Der Fall Simone Strobel: 17 Jahre später wird ihr Freund wegen Mordes angeklagt
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/HKYNFRXA6NAEJEJKWACURATLUU.jpeg)
Der damalige Freund von Simone Strobel wird verhaftet.
© Quelle: PR IMAGE
17 Jahre lang ermittelte die australische und teilweise auch die deutsche Polizei. Lange Zeit schien sich wenig bei dem tragischen Fall um den gewaltsamen Tod von Simone Strobel zu bewegen, der ganz Australien, vor allem aber die Bürgerinnen und Bürger der kleinen Stadt Lismore an der Ostküste, schockiert hatte, wo sich das Verbrechen ereignet hatte. 2020 wurde eine Million Australische Dollar Belohnung – umgerechnet rund 685.000 Euro – für Hinweise ausgeschrieben, die zur Aufklärung des Mordes an der damals 25-jährigen jungen Erzieherin führen sollte.
Diese Woche überschlugen sich dann jedoch die Ereignisse: Bereits am Dienstag überraschte die Nachricht, dass Strobels damaliger Freund Tobias M. (früher Tobias S.) in Perth festgenommen worden war. Einen Tag später wurde er zu den Behörden nach Sydney überstellt. Dort wurde der 42-Jährige am Donnerstag dann wegen Mordes sowie wegen Strafvereitelung angeklagt. Bei einem ersten Gerichtstermin erschien er allerdings nicht selbst, sondern ließ sich von seiner Anwältin vertreten.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ELXAUHT3FFB6TCMHCDL2CBL7RA.jpg)
Paul Toole, stellvertretender Premierminister und Polizeiminister von New South Wales, und Superintendent Scott Tanner geben eine Pressekonferenz zum Fall Strobel.
© Quelle: IMAGO/AAP
Haftbefehle für zwei weitere Beteiligte
Laut eines Berichts des lokalen Senders ABC hat die australische Polizei zudem Haftbefehle für zwei weitere Beteiligte in Deutschland ausgestellt. Diese seien „von Anfang an Personen von Interesse“ gewesen, wie der zuständige Polizeibeamte Scott Tanner sagte. „Wir glauben, dass sie Informationen haben, die bei der Untersuchung hilfreich sein könnten.“
Gemeinde trauert noch immer
Das Bild der hübschen Simone Strobel hat sich bis heute in das Gedächtnis der Bürger in Lismore eingebrannt. In einem aktuellen Interview mit dem australischen Sender ABC beschrieb Jenny Dowell, die zum Zeitpunkt des Mordes für die Gemeinde arbeitete, wie groß die Anteilnahme der Bürger war und ist: Die Menschen hätten damals Geld für die Angehörigen gesammelt und ein Zaun in der Nähe des Auffundortes sei mit Blumen, Kerzen und Nachrichten der Anteilnahme gefüllt gewesen. „Wir waren alle schockiert, dass dieser junge Mensch in unserer Gemeinde ein so entsetzliches Ende genommen hatte“, sagte sie. Die Menschen hätten eine Mischung aus Scham, Sorge und Trauer empfunden, doch die Familie von Simone Strobel hätte den Menschen vor Ort nie die Schuld gegeben. Im Gegenteil: „Sie waren sehr gerührt, dass unsere Gemeinde sich so sehr um Simone sorgte.“ Die Familie habe ihr eine wunderschöne Postkarte mit einem Gedicht geschickt, das eines der Lieblingsgedichte ihrer Tochter gewesen sei, sowie ein kleines Herz. Als Andenken an Simone hat die Gemeinde dieses Gedicht auf eine Granitbank in einem Park schreiben lassen, der nur wenige Meter von der Stelle entfernt ist, an der ihr Leichnam gefunden wurde.
Der Mord an Simone Strobel hatte 17 Jahre auf eine Antwort warten lassen. Die 25-jährige Deutsche war im Februar 2005 spurlos verschwunden. Die junge Erzieherin aus dem Landkreis Würzburg war nach einem feuchtfröhlichen Abend mit ihren Freunden – ihrem Partner, dessen Schwester und einem weiteren Bekannten – in Streit geraten. Kurz vor Mitternacht verließ sie den Zeltplatz in Lismore. Es sollte das letzte Mal sein, dass ihre Freunde sie lebend sahen. Noch in der Nacht suchten sie nach der jungen Frau – jedoch vergeblich. Als sie auch am nächsten Morgen nicht zurückkehrte, meldeten sie Simone Strobel als vermisst.
Leiche nach sechs Tagen Suchen entdeckt
Sechs Tage durchkämmte die Polizei die Stadt, bis die Leiche der jungen Frau schließlich auf einem Sportplatz – nur etwa 90 Meter vom Campingplatz entfernt – entdeckt wurde: Nackt und mit Palmwedeln bedeckt. Eine eindeutige Todesursache konnte da schon nicht mehr festgestellt werden. 2007 kam ein Gerichtsmediziner aber zu dem Schluss, dass Strobel höchstwahrscheinlich mit einem Kissen oder einer Plastiktüte erstickt worden sei.
Zunächst sympathisierte die Bevölkerung mit den Freunden der Toten, sammelte sogar Geld, um den Rückflug nach Deutschland zu zahlen. Doch die drei Freunde verstrickten sich in ihren Aussagen immer mehr in Widersprüche. Vor allem der damalige Freund Strobels geriet ins Visier der australischen und deutschen Polizei, die den Fall ebenfalls untersuchte. „Strobel ‚vom Freund erstickt‘“, „Die Freunde der toten Rucksacktouristin haben gelogen“, „Backpacker stritt sich mit seiner Freundin, bevor sie starb‘“ betitelte die australische Tageszeitung „Sydney Morning Herald“ Artikel zu dem Fall. Tobias M. galt über Jahre als tatverdächtig, obwohl er selbst seine Unschuld stets beteuerte.
„Absolute Hölle“ für die Familie der Toten
Eine gerichtliche Untersuchung des Falls 2007, zu der nur der Bekannte, nicht aber Tobias M. oder seine Schwester anreisten, kam erneut zu keinem schlüssigen Ergebnis. „Die Untersuchung endete mit vielen Fragezeichen“, sagte Virginia Peters in einem Interview 2020. Die australische Autorin, die selbst nur 25 Minuten vom Tatort entfernt wohnt, hat ein Buch über die Tragödie geschrieben. Peters interviewte den Deutschen für ihr Buch, doch dieser verklagte die Autorin 2014 wegen Verleumdung. „Tobias klagte mich an, ich würde ihm Mord unterstellen, aber letztendlich wollte er seine persönlichen Aufzeichnungen nicht vorzeigen – aus Angst, seine eigenen Seiten könnten ihn belasten“, schrieb Peters damals in einer E-Mail. Später habe er die Klage aber wieder fallengelassen.
Peters, die der gewaltsame Tod der jungen Frau selbst tief berührt hatte, war für ihre Buchrecherche extra nach Deutschland gereist, um die Geschwister und die Eltern des Mordopfers zu treffen: „Es ist eine absolute Hölle für sie gewesen“, sagte sie. Auch der Polizeibeamte Tanner sprach gegenüber der ABC über die Familie der Verstorbenen. Diese leide nach wie vor sehr, sagte er. „Sie war auf dem Abenteuer ihres Lebens in einem fremden Land und sie konnten sich nie verabschieden“, erklärte er. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen würden die Angehörigen aber ein „Gefühl der Erleichterung“ empfinden.
DNA-Beweise sollen zu Mordanklage geführt haben
Laut Tanner hat übrigens nicht die Millionenbelohnung die Informationen geliefert, die jetzt zu einer Mordanklage geführt haben. Vielmehr seien es DNA-Beweise gewesen. Die Belohnung sei deswegen nach wie vor ausgeschrieben. Die Polizei glaube, dass es noch weitere „Personen gibt, die Kenntnis von diesem Mord haben“, erklärte Tanner.
Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere neue RND-App für Android und iOS herunter