Bidens Besuch in Nordirland: Die große Show fällt aus
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US-Präsident Joe Biden bei seiner Rede an der Ulster Universität.
© Quelle: Getty Images
London. Es war kein Zufall, dass sich Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak in Belfast nur auf einen bilateralen Tee im noblen Grand Central Hotel trafen, statt sich gemeinsam auf einer Bühne zu präsentieren. „Der Besuch des US-Präsidenten war nicht, was er hätte sein können“, kommentierte der britische Nachrichtensender Sky News am Mittwoch. Weil die politische Situation in Nordirland weiter ungeklärt ist, fiel eine große Show anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten in Nordirland aus.
Denn obwohl sich Sunak im Februar auf einen überarbeiteten Deal mit der EU geeinigt hatte, weigert sich die erzkonservative „Democratic Unionist Party“ (DUP) in Nordirland nach wie vor, einer Regierungsbildung mit der nationalistischen Sinn-Fein-Partei zuzustimmen. Im Regionalparlament „Stormont“ herrscht weiter Stille. Lange Zeit war unklar, ob Biden anlässlich des 25. Jahrestages des Karfreitagsabkommens überhaupt in den Norden der Insel reisen würde. Dieser hielt sich jedoch an seine Zusage, die er im März gegeben hatte, und flog nach Belfast, wenn auch nur sehr kurz. Statt eine Rede im Regionalparlament zu halten, sprach Biden nur an der Ulster-Universität.
In dem neu eröffneten Campus erinnerte er vor Regierungsbeamten, Wirtschaftsführern und Studenten an die Situation vor dem Karfreitagsabkommen, als in der Region ein Bürgerkrieg herrschte. „Jede Person, die in den sogenannten ‚Troubles‘ getötet wurde, hinterließ einen leeren Stuhl an einem Esstisch“, sagte er. Die Verhandlungen, die schließlich zu dem Abkommen führten, seien harte Arbeit gewesen. Dabei richtete er sich insbesondere an die jungen Menschen und betonte, dass sie nun weiter daran arbeiten müssten, den Frieden zu erhalten.
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Joe Biden sprach an der Ulster University in Nordirland.
© Quelle: Patrick Semansky/AP/dpa
Das Karfreitagsabkommen, welches am 10. April 1998 in Belfast unterzeichnet wurde, gilt als wichtigster Meilenstein für das Ende der Gewalt in der Region. Es legte unter anderem fest, dass Unionisten und Nationalisten im Regionalparlament gemeinsam regieren sollen. Die US-amerikanische Regierung unter Bill Clinton spielte bei den Verhandlungen eine wichtige Rolle. Insbesondere der amerikanische Senator George Mitchell trat damals als Vermittler auf. Clinton wird kommende Woche in der Region erwartet.
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Dem britischen Premierminister Rishi Sunak gelingt womöglich, was seinen Vorgängern versagt blieb.
© Quelle: dpa
Appell an die Unionisten
Am Ende seiner Rede wandte sich der aktuelle US-Präsident einem heiklen Thema zu, indem er die DUP sanft dazu aufrief, ihre Regierungsarbeit wieder aufzunehmen. „Ich glaube, dass die durch das Karfreitagsabkommen geschaffenen demokratischen Institutionen für die Zukunft Nordirlands entscheidend bleiben“, sagte Biden. Mit der Blockade wehrt sich die Partei gegen den Deal mit der EU, mit dem eine harte Grenze zwischen dem einst vom Bürgerkrieg gebeutelten Landesteil Nordirland und der Republik Irland verhindert werden soll, indem die Zollgrenze in die Irische See verlegt wurde. Für sie rückte Großbritannien so in noch weitere Ferne.
Die Blockader der DUP anzusprechen, war deshalb so schwierig, weil die Partei schon im Vorfeld klargemacht hatte, dass sie sich speziell von Joe Biden nicht unter Druck setzen lassen wolle. „Die Unionisten sehen die Rolle der USA kritisch“, sagte Katy Hayward, Professorin an der Queens University Belfast. Sie nehmen ihn als einen „besonders grünen Präsidenten wahr“. Der DUP-Abgeordnete Sammy Wilson bezeichnete Biden im Vorfeld gar als „anti-britisch“ und „pro-republikanisch“. Um diesen Vorwürfen zu begegnen, wich der US-Präsident am Mittwoch sogar vom Skript ab und betonte, dass er unter anderem auch Vorfahren im englischen Nottingham habe.
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Dass Biden einen engen Bezug zu Irland hat, spiegelte sich in seinen Reiseplänen. Nach seinem kurzen Besuch in Belfast zog er am Mittwochnachmittag weiter in die Republik Irland. Auf dem Weg in die Hauptstadt Dublin wollte er die Grafschaft Louth besuchen, die einstige Heimat seines Urgroßvaters. Am Freitag ist eine Rede in der St. Muredach‘s Cathedrale in Ballina im Nordwesten Irlands geplant. Die Kirche wurde aus Ziegelsteinen gebaut, die Vorfahren des 80-Jährigen einst verkauft haben sollen.