Babis oder Pavel? Spannende Stichwahl um das Präsidentenamt in Tschechien
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Kämpfen um das Amt des Präsidenten: Petr Pavel (links) und Andrej Babis, hier kurz vor Beginn einer politischen Debatte.
© Quelle: Petr David Josek/AP/dpa
Berlin. Noch bis Samstag, 14 Uhr, können die Wahlberechtigten unter den 8,3 Millionen Bürgerinnen und Bürgern Tschechiens ihre Stimme abgeben, um ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen. Seit Freitag läuft die Stichwahl um das Präsidentenamt, bei welcher der frühere parteilose Nato-General Petr Pavel (61) auf den populistischen Ex-Ministerpräsidenten und Milliardär Andrej Babis (68) trifft. Der Amtsinhaber, Milos Zeman (78), darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Beim ersten Wahlgang am 14. Januar hatte Pavel mit 35,4 Prozent einen hauchdünnen Vorsprung vor Babis mit 34,9 Prozent erzielt und kann nun auf Stimmen der damals drittplatzierten Kandidatin, der Hochschulprofessorin Danuse Nerudova (14 Prozent), hoffen. „Man kann sicher davon ausgehen, dass die Wähler Nerudovas jetzt für Pavel stimmen, denn beide stehen für das gleiche Verständnis vom Präsidentenamt“, sagte der Berliner Politikwissenschaftler Volker Weichsel im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Pavel war zwar kein Dissident wie Havel, aber dass er in jungen Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei war, ist kein Grund zu bezweifeln, dass er sich selbstlos in den Dienst der tschechischen Gesellschaft stellen wird.
Volker Weichsel,
Berliner Politikwissenschaftler
Weichsel sieht in Pavel einen Mann, den die Menschen wählen, weil seine „Integrität, seine Ehrlichkeit und seine Glaubwürdigkeit“ ihn zu einem „würdigen Repräsentanten“ der Tschechischen Republik machen würden, der in der Tradition einstiger Größen wie Tomas Masaryk (1850–1937) oder Václav Havel (1936–2011) stünde. „Pavel war zwar kein Dissident wie Havel, aber dass er in jungen Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei war, ist kein Grund zu bezweifeln, dass er sich selbstlos in den Dienst der tschechischen Gesellschaft stellen wird“, sagte Weichsel, der ausgewiesener Kenner Tschechiens und Redakteur der Zeitschrift „Osteuropa“ ist.
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Volker Weichsel ist Politikwissenschaftler in Berlin und beobachtet seit Jahren die Entwicklung in Tschechien.
© Quelle: privat
Kontrahent Andrej Babis, dem seit Jahren nachgesagt wird, Informant der Stasi der CSSR gewesen zu sein, versuchte im Wahlkampf, Pavels Vergangenheit als junger Kader in der militärischen Aufklärung auszugraben und ihn in die Nähe des russischen KGB zu rücken.
Pavel konterte das mit seinen mehrfachen „Durchleuchtungen“ vor seiner Nato-Verwendung. Er hatte seine Karriere als Soldat bei den tschechischen Streitkräften begonnen und war nach der politischen Wende und Stabslehrgängen in den USA und Großbritannien bis zum General und Chef des Nato-Militärausschusses aufgestiegen.
Beide Kandidaten waren KP-Mitglieder
Babis wie auch Pavel stammen aus kommunistischen Elternhäusern und waren beide selbst KP-Mitglieder. Während Pavel seiner Berufung als Militär treu blieb, startete der Ingenieur Babis nach 1990 als Geschäftsmann durch und brachte es bald zum Milliardär. 2021 gründete er eine eigene Partei, schaffte mit ihr den Einzug ins Parlament und war schließlich von 2017 bis 2021 Ministerpräsident.
Während dieser Zeit gab es immer wieder Vorwürfe von Interessenskonflikten zwischen seinem Amt als Politiker und als Chef seines Konzerns Agrofert. Ein seit 2015 anhängiges Verfahren wegen Subventionsbetrugs in Höhe von 2 Millionen Euro ging kurz vor dem ersten Wahlgang zugunsten von Babis aus, sodass der Oligarch in dieser Sache quasi als Präsident mit einer weißen Weste dastünde.
Präsident hat repräsentative Aufgaben
Nach Einschätzung von Weichsel geht es Babis vor allem darum, im Falle weiterer Ermittlungen gegen ihn durch das Präsidentenamt „Immunität zu erlangen, seine persönliche Macht zu steigern und seinen Ruhm zu mehren“. Babis habe kein Programm und keine Vision und im Wahlkampf nur versucht, seinen Kontrahenten zu beschmutzen, sagte Weichsel. Er habe versucht, sich als „Friedenspräsidenten“ zu verkaufen, der verhindern würde, dass Tschechien in den Krieg in der Ukraine hineingezogen würde.
Babis stellte sogar Tschechiens Bündnistreue in der Nato infrage, als er am vergangenen Sonntag in einer TV-Debatte auf die Frage, ob er tschechische Soldaten nach Polen oder in die baltischen Staaten entsenden würde, falls diese angegriffen werden sollten, sagte: „Nein, sicherlich nicht. Ich will Frieden, ich will keinen Krieg. Und in keinem Fall würde ich unsere Kinder und die Kinder unserer Frauen in einen Krieg schicken.“
„Mit dieser Art von Suggestion stellt er das außenpolitische Selbstverständnis der Tschechischen Republik infrage und spricht sich selbst eine Kompetenz zu, die er als Präsident gar nicht hätte“, erläuterte Weichsel. Wie auch in Deutschland ist das Präsidentenamt in Tschechien vor allem ein repräsentatives. Zwar muss der Präsident beim Erlass von Gesetzen oder der Ernennung von Ministerinnen und Ministern seinen Segen geben, er verfügt aber nicht über direkte Regierungsgewalt.
Babis war nach diesem Auftritt unter Druck geraten und versuchte, zurückzurudern. Dabei half der ihm wohlgesinnte scheidende Präsident Milos Zeman, der seinem polnischen Kollegen Andrzej Duda versicherte, man sei in einem solchen Fall „aus Gründen der Bündniszugehörigkeit, aber auch aus Gründen der Selbsterhaltung selbstverständlich verpflichtet, zu helfen“.
Die Stimmabgabe ist bis Samstag, 14 Uhr, möglich. Dann beginnt die fortlaufende Auszählung. Hochrechnungen werden nicht veröffentlicht. Mit einem Ergebnis wird bis zum Abend gerechnet. Bei letzten Umfragen lag Pavel mit bis zu 59 Prozent vor Babis, der auf 41 Prozent kam.