Michael Müller (SPD) zum Afghanistan-Einsatz: „Wir dürfen dieselben Fehler nicht noch mal machen“
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Der frühere Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) leitet nun die Enquetekommission des Bundestags zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa
Berlin. Herr Müller, am Freitag setzt der Bundestag die Enquetekommission zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ein. Was nehmen Sie sich vor?
Wir werden uns den gesamten Zeitraum des Afghanistan-Einsatzes anschauen. Das ist der erste zentrale Unterschied zum Untersuchungsausschuss, der sich vor allem mit den letzten beiden Jahren des Einsatzes und dem Ablauf des Abzuges und den damit verbundenen Versäumnissen befasst. Und wir werden nicht zurückblicken, sondern vor allem Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen. Es gibt andere Auslandseinsätze der Bundeswehr und es wird noch weitere geben. Wir werden beschreiben, was künftig anders laufen muss, damit dieselben Fehler nicht noch einmal gemacht werden.
Haben sie schon eine Vorstellung, welche das waren?
Bei Einsätzen muss immer die Aufgabenbeschreibung klar sein. Es muss realistisch formuliert werden, was erreicht werden kann. Die Ausstattung muss dem entsprechen. Und im Laufe des Einsatzes muss immer wieder evaluiert und nachgeschärft werden. In Afghanistan ging es in den ersten zehn Jahren um den Kampf gegen den Terror. Für die zweiten zehn Jahre gab es keinen eindeutigen neuen Auftrag, obwohl sich die Bedingungen geändert hatten. Wenn etwas einfach so weiterläuft, ohne dass der Sinn definiert ist, hat das auch Auswirkungen auf die Organisation.
Finden Sie, dass der Afghanistan-Einsatz gescheitert ist?
Der Einsatz ist nicht komplett gescheitert. Es ist ja auch viel gelungen. Bildungsangebote sind aufgebaut und genutzt worden, Mitwirkungsrechte wurden gestärkt. Was da in 20 Jahren vermittelt wurde, kann man den Leuten vor Ort nicht mehr nehmen.
Was könnte dann besser laufen?
Es ist wichtig, sich rechtzeitig mit den Strukturen vor Ort auseinanderzusetzen und sich darauf einzustellen. In Afghanistan haben die Bildungsangebote in Städten wie Kabul und Kandahar gut funktioniert. Aber in der Fläche gab es relativ wenig Erfolg. Da ist es wichtig, Partner vor Ort zu identifizieren und sich über die Bedingungen klar zu werden. Es nützt ja nichts, wenn hinterher alle sagen, dass ihnen klar war, dass der Unterricht für Mädchen nur akzeptiert wird, wenn er von Lehrerinnen abgehalten wird. Dann muss man dafür rechtzeitig in Ausbildungsprogramme investieren.
Bundeswehr muss unabhängig werden
Das ist der zivile Aspekt. Was muss sich für die Bundeswehr ändern?
In Afghanistan waren die Soldaten und Soldatinnen nicht für alle Fälle ausgestattet. Das gilt auch jetzt für andere Einsätze. Unsere Leute alleine können nicht komplett eigenständig agieren, sondern sind immer abhängig von den Leistungen anderer Länder, wie Frankreich oder den USA. Ohne deren Unterstützung war und ist etwa Eigenschutz kaum möglich. Wir müssen die Bundeswehr so ausstatten, dass das möglich ist.
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Die Bundeswehr muss also robuster auftreten können? Bisher wurde das auch mit Blick auf die Rolle Deutschlands als Verantwortlicher des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust vermieden.
Wir dürfen die Geschichte nicht beiseite schieben. Aber wir können selbstbewusst einen Führungsanspruch formulieren. Das ist nicht per se negativ besetzt. Es kann auch heißen, dass man mit anderen zusammen verlässlich Aufgaben übernimmt. Deutschland kann da eine gute Rolle spielen – anders als andere Staaten sind wir in weiten Teilen der Welt nicht durch eine Vergangenheit als Kolonialmacht belastet. Daraus kann man mehr machen.
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