Der Tag der Befreiung darf nicht für Propaganda missbraucht werden
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Das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Treptow. Auch in diesem Jahr droht das Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus hier wieder für russische Kriegspropaganda missbraucht zu werden.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
78 Jahre nach dem Sieg der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland besteht die Gefahr, dass die Gedenktage an Kapitulation und Befreiung in Berlin erneut von russischer Seite instrumentalisiert werden. An den Ehrenmalen für die sowjetischen Befreier drohen sich wie bereits im vergangenen Jahr unwürdige Szenen abzuspielen. Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin lassen keine Gelegenheit aus, den historischen Sieg über den Nationalsozialismus zur Propaganda für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu missbrauchen.
Putin rechtfertigte den Überfall auf die Ukraine im vergangenen Jahr damit, das Land werde von Faschisten regiert und müsse „entnazifiziert“ werden. Welch ein Hohn. Auch bei Putin-Fans in Deutschland verfängt die ahistorische Erzählung vom antifaschistischen Russland und der faschistischen Ukraine immer wieder.
Dabei waren Ukrainer im Zweiten Weltkrieg nicht nur ebenso wie Russen unter den unzähligen Opfern der nationalsozialistischen Gewalt. Die Ukraine war einer der grausamsten Schauplätze des Krieges. Mindestens acht Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer wurden im Krieg und im Holocaust getötet, darunter 1,6 Millionen ukrainische Jüdinnen und Juden. Und auch in der Roten Armee kämpften Ukrainer ebenso wie Russen. Der Dank der Welt für die Befreiung vom Nationalsozialismus gebührt allen alliierten Kämpfern.
Diesen Kampf zu einem lediglich russischen zu verklären ist schamlos und geschichtsvergessen. Russlands verbrecherischen Angriffskrieg im Hier und Jetzt mit dem Kampf gegen den Nationalsozialismus zu vergleichen relativiert zudem die Gräuel der Nazi-Herrschaft.
Polizei macht keine gute Figur im Fahnenstreit
Wenig verwunderlich ist, dass auch deutsche Rechtsextreme in dieses Lied einstimmen, denen noch nie an einer ehrlichen Betrachtung der deutschen Geschichte und des Leids gelegen war, das Deutschland über die Welt gebracht hat. Dass ausgerechnet ideologische Nachkömmlinge und Verwandte deutscher Nationalsozialisten sich nun als vermeintliche Unterstützer eines „antifaschistischen Kampfes“ inszenieren, ist mit dem Wort „absurd“ noch vorsichtig umschrieben.
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Einer solchen Instrumentalisierung des Gedenkens für die Kriegspropaganda Einhalt zu gebieten ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft, der Politik und nicht zuletzt auch der Polizei. Die Berliner Polizei hat in dieser Sache in den vergangenen Tagen keinen guten Job gemacht. Sie verbot nicht nur, am 8. und 9. Mai an den Sowjet-Ehrenmalen der Stadt Symbole zu zeigen, die den russischen Angriffskrieg verherrlichen. Sie verbot auch sowjetische, russische und ukrainische Fahnen und Flaggen. Ganz so, als sei das in irgendeiner Weise gleichzusetzen: russische Z-Symbole und blau-gelbe Fahnen.
Das Verwaltungsgericht Berlin kippte zuerst das Verbot ukrainischer Fahnen, dann auch jenes russischer und sowjetischer sowie das der sogenannten Sankt-Georgs-Bänder, mit denen in Russland an den Zweiten Weltkrieg erinnert wird – die aber auch zur antiukrainischen Propaganda dienen. Gegen die zweite Entscheidung legte die Polizei am Wochenende Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin ein.
Ukrainische Flaggen: Verwaltungsgericht Berlin kippt Verbot
Ukrainische Flaggen dürfen nun doch rund um drei sowjetische Ehrenmale in Berlin zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 78 Jahren gezeigt werden.
© Quelle: dpa
Hätte die Berliner Polizei Klarheit schaffen wollen, hätte sie nicht nur von der Gleichsetzung ukrainischer Flaggen mit Symbolen wie dem Z absehen müssen. Sie hätte ihre Entscheidungen auch besser begründen müssen und nicht erst auf den letzten Drücker am vergangenen Freitag verkünden dürfen. Am Montag und Dienstag kommt es nun darauf an, ein würdiges Gedenken zu ermöglichen und Provokationen und die Verbreitung von Kriegspropaganda zu unterbinden. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Polizei dabei eine bessere Figur macht als zuletzt.