangläufer die Straßen. In den Wohngebieten bauten Kinder mitten auf der Straße Schneemänner, in den Parks wurden auch noch die kleinsten Abhänge in Rodelpisten verwandelt.

Einer der zehn schwersten Schneefälle in der Geschichte der Stadt

Schulen und öffentliche Gebäude hatten schon am Montag provisorisch geschlossen, der U-Bahn-Verkehr von überirdischen Strecken wurde gestoppt. Viele Menschen, die Linien mit überirdischen Abschnitten benutzten, mussten ihre Heimfahrt abrupt unterbrechen und in Busse umsteigen. Über Nacht wurden auf allen Strecken Frachtzüge eingesetzt, um die Gleise zu enteisen.

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Der Gouverneur des Staates New York, Andrew Cuomo, rief im ganzen Staat den Notstand aus. Es wurde von einem der schlimmsten Schneestürme in der Geschichte New Yorks gesprochen. Als am Dienstagvormittag das Ende der Schneefälle abzusehen war, relativierte sich jedoch die Superlative. Es war in der Tat einer der zehn schwersten Schneefälle in der Geschichte der Stadt. Allerdings fanden sechs der zehn schwersten Stürme seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert in den vergangenen 20 Jahren statt.

Schlittenfahren im Central Park.

Schlittenfahren im Central Park.

So konnten sich viele New Yorker noch gut an 2015 erinnern, als innerhalb von zwölf Stunden knapp 80 Zentimeter Schnee auf die Stadt niedergingen. Damals war die Stadt unvorbereitet. Schulbusse blieben liegen, eine U-Bahn-Linie steckte unbeheizt über Nacht in einem Tunnel.

Im Vergleich zu damals überstand New York den Wettereinbruch diesmal geradezu reibungslos. Die Räumkommandos waren von der ersten Minute an unermüdlich unterwegs, die Schulen machten am Montag erst gar nicht auf. Keine Pendler blieben, wie sonst, über Nacht in der Stadt hängen.

Eine Stadt, die sich seit Monaten im unruhigen Halbschlaf wälzt

Dass sich die Störungen in Grenzen hielten, lag natürlich auch daran, dass New York seit Beginn der Pandemie ohnehin nur auf einem Kolben läuft. Die Bürowolkenkratzer in Midtown stehen seit nunmehr fast einem Jahr leer. Bessere Wohnviertel wie die Upper West Side, wo die Bewohner es sich leisten konnten wegzuziehen, sind seit Monaten wie ausgestorben. Schon seit Dezember ist New York unter einem „soften“ Lockdown. Viele öffentliche Einrichtungen sind geschlossen. Schulen haben nur Teilbetrieb, und Lokale dürfen nur im Freien bewirten. Deshalb stehen die Straßen voller Behelfsbauten aus Holzplatten, die mit Elektrostrahlern beheizt werden. Doch am Montag und Dienstag blieben auch diese leer.

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So blieb der große Schneesturm in der Stadt, die sich seit Monaten im unruhigen Halbschlaf wälzt, weitgehend folgenlos. Und anstatt über die Unterbrechung des gehetzten New Yorker Rhythmus zu klagen, freuten sich viele New Yorker über die Abwechslung. Menschen tollten im verschneiten Central Park mit ihren Hunden. Eltern spielten mit ihren Kindern im Schnee.

„Schnee ist schon in normalen Jahren wunderbar in der Stadt“, sagte Sarah Friedman, die mit ihrer sechs Jahre alten Tochter im Central Park unterwegs war. „In diesem Jahr ist es jedoch besonders schön.“ Es war ein Tag der Ruhe und Unbeschwertheit nach den langen Monaten des Eingesperrtseins und der Angst. Und er hat den Menschen ein wenig Kraft gegeben, um auch noch den Rest der Pandemie durchzustehen.

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