Eine Billion Euro: Lindner erwartet Rekord an Steuern – will aber kein Geld für Kindergrundsicherung ausgeben
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Bundesfinanzminister Christian Lindner vor Beginn der Kabinettssitzung im Kanzleramt.
© Quelle: IMAGO/Jochen Eckel
Berlin. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erwartet im Jahr 2024 erstmals mehr als eine Billion Euro Steuereinnahmen - sieht aber trotzdem keinen Spielraum für die Einführung einer erhöhten Kindergrundsicherung. Lindner bestätigte gegenüber der „Bild am Sonntag“ zwar, dass er mit dem Einnahmerekord rechnet. „Dennoch reicht das Geld nicht aus, um die gesetzlichen Verpflichtungen des Bundes zu finanzieren“, betonte er. An Mehrausgaben sei daher nicht zu denken.
Ampelkoalition einigt sich auf vielseitiges Reformpaket
Die Lkw-Maut wird ab 2024 erhöht, und 80 Prozent davon soll in den Ausbau der Schienen fließen. Lindner äußerte sich zufrieden mit dem Zustand der Koalition.
© Quelle: Reuters
Konkret sprach er dabei die von den Grünen geforderte Kindergrundsicherung an. „Für Familien mit Kindern ist bereits viel passiert“, so Lindner. Mehr sei zwar „wünschenswert, aber nicht immer möglich“.
„Das Kindergeld ist auf 250 Euro erhöht worden, so stark wie seit 1996 nicht mehr“, sagte er. Damit stelle die Bundesregierung für Familien und Kinder jedes Jahr 7 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. „Das Wesentliche für die Kindergrundsicherung ist damit finanziell getan.“
Die Kinderarmut ist oft in der Arbeitslosigkeit der Eltern begründet.
Christian Lindner
Zur Bekämpfung von Kinderarmut sehe Lindner andere Ansätze: „Die Kinderarmut ist zudem oft in der Arbeitslosigkeit der Eltern begründet. Deshalb sind Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die Chancen der Kinder zu verbessern.“ Bei der Armutsbekämpfung stoße die Umverteilung von Geld irgendwann an Grenzen, so der FDP-Vorsitzende.
Statt Kindergrundsicherung: Geld lieber für Handwerk, Mittelstand und Industrie
Als Prioritäten für den Haushalt 2024 nannte Lindner statt der Kindergrundsicherung „die Erneuerung der Infrastruktur aller Verkehrsträger, Digitalisierung des Staates, Ertüchtigung der Bundeswehr, Stärkung von Bildung und Forschung, Modernisierung von Handwerk, Mittelstand und Industrie“. Andere Projekte sollten als „wünschenswert, aber derzeit nicht realisierbar“ bezeichnet werden.
Zugleich warnte er jedoch auch vor zu hohen Erwartungen: „Man darf nie vergessen, dass es am Ende immer die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind, die dafür aufkommen.“ Auch Rufe nach Steuererhöhungen wandte der Finanzminister ab. „Ich warne alle, die nach leichten Lösungen wie Steuererhöhungen suchen. Das wäre wirtschaftlich falsch.“
Kindergrundsicherung würde 12 Milliarden kosten
Von der Linksfraktion kam scharfe Kritik an Lindners Aussagen. „Die soziale Kälte des Finanzministers gegenüber armen Kindern ist erschreckend“, sagte Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Kinderarmut sei aktuell so hoch wie noch nie zuvor in Deutschland. „Familien mit Kindern waren die Verlierer in der Corona-Krise und sind jetzt wieder die Verlierer in Inflationszeiten“, betonte der Linke. „Die Ampel ist bisher keine familienfreundliche Regierung.“
Die aktuellen Mittel glichen die Inflation mitnichten aus, erklärte er weiter. „Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient“, so Bartsch. „Dafür muss das System vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Nicht unzählige Einzelleistungen, die niemand kennt, sondern eine Grundsicherung, die vor Kinderarmut schützt.“
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Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Bundestag
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Bartsch rief SPD und Grüne auf, sich gegen Lindner durchzusetzen: „Die Kindergrundsicherung steht im Koalitionsvertrag“, sagte er dem RND. „Über Nacht konnte Olaf Scholz 100 Milliarden für die Bundeswehr locker machen.“ Nun brauche es auch eine klare Ansage des Kanzlers in Sachen Kindergrundsicherung, so der Fraktionschef: „Das Geld ist zweifelsfrei da - in Zeiten von Rekordeinnahmen im Haushalt einerseits und Rekordausgaben für das Militär andererseits.“
Noch am Tag vor Lindners Äußerungen hatte auch die grüne Fraktionschefin Britta Haßelmann im RND-Interview auf die Einführung der Kindergrundsicherung gedrungen und sie als „eines der nächsten zentralen Projekte“ der Grünen in der Bundesregierung bezeichnet. „In Deutschland ist jedes fünfte Kind arm oder von Armut bedroht“, so Haßelmann. „Das bedroht die Zukunft der Kinder und ist skandalös in einem so reichen Land.“
Für Bundesfamilienministerin Lisa Paus und ihre Partei ist die Kindergrundsicherung ein Prestigeprojekt, für das sie mit Kosten von 12 Milliarden Euro rechnet. Ziel des Instrument ist es laut dem Koalitionsvertrag der Ampel, das Kindergeld, Sozialleistungen für Kinder wie das Bürgergeld und die Beträge für die Teilnahme an Sport- und Kulturveranstaltungen sowie den Kinderzuschlag für Eltern mit geringen Einkommen zusammenfassen. Viele Familien beantragen Leistungen bislang nicht – wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden.
Paus bleibt bei ihrer Forderung nach zusätzlichen Mitteln. Mit Blick auf Finanzminister Christian Lindner (FDP) wandte sich die Grünen-Politikerin gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zugleich dagegen, die Erhöhung des Kindergeldes mit den Kosten für die Maßnahme zu verrechnen.
Vor dem Hintergrund der hohen Inflation sei die Erhöhung des Kindergeldes ein wichtiger Schritt, sagte Paus dem RND. „Aber das allein ist nicht genug – die notwendigen Kosten für die Kindergrundsicherung können damit nicht verrechnet werden.“ Diese müsse ausreichend finanziert werden - „um das Antragsverfahren deutlich zu erleichtern und mehr Kinder aus der Armut zu holen“. Paus betonte: „12 Milliarden Euro sind hierfür eher eine Untergrenze.“
Umstritten ist, ob mit der Grundsicherung eine Erhöhung der Leistungen für Kinder in einkommensarmen Familien einhergehen soll. Der Koalitionsvertrag bleibt in diesem Punkt vage. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) äußerte sich dazu bereits in der Vergangenheit mehrfach zurückhaltend.