Kommentar

Es reicht jetzt, Herr Söder!

Bayerns Minister­präsident Markus Söder (CSU).

Bayerns Minister­präsident Markus Söder (CSU).

Dass Markus Söder vielen im politischen Betrieb auf die Nerven geht, ist nichts Neues. Das hat mit der Breit­beinigkeit des bayerischen Minister­präsidenten ebenso zu tun wie mit seinen ständigen Positions­wechseln – und mit der Bereitschaft, Freund und Feind gnadenlos in die Parade zu fahren, wenn es opportun erscheint. Im Sommer 2022 ist der Zeit­punkt gekommen, an dem man endgültig sagen muss: Es reicht jetzt, Herr Söder!

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In der Corona-Krise ist der 55-Jährige dadurch aufgefallen, dass er dem Rest der Republik Lektionen zu erteilen suchte, wie das Virus am besten einzudämmen sei. Dass die Infektions­zahlen derweil gerade in Bayern besonders hoch waren, scherte ihn überhaupt nicht.

Gnadenlos gegen Freund und Feind

Vor einem Jahr macht es sich Söder dann zur Aufgabe, dem Unions­kanzler­kandidaten Armin Laschet im Wochentakt Knüppel zwischen die Beine zu werfen, nachdem er ihm im Wettkampf um die Kandidatur unterlegen war. Laschet machte als Kandidat fraglos eine schlechte Figur. Die Folge ist bekannt: Statt seiner wurde der Sozial­demokrat Olaf Scholz Kanzler einer Ampel­koalition, die praktisch niemand für möglich gehalten hatte. Freilich trug Söder zu Laschets Schwäche wesentlich bei. Hätte sich der Mann aus Nürnberg entschlossen an die Seite des Mannes aus Aachen gestellt, dann säße der jetzt vermutlich in der Regierungs­zentrale.

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Zwischen­zeitlich war auch noch der doppelte Söder-Rittberger in der Ökofrage zu besichtigen. Es gab da mal diesen Tag, an dem es sich der CSU-Politiker nicht nehmen ließ, einen Baum zu umarmen. Ein Fotograf war einbestellt. Die konservative „Welt“ schrieb damals: „Früher ging es Bayerns Regierungschef vor allem darum, die Anhänger bei der Stange zu halten. Heute will er die Grünen überholen.“ Das war im August 2019. Im Juli 2022 sagte Söder, man dürfe bei der Ernährung „nicht nur auf Gemüse, wie es die Grünen wollen“, setzen, „sondern auch auf Fleisch, Fisch und Milch“. Er fügte hinzu: „Wir sind schließlich keine Brokkoli­republik.“

Das alles hat in den alten Wohlstands­zeiten leidlich funktioniert, obwohl die Methode Söder ja stets wahnsinnig leicht zu durch­schauen war. Er macht die Über­schriften so groß, dass das Klein­gedruckte – also die Fakten – darunter verschwinden. Das darf in der Atom­frage nicht mehr funktionieren.

Nach dem Reaktor­unfall von Fukushima im Frühjahr 2011 spielte Söder im Team Atom­ausstieg. Er war seiner­zeit bayerischer Umwelt­minister und stellte seinen Rücktritt für den Fall in Aussicht, dass der Ausstieg erst nach 2022 stattfinden sollte. Nun ist 2022. Russland hat die Ukraine überfallen und eine Energie­krise ausgelöst. Mittler­weile marschiert kein anderer als Söder an vorderster Front der Atom­befürworter und will nicht zuletzt den eigenen Meiler Isar 2 bis Mitte 2024 laufen lassen.

Zersetzt die politischen Sitten

Da sich die Lage radikal verändert hat, kann sich auch die Meinung eines Politikers ändern. Bei Söder kommt jedoch der die politischen Sitten zersetzende Schuss Unverfrorenheit hinzu. Dies gilt umso mehr, als er diesmal gravierende bayerische Versäumnisse zu überblenden sucht. Beobachter sind sich nämlich einig, dass gerade Bayern Atom­strom vornehmlich deshalb braucht, weil es mehr als andere Bundes­länder auf russisches Gas gesetzt sowie beim Ausbau der Windenergie im eigenen Land geschlampt und den Ausbau neuer Strom­trassen von Nord- nach Süd­deutschland gezielt hinter­trieben hat.

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Für den Regierungs­chef geht es deshalb längst nicht mehr nur um schicke Schlag­zeilen wie sonst. Es geht um die Überlebens­fähigkeit der bayerischen Wirtschaft und damit seine eigene. Allein die Verantwortungs­bereitschaft anderer kann den Verantwortungs­losen heute noch retten.

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