Wie konnte dieses Riesenaquarium platzen?
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Der Aquadom in Berlin – am Freitag ist er geplatzt.
© Quelle: picture alliance / dpa
Berlin. Auf der Karl-Liebknecht-Straße in der Nähe des Berliner Doms liegen noch Stunden nach der Katastrophe Trümmer. Stühle, Tische, Pflanzen hat der gewaltige Wasserdruck aus dem Radisson-Blu-Hotel dorthin gespült. Eine Million Liter Salzwasser sind im Aquadom gewesen, als das Riesenaquarium in dem Hotelkomplex am frühen Morgen aus zunächst unbekannten Gründen platzt. Der gewaltige Fischtank ist Teil des Cityquartiers Domaquarée Berlin an der Spree mit touristischen Attraktionen, dem Hotel, mit Geschäften, Restaurants und Büros. Wie Hohn wirkt an diesem Tag an der Straße die Informationstafel des Domaquarée, auf der dieser Spruch von Johann Wolfgang von Goethe verewigt ist: „Das Wasser ist ein freundliches Element für den, der damit bekannt ist und es zu behandeln weiß.“
So etwas habe er noch nie gesehen, sagt später Feuerwehrsprecher Adrian Wentzel am Ort der Katastrophe. Wentzel hat in der Vergangenheit selbst den Aquadom besucht, wie er sich erinnert. Der Fischtank war das größte frei stehende zylindrische Aquarium der Welt: 16 Meter hoch (mit Sockel sogar 25 Meter), mit einem Durchmesser von elf Metern. In der Mitte fuhr ein Glasaufzug, von dem aus Besucherinnen und Besucher die Meeresbewohner, bunte Korallen und Steinformationen bestaunen konnten. Nun ist der Tank „schlagartig geborsten“, wie Wentzel es beschreibt.
Generalüberholung erst 2019
Der Feuerwehrsprecher sagt, die Ursache des Unglücks sei noch nicht bekannt. Berlins Innensenatorin Iris Spanger (SPD) bringt eine mögliche Materialermüdung ins Spiel, sie sagt der Nachrichtenagentur dpa: „Die Ermittlungen zur Ursache sind natürlich noch nicht abgeschlossen, erste Anzeichen deuten jedoch auf eine Materialermüdung.“ Das wäre bemerkenswert: Der Aquadom wurde erst 2019 mit großem Aufwand über Monate hinweg generalüberholt und modernisiert.
Projektleiter Markus Ghazi sagte damals in einem Interview zu dem Domaquarée, nach 15 Jahren Dauerbetrieb sei „eine gewisse Materialermüdung völlig normal. Im unteren Bereich bildeten sich tatsächlich leichte Undichtigkeiten und es trat Feuchtigkeit aus. Es bestand also Handlungsbedarf.“ In einer Werbebroschüre zur Modernisierung hieß es: „Eine der wichtigsten Anforderungen an ein Aquarium ist, dass es nirgends tropft. Um dies auch für die Zukunft zu garantieren, müssen nach 15 Jahren die Dichtungen des Aquadoms erneuert werden. Dafür bauen wir eine Weltneuheit in den Aquadom ein – eine eigens für diesen Zweck entwickelte Doppeldichtung, die besonders langlebig ist.“
Großaquarium Aquadom in Berlin geplatzt
Ein großer Teil des Aquariums ist zerstört – zwei Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt.
© Quelle: dpa
Kein Fisch konnte gerettet werden
Der Aquadom gehörte zur Touristenattraktion Sealife Berlin, die laut Homepage wegen des Vorfalls nun „vorübergehend geschlossen“ ist. Unter der Rubrik „Das erwartet euch“ werden auf der Internetseite unter anderem Adlerrochen, Stechrochen und Glatthaie aufgelistet. Dazu Clownfische, bekannt aus dem Trickfilm „Findet Nemo“, außerdem Paletten-Doktorfische, Seepferdchen und Oktopoden, zu Letzteren schreibt Sealife: „Der Oktopus ist generell so intelligent wie ein Hund.“ Keinen der 1500 tropischen Fische aus dem Aquadom habe man retten können, bedauert Feuerwehrsprecher Wentzel. Um die verendeten Tiere kümmere sich jetzt das Veterinäramt.
Um 5.45 Uhr ist die Feuerwehr alarmiert worden – vermutlich ist es Glück im Unglück, dass das Aquarium zu einer Zeit am frühen Morgen birst, als Sealife geschlossen ist und kaum Menschen in dem Komplex unterwegs sind. Der Fokus des Einsatzes habe zunächst darauf gelegen, Menschen zu helfen, sagt Wentzel. „Wir haben hier insgesamt 30 Personen von einem Notarzt begutachten lassen, von denen zwei Personen leicht verletzt in Krankenhäuser transportiert wurden.“ Es sei unklar, ob es sich dabei um Gäste oder Angestellte des Hotels gehandelt habe.
Hotel muss evakuiert werden
Alle 350 bis 400 Gäste hätten das Hotel verlassen, sagt Wentzel. „Natürlich herrschte eine gewisse Angst unter den Gästen.“ Sie seien in nahegelegenen Hotels untergebracht worden. Der Schaden im Hotel sei „erheblich“, sagt der Feuerwehrsprecher. „Sie haben gerade im Erdgeschoss diverse Trümmerteile, die dort liegen.“ Teile des Erdgeschosses seien nicht begehbar gewesen, weswegen auch mit Rettungshunden nach Menschen gesucht worden sei. In den Decken und Wänden im Hotel habe man Risse festgestellt. In der Tiefgarage stehe das Wasser knöcheltief.
Die Fische aus dem großen Zylinderaquarium sind tot, aber auf anderen Etagen in dem Gebäudekomplex gibt es weitere Aquarien. Es gehe jetzt darum, die noch 400 bis 500 lebenden Fische aus diesen Aquarien zu retten, sagt Bezirksstadträtin Almut Neumann an der Polizeiabsperrung vor dem evakuierten Radisson-Blue-Hotel. Der Veterinär habe geschildert, dass im Keller Wasser stehe und die Fischtanks nicht mit Elektrizität versorgt würden. „Das ist natürlich ein Problem, weil die Fische in den Aquarien irgendwann Strom brauchen für die Sauerstoffzufuhr.“ Sollte der Strom weiter ausfallen, müssten die Tiere in Sicherheit gebracht werden, sagt Neumann. „Wir haben sehr viele Zusagen von anderen Institutionen, die bereit sind, die Fische aufzunehmen.“