Kommentar

Atomausstieg, letzter Akt

Das bayerische Atomkraftwerk Isar 2 in der Abendsonne.

Das bayerische Atomkraftwerk Isar 2 in der Abendsonne.

Als der Bundestag am Freitag über das reformierte Atomgesetz abstimmte, sah man den Kanzler entspannt durch die Lobby laufen. Denn Olaf Scholz hatte das, was im Parlament nun vollzogen wurde, durch ein auf seine Richtlinienkompetenz gestütztes Machtwort ja mit Erfolg erzwungen. Gute Haltungsnoten hatte der Sozialdemokrat dafür nicht bekommen. Aber es ist wie so oft im Berliner Regierungsviertel: Was gestern noch heiß gekocht wurde, wird heute längst kalt gegessen.

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Wenn man auf die Geschichte der Bundesrepublik blickt, dann ist die Entscheidung historisch. Sie bedeutet nämlich, dass mit der friedlichen Nutzung der Atomenergie Schluss ist – und zwar, soweit man das in diesen verrückten Zeiten sagen kann, unwiderruflich. Es ist der letzte Akt. Dies ist Folge einer starken deutschen Umweltbewegung, die in Gestalt der Grünen vor über 40 Jahren Fleisch geworden war.

Übliche Spielchen

So eine Entwicklung gibt es in anderen europäischen Ländern nicht. In Großbritannien wurde gerade ein neues Atomkraftwerk genehmigt. In Frankreich sind 56 Meiler am Netz – wobei derzeit lediglich rund die Hälfte funktioniert. Eben deshalb muss Deutschland Strom an den Nachbarn exportieren, was den Ausstiegsbefürwortern zusätzliche Argumente liefert. Auch wenn die Wirtschaftsweisen soeben erklärt haben, dass Laufzeiten über den 15. April 2023 hinaus sinnvoll wären, um die Strompreise zu senken: Nicht alle Experten teilen diese Sicht.

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Dass ein längerer Atombetrieb wünschenswert wäre, aber nicht stattfinden wird, hat mit den dummerweise eingeübten Mechanismen des politischen Betriebs zu tun. Die Union wollte den Grünen eine Niederlage beibringen. Das brachte die FDP unter Druck, es der bürgerlichen Konkurrenz gleichzutun. Umso mehr wollten die Grünen, deren „Atomkraft? Nein danke!“ zum Gründungsmythos gehört, bei ihrem Nein zu einer Laufzeitverlängerung bleiben. Das Ende vom Lied ist bekannt: Der grün-gelbe Konflikt schaukelte sich hoch. Dem schloss sich das Machtwort des SPD-Kanzlers an.

Kronzeuge Lindner

Ja, bei allen Risiken, die der Atomenergie weiter anhaften: Ein Betrieb der drei verbliebenen Meiler bis zum Ende der Energiekrise wäre wohl besser als ein Streckbetrieb von dreieinhalb Monaten. Es wäre auch fürs Klima besser, als Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen. Aber zu besten Lösungen kommt es eben nicht, wenn der Wettbewerb von Parteien zu taktischen Spielchen führt, wo strategische Weitsicht gefragt wäre. Das ist leider nicht allein im Atomstreit so.

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Langfristig ist der Ausstieg richtig. Denn Atomenergie bleibt gefährlich und ist teurer als Energie durch Sonne und Wind, der durch eine Renaissance der Atomkraft der Weg versperrt würde. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte nach dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine bekanntlich: „Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien.“ Schöner kann man es nach wie vor nicht formulieren.

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