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Nach massiver Kritik

Christine Lambrecht tritt als Verteidigungsministerin zurück

Christine Lambrecht (SPD) ist nicht länger Verteidigungsministerin.

Christine Lambrecht (SPD) ist nicht länger Verteidigungsministerin.

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Berlin. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht tritt zurück. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) um Entlassung gebeten, hieß es in einer Erklärung der Ministerin, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Montag aus dem Verteidigungsministerium vorlag.

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„Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu“, schreibt Lambrecht demnach. „Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen.“ Sie danke allen, „die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft.“

Massive Kritik an Silvestervideo

Lambrecht war zuletzt wegen einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft scharf kritisiert worden, in der sie begleitet von pfeifenden Silvesterraketen und explodierenden Böllern über den Krieg in der Ukraine sprach. Die in der Opposition befindliche Union aus CSU und CDU hatte daraufhin Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur sofortigen Entlassung der Verteidigungsministerin aufgefordert.

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Laut des am Freitag veröffentlichten ZDF-„Politbarometers“ war auch die Mehrheit der Deutschen für einen Rücktritt Lambrechts. Demnach sprachen sich 60 Prozent der Befragten für einen Rücktritt der Ministerin aus; 25 Prozent waren dagegen.

Lambrecht war bis zur Bundestagswahl Bundesjustizministerin, bewarb sich dann aber nicht um ein neues Mandat. Als die SPD überraschend stärkste Partei wurde und sich die Bildung der Ampelkoalition mit Grünen und FDP abzeichnete, wurde die 57-Jährige sehr bald wieder für ein Ministerinnenamt gehandelt – konkret für das Bundesinnenministerium.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht tritt zurück
ARCHIV - 12.01.2023, Sachsen, Marienberg: Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Verteidigung steht beim Besuch des Panzergrenadierbataillons 371 in der der Erzgebirgskaserne. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) tritt zurück. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um Entlassung gebeten, hieß in einer Erklärung der Ministerin, die der Deutschen Presse-Agentur am Montag aus dem Verteidigungsministerium vorlag. Foto: Robert Michael/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Immer wieder stand die Verteidigungsministerin in der Kritik. Nun zieht Lambrecht Konsequenzen.

Lambrecht fiel durch mangelnde Sachkenntnis und Ungeschicklichkeiten auf

Im Verteidigungsministerium fiel sie rasch durch mangelnde Sachkenntnis und Ungeschicklichkeiten auf. So kündigte Lambrecht die Lieferung von 5000 Schutzhelmen für die Ukraine an. Viele Kritikerinnen und Kritiker empfanden das nicht als ernsthafte Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes, sondern als schlechten Scherz. Später nahm Lambrecht ihren Sohn bei einem Hubschrauberflug mit und sagte, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) werde die nächste Ministerpräsidentin Hessens. Dabei stand die Kandidatur damals noch gar nicht fest. Überdies entstand der Eindruck, Lambrecht sage dies nur, weil sie selbst Innenministerin werden wolle.

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Mitte Dezember hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Lambrecht noch gegen Kritik in Schutz genommen. „Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin“, sagte Scholz damals der „Süddeutschen Zeitung“. „Über manche Kritik kann ich mich nur wundern.“ Es gehe jetzt darum, die Bundeswehr langfristig zu stärken und sie verlässlich mit Waffen und Munition auszurüsten.

Verteidigungsministerin Lambrecht erntet heftige Kritik: „Vollkommen überfordert“
ARCHIV - 20.12.2022, Slowakei, Lest: Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Verteidigung, gibt am Rande ihres Besuchs bei den der Slowakei stationierten deutschen Bundeswehrsoldaten in Lest (Gebirgsjäger) ein Pressestatement.     (zu dpa "Das Kriegsjahr und das Feuerwerk: Kritik an Lambrecht-Video") Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Vorsitzenden der beiden Unionsparteien haben eine Ablösung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gefordert.

Wer könnte auf Lambrecht folgen?

Für die Lambrecht-Nachfolge gibt es zwei Favoriten. Da ist zunächst die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD). Sie hat das Amt seit 2020 inne, kennt sich in der Truppe sehr gut aus und ist dort beliebt. Auch hat Högl als vorher langjährige Bundestagsabgeordnete viel politische Erfahrung. Und Scholz müsste nicht das Kabinett umbauen, um die Geschlechterparität zu wahren. Als unklar gilt, ob Högl tatsächlich Ministerin werden will.

Außerdem wird der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gehandelt. Er kennt sich in verteidigungspolitischen Fragen ebenfalls aus, würde aber zur Beibehaltung der Parität eine Kabinettsumbildung unausweichlich machen.

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Lambrecht-Statement im Wortlaut

„Ich habe heute den Bundeskanzler um Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin der Verteidigung gebeten. Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu. Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen. Ich danke allen, die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft.“

RND/seb/nis

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