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Für die Wirtschaft unattraktiver

Einst Goldgrube, heute Wackelkandidat: Die Stimmung in China kippt

Ein Angestellter (l) öffnet den Mund für einen Coronavirus-Test vor einem Hotel in Peking. (Archivbild)

Ein Angestellter (l) öffnet den Mund für einen Coronavirus-Test vor einem Hotel in Peking. (Archivbild)

Peking. Innerhalb weniger Wochen ist die Stimmung in China vollständig gekippt. Noch zu Beginn des Jahres führte die europäische Handelskammer in Peking ihre traditionelle Geschäftsklimaumfrage durch, doch schon heute sind die Ergebnisse wertlos. Denn Russlands Krieg gegen die Ukraine, der von Chinas Propaganda nach wie vor gerechtfertigt wird, und der radikale Lockdown von Shanghai waren für europäische Firmen eine grundlegende Zäsur.

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Dementsprechend hat die Kammer am Donnerstag eine aktuelle Blitzumfrage veröffentlicht, um jenen Stimmungswechsel widerspiegeln zu kommen. Dessen Resultate zeichnen ein deprimierendes Bild: Nahezu 60 Prozent aller befragten Firmen haben ihre Umsatzprognosen für das laufende Jahr nach unten korrigieren müssen, viele von ihnen im zweistelligen Prozentbereich. Vier Fünftel aller Firmen gaben zudem an, dass China zu einem weniger attraktiven Investitionsziel geworden ist.

„Es muss etwas passieren. Wir sind irritiert über die die Untätigkeit der Regierung“, sagt Kammerpräsident Jörg Wuttke, der seit den 80ern bereits in Peking lebt: „Es fühlt sich plötzlich ein bisschen so an, als würden wir von einer hohen Klippe stürzen“.

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Dienstleistungssektor bricht ein

Was der Wirtschaftsvertreter meint, wurde im ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Einkaufsmanagerindex des renommierten Fachmediums Caixin untermauert. Demnach ist der Dienstleistungssektor in China mit einer Geschwindigkeit eingebrochen, wie es sonst nur zu Beginn der Pandemie im Februar 2020 der Fall war. Ein Grenzwert von 50 unterscheidet Wachstum von Kontraktion, derzeit liegt der Einkaufsmanagerindex bei unterirdischen 36,2.

SHANGHAI, CHINA - APRIL 22: Volunteers at a residential area  on April 22, 2022 in Shanghai, China. (Photo by Getty Images/Getty Images)

Chinas Zensurbehörden entgleitet die Kontrolle: Jetzt kommt die nächste Stufe des Lockdowns

In Shanghai sind sämtliche Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Ausgangssperren in weite Ferne gerückt. Stattdessen werden die Bewohner und Bewohnerinnen nur noch enger eingezäunt.

Schuld daran ist vor allem die anhaltende Null-Covid-Politik des Landes, die einst als Erfolgsstory galt, doch mittlerweile einer Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität im Wege steht. Im April riegelten die Behörden ausgerechnet die futuristische Metropole Shanghai ab, die gemeinhin als ökonomisches Aushängeschild des Landes galt. Plötzlich saßen sämtliche Bewohner – vom Banker bis zum Arbeitsmigranten – in ihre Wohnungen eingesperrt, vollkommen angewiesen auf die spärlichen Essenslieferungen des Staates.

Corona-Sperrzonen in China: Peking testet, Shanghai öffnet
29.04.2022, China, Peking: Sicherheitskräfte und Mitarbeiter des Gesundheitswesens tragen Schutzkleidung und bereiten sich auf Coronavirus-Massentests in einem abgeriegelten Gebiet vor. Vor dem Maifeiertag, hat Peking die Coronavirus-Beschränkungen verschärft, um einen größeren Ausbruch zu verhindern. Zuletzt meldete Peking einen Anstieg an Neuinfektionen, weswegen einzelne Gebiete abgeriegelt wurden. Foto: Andy Wong/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In der Hauptstadt Peking wollen die Behörden einen Corona-Ausbruch unbedingt eindämmen. In Shanghai durften Bewohner zum ersten Mal seit Wochen wieder raus.

Nun könnte sich dieses Schicksal auch in Peking wiederholen: Der Schulunterricht in der Hauptstadt wurde bereits auf online verlegt, die Restaurants für Gäste geschlossen und die Bewohner zum täglichen PCR-Test aufgerufen. Bislang jedoch haben die Maßnahmen verhindern können, dass die niedrigen Infektionszahlen nicht weiter steigen. Doch dass wieder Normalität in Peking einkehrt, wird wohl noch dauern.

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Die europäische Handelskammer ruft nun die chinesische Regierung dazu auf, dass sie sich ein Beispiel am Vorgehen Singapurs nehmen – und in vorsichtigen Schritten das Land öffnen sollte.

Corona-Frage des Tages Schwerer Verlauf

Schweres Covid-19: Wie lange ist man krank?

Ein Großteil der Menschen hat bei Omikron glücklicherweise einen milden Verlauf - aber nicht alle. Wie sich eine Corona-Infektion entwickelt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Wie lange dauert es, bis man sich von schwerem Covid-19 erholt hat?

Grundlage dafür müsste es sein, dass die medizinischen Ressourcen von den täglichen Massentests auf die Durchimpfung der älteren Bevölkerung umgeleitet wird. Denn nach wie vor sind viele der Senioren in China nicht vor dem Virus geschützt. Zudem fordert die europäische Wirtschaftsvertretung, dass Peking endlich endlich ausländische mRNA-Vakzine ins Land lassen sollte, um die Immunität innerhalb der Bevölkerung zu steigern.

Während die Null-Covid-Politik die heimische Wirtschaft aufgerüttelt hat, sind die geopolitischen Sorgen vergleichsweise gering. Für 57 Prozent der europäischen Firmen hat der Ukraine-Krieg die Bewertung des chinesischen Markts „nicht verändert“, nur 7 Prozent wollen geplante Investitionen aus der Volksrepublik abziehen. Dabei hält Chinas Staatschef Xi Jinping nicht nur Putin weiterhin die Treue, sondern droht auch immer offener damit, den demokratischen Inselstaat Taiwan einzunehmen.

Könnte sich also die wirtschaftliche Abhängigkeit von China schon bald rächen? „Naiv sind wir sicher nicht gewesen, wenn es um die Bewertung des chinesischen Markts geht, schließlich haben wir stets viel an Profiten mit in unsere Zentralen gebracht“, sagt Kammerpräsident Jörg Wuttke. Doch er ist sich sicher: Derzeit würden in den Vorstandsetagen lebhafte Debatte darüber geführt, wie man im Ernstfall reagieren sollte, wenn China Taiwan angreift.

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