Razzia gegen Kindesmissbrauch: rund 100 Wohnungen in Rheinland-Pfalz durchsucht
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Geplant war die Durchsuchung von 137 Wohnungen in Rheinland-Pfalz. (Symbolbild)
© Quelle: picture alliance / Andreas Gora/ Symbol
Mainz. Bei einer Razzia in Rheinland-Pfalz in rund 100 Wohnungen zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch ist ein Haftbefehl wegen eines versuchten Tötungsdelikts vollstreckt worden. Bei der seit Monaten vorbereiteten und koordinierten Aktion aller fünf rheinland-pfälzischen Polizeipräsidien wurden am Mittwoch Hunderte Speichermedien sichergestellt, wie Innenminister Roger Lewentz (SPD) in Mainz sagte. Dabei gehe es vor allem um die Verbreitung von Abbildungen des sexuellen Missbrauchs von Jungen und Mädchen.
267 Einsatzkräfte seit fünf Uhr morgens beteiligt
Geplant war die Durchsuchung von 137 Wohnungen von ebensovielen Beschuldigten, wie der Vizepräsident des Landeskriminalamts (LKA), Achim Füssel, berichtete. 95 Durchsuchungen waren gegen 10.30 Uhr beendet, 21 Durchsuchungsbefehle konnten nicht vollstreckt werden, weil die Bewohner nicht angetroffen wurden. Mit einer gesamten Bilanz des Einsatzes, an der 267 Einsatzkräfte seit fünf Uhr morgens beteiligt waren, wurde am Mittwochabend gerechnet.
Die Ermittler hätten unter anderem 411 Datenträger wie Handys, Laptops, Festplatten, USB-Sticks und andere Speichermedien sichergestellt, sagte Füssel. Sie fanden zudem eine Schreckschusswaffe und geringe Mengen Drogen. Beschuldigt werden zehn Frauen im Alter von 17 bis 55 Jahren sowie 127 Jungen und Männer im Alter von 14 bis 77 Jahren. Der größte Teil der Hinweise auf die Beschuldigten stamme aus den USA von amerikanischen Providern, sagte LKA-Chef Johannes Kunz. Es handele sich um einzelne Fälle, ergänzte Füssel. Die Beschuldigten fänden sich aber auch zu Gruppen zusammen, um kinderpornografische Bilder auszutauschen. „Bei den Durchsuchungen erlangen wir weitere Erkenntnisse, da erweitert sich dann der Kreis.“
Deutlicher Anstieg von Kindesmissbrauch
Kindesmissbrauch und die Verbreitung von Abbildungen sexuellen Missbrauchs von Kindern steigen nach der Polizeilichen Kriminalstatistik deutlich. Im ersten Halbjahr 2021 seien bereits 318 Fälle sexuellen Missbrauchs von Jungen und Mädchen registriert worden (plus 3,6 Prozent). Bei der Verbreitung der Abbildungen solcher Straftaten betrug das Plus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast 86 Prozent - auf 871 Taten.
Die Meldungen solcher Fälle aus den USA seien explosionsartig gestiegen, sagte Kunz. „Die Maschinen arbeiten weitgehend treffsicher.“ Die Provider hätten zudem ihre Mechanismen verfeinert und fänden mehr. Von Februar an gelte diese Meldepflicht auch für deutsche Provider - ans Bundeskriminalamt. Kunz rechnet dann mit täglich 30 neuen Fällen allein in Rheinland-Pfalz.
Die zunehmende Nutzung von Smartphones und anderen internetfähigen Endgeräten nannte Lewentz als einen weiteren Grund für den Anstieg. Dazu komme die Corona-Pandemie als „zusätzlicher Risikofaktor“, sagte Kunz. Die Zeit, die Jungen und Mädchen unabhängig von der Schule im Internet verbringen, sei im Lockdown und in Zeiten von Homeschooling deutlich gestiegen. Damit aber etwa auch das Cybergrooming, bei dem Täter etwa in Chats Kontakt zu Kindern und Jugendlichen suchen.
Kunz sieht aber auch Fortschritte bei den Ermittlungsmethoden: So blieben immer weniger Anfragen im Wege der Rechtshilfe ins außereuropäische Ausland unbeantwortet. Innerhalb Europas könnten die Polizeidienststellen über einen Kanal inzwischen direkt miteinander kommunizieren. Das neue Gesetz zum Erwerb, Besitz und der Verbreitung von Kinderpornografie mache zudem Telefonüberwachungen und Onlinedurchsuchungen einfacher und biete einen neuen U-Haftgrund, sagte Füssel.
Im ersten Halbjahr seien bereits 1901 Strafanzeigen wegen des Missbrauchs von Kindern und der Verbreitung entsprechender Bilder eingegangen, sagte Füssel. In mehr als einem Viertel der Fälle habe es Durchsuchungen gegeben, wobei die Polizei in 90 Prozent fündig geworden sei. Gegen 1375 Tatverdächtige werde ermittelt, drei seien deshalb in U-Haft und gegen einen ein Haftbefehl vollstreckt worden.
„Kein Täter, der solche widerwärtigen und abscheulichen Taten begeht, darf sich in Rheinland-Pfalz sicher fühlen“, betonte Lewentz. „Die widerwärtigen Missbrauchstaten hinterlassen bei den wehrlosen Opfern nicht nur körperliche, sondern regelmäßig auch seelische Leiden, die sie oft sogar bis an ihr Lebensende begleiten.“
Füssel sagte: „Mit den landesweiten Ermittlungen wollen wir den Verfolgungsdruck erhöhen und auch den heute nicht unmittelbar betroffenen Täterinnen und Tätern signalisieren, dass die Polizei alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, um solche Straftaten zu bekämpfen.“
RND/dpa