Newsletter „Klima-Check“

Der Klima­wandel und das Geld: Wer zahlt die Rechnung?

Pakistanische Frauen waten durch die Fluten, während sie in der pakistanischen Provinz Sindh Zuflucht suchen.

Pakistanische Frauen waten durch die Fluten, während sie in der pakistanischen Provinz Sindh Zuflucht suchen.

Liebe Leserinnen und Leser,

zum ersten Mal in der Geschichte der Weltklima­konferenz steht in diesem Jahr das Thema Finanzen auf der offiziellen Agenda. Am Mittwoch diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Scharm el Scheich unter dem Ober­begriff „Loss and Damages“, also Verlust und Schäden. Die Entwicklungs­länder, die besonders anfällig für Klima­schäden sind, hatten jahrelang dafür gekämpft. Die Präsidentschaft der COP nannte es gleich einen „historischen Schritt“.

Nun ist es in der Geschichte der Weltklima­konferenz durchaus nicht unüblich, dass Entscheidungen, die als „historische Schritte“ verkauft werden, sich hinterher höchstens als Schrittchen entpuppten – wenn überhaupt. Und auch in diesem Fall sind Zweifel angebracht, ob die epochale Formulierung gerechtfertigt ist. Denn natürlich wird bereits seit Jahren darüber diskutiert, wer am Ende die Rechnung für Klima­schäden zahlt. COP-Präsident Samih Schukri formulierte es so: „Es ist ein schwieriges Themen­gebiet, es treibt uns seit mehr als 30 Jahren um.“

Wir haben noch einen Marathon vor uns, bevor die Länder einen formellen Beschluss zu diesem zentralen Thema (Klima­entschädigungen für Entwicklungs­länder) für die COP27 fassen.

Ani Dasgupta,

Präsidentin des Weltressourcen­instituts

Und doch ist die Aufnahme in die Tages­ordnung ein Fortschritt, das Weltressourcen­institut (WRI) sprach sogar von einer „wesentlichen Voraussetzung“ für das folgen­reichste Verhandlungs­thema. Verletzliche Staaten hätten dabei „unermüdlich“ um Hilfe gebeten, sagte WRI-Präsident Ani Dasgupta, fügte aber hinzu: „Wir haben noch einen Marathon vor uns, bevor die Länder einen formellen Beschluss zu diesem zentralen Thema für die COP27 fassen.“

 

Faktencheck der Woche

Warum sollten reichere für ärmere Länder Klima­schäden bezahlen?

Das zentrale Argument dafür, dass Länder wie Deutschland oder die USA Klima­schäden in ärmeren Weltregionen bezahlen, ist historische Verantwortung. Grob gesagt: Heutige Industrie­nationen haben auf ihrem Weg zum Reichtum viele Milliarden Tonnen Treibhaus­gase ausgestoßen und damit den menschen­gemachten Klima­wandel im wahrsten Sinne des Wortes befeuert. Es ist ein Stück weit historischer Zufall, dass die Folgen des Klima­wandels nun aber vor allem Länder treffen, die wesentlich weniger Schuld an der Klima­katastrophe haben.

Außen­ministerin Annalena Baerbock war im April in Niger.

Außen­ministerin Annalena Baerbock war im April in Niger.

Ein Beispiel: Das britische Portal Carbon­brief hat Deutschlands CO₂-Ausstoß durch fossile Brenn­stoffe seit 1850 mit rund 90 Milliarden Tonnen CO₂ bemessen. Damit liegt Deutschland weltweit auf dem vierten Platz. Hierzulande sind der Wohlstand und die Lebens­bedingungen aber noch nicht so unmittelbar vom Klima­wandel bedroht, wie etwa in der Region des Tschadsees in Westafrika. Der Klima­wandel hat das Gewässer laut der „New York Times“ mittlerweile zu 90 Prozent ausgetrocknet. Die Anrainer­staaten des Tschadsees – Tschad, Kamerun, Nigeria und Niger – haben ihrerseits aber kaum mit Emissionen zu der Klima­katastrophe beigetragen. Zusammen kommen die vier laut ourworldindata.org auf ungefähr vier Milliarden Tonnen.

Die Rechnung ist nicht perfekt. Sie beinhaltet zum Beispiel keine Klima­schäden durch andere Ursachen als Fossile Brenn­stoffe. Ebenso ist es schwierig, historische Emissionen zu ermitteln, schließlich haben sich die Grenzen von National­staaten immer wieder verschoben. Und dennoch zeigt der historische Vergleich eine klare Tendenz auf.

Was haben die reicheren Länder versprochen?

Ein Blick zurück: Auf der UN-Klima­konferenz in Kopenhagen 2009 sagten reiche Länder zu, von 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klima­programme in ärmeren Teilen der Welt zur Verfügung zu stellen. Bis heute aber wurde das Ziel immer verpasst. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammen­arbeit und Entwicklung (OECD) flossen im Jahr 2020 gerade einmal etwas mehr als 83 Milliarden. Zudem wird immer wieder kritisiert, wie intransparent die Zahlung dieser Hilfen ist. Ob das Geld tatsächlich komplett für effektive Klimaschutz­maßnahmen eingesetzt wird, ist laut mehrerer Experten kaum auszumachen.

Der Weg zur Ostsee in Markgrafenheide bei Sturm und Hochwasser: Nur die Dünen schützen noch den Ort.

Meeres­spiegel der Ostsee könnte um zwei Meter steigen: Planungen reichen laut Experten schon lange nicht mehr

In Ägypten berät der UN-Welt­klimarat, wie die schlimmsten Folgen des Klima­wandels noch verhindert werden könnten. Darauf will Mecklenburg-Vorpommern nicht warten: Das Land will für 110 Millionen Euro bis 2030 Dünen, Deiche und Schutz­wände verstärken – weil der Meeres­spiegel auch in der Ostsee steigt. Experten warnen: Die bisherigen Planungen reichen schon nicht mehr.

Sind 100 Milliarden eigentlich viel?

Die Meinungen dazu, wie viel Geld gebraucht wird, gehen stark auseinander. Die Weltbank errechnete in einer Studie – zugegeben von 2011 –, dass es jährlich weltweit 70 bis 100 Milliarden Dollar kosten würde, sich an einen zwei Grad wärmeren Planeten anzupassen. Ganz anders klang aber zum Beispiel Ägyptens Außen­minister Samih Schukri im Vorfeld der COP27. Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ kritisierte er: „Ich will die Verpflichtungen nicht kleinreden. Aber 100 Milliarden US-Dollar im globalen Maßstab, im Maßstab der Fähigkeiten der Industrie­länder, deren Budgets teilweise Billionen Dollar erreichen – das ist winzig.“ Auch die Staats­sekretärin im Auswärtigen Amt Jennifer Morgan habe die Summe einen Tropfen auf einem heißen Stein genannt.

Tatsächlich kommen einige Nullen hinzu, wenn es statt um Klima­anpassung um das Erreichen des Zieles von Paris geht: Auf dem Schwerpunkttag Finanzen der COP27 am Mittwoch rechnete man dafür mit 4 bis 7 Billionen Dollar pro Jahr. Das ist 40- bis 70-mal mehr als die Hundert Milliarden.

Was ändert sich durch COP27?

Das ist in gewisser Weise die 7-Billionen-Dollar-Frage. Die Erfolge der Konferenz wird man erst in Zukunft wirklich einschätzen können. Erste Anzeichen für die Änderungen durch COP27 gibt möglicherweise ein Blick auf den Finanz­thementag. Es wurde beispielsweise das „Scharm el Scheich Handbuch für gerechte Finanzierung“ veröffentlicht. Ein Kernziel: Risiken für Kapital­geber von Klima­investitionen zu reduzieren. Dabei scheint es vor allem um Länder zu gehen, die aufgrund politischer oder geografischer Voraussetzungen keine natürlichen ersten Ziele für Investoren wären.

Dies trifft zum Teil auch auf afrikanische Länder zu. Ein starker Fokus auf den Kontinent wurde beim Finanztag deutlich: Drei von 13 Programm­punkten waren speziell der Situation und der Finanzierung in Afrika gewidmet.

Erste Analyse zur Weltklima­konferenz: Deutschland mit schwerem Gepäck in Ägypten

Werden es mehr als nur leere Worte sein? RND-Redakteur Maximilian Arnhold sieht die Klima­versprechen des Bundes­kanzlers auf der COP27 zwiegespalten.

 

Verbrauchertipp der Woche

Je kürzer die Tage, desto größer das Bedürfnis nach Behaglichkeit. Der Winter und die anhaltende Energie­debatte erhöhen die Nachfrage nach Kerzen und Teelichtern. Doch für Gesundheit und Umwelt sind sie nicht immer ideal. Worauf man beim Kauf achten sollte, hat sich meine Kollegin Melina Runde angesehen.

Im Winter steigt die Nachfrage nach Kerzen und Teelichtern.

Im Winter steigt die Nachfrage nach Kerzen und Teelichtern.

 

Der RND-Klima-Podcast – hier hören

In dieser sehr persönlichen Folge verraten einige Podcast­gäste, was ihren „Kippschalter“ in eine umwelt­bewusste Welt ausgelöst hat. Unter anderem erzählt Psychologin Lea Dohm, Gründerin der Psychologists for Future, warum alle Menschen Klima­gefühle haben und wie sie uns helfen oder schaden können, ins Handeln zu kommen.

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Die gute Nachricht

Für mehr Klima­schutz: Die EU hat sich auf eine CO₂-Diät durch Wälder und Böden geeinigt. Denn damit die selbst gesteckten Klimaziele Europäischen Union erreicht werden können, ist es auch notwendig, CO₂ dauerhaft zu binden. Nun gibt es dazu einen Kompromiss zwischen Europa­parlament und den EU-Staaten.

Mithilfe natürlicher CO₂-Speicher sollen in der EU bis 2030 mindestens 310 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent in Böden und Wäldern gebunden werden. Deutschland müsste dem in der Nacht zu Freitag zwischen Unterhändlern des Europa­parlaments und der EU-Staaten gefundenen Kompromiss zufolge rund 10 Prozent davon stemmen. Das geht aus einer Mitteilung des Parlaments vom Freitag hervor.

 

Aktuelle Hintergründe

Bild der Woche

Trotz der 30-tägigen Inhaftierung für einige Klima­aktivisten haben in München am vergangenen Montag mehrere Menschen mit Klebe­aktionen von der Politik mehr Einsatz gegen den Klimawandel gefordert. Am Stachus in der Münchner Innenstadt klebten sich drei Personen auf der Fahrbahn fest. Sie betonten, dass sie sich auch von der Drohung, 30 Tage in Gewahrsam genommen zu werden, nicht einschüchtern lassen wollten. Nachmittags versuchten Aktivisten das Gleiche an der Staatskanzlei.

Trotz der 30-tägigen Inhaftierung für einige Klima­aktivisten haben in München am vergangenen Montag mehrere Menschen mit Klebe­aktionen von der Politik mehr Einsatz gegen den Klimawandel gefordert. Am Stachus in der Münchner Innenstadt klebten sich drei Personen auf der Fahrbahn fest. Sie betonten, dass sie sich auch von der Drohung, 30 Tage in Gewahrsam genommen zu werden, nicht einschüchtern lassen wollten. Nachmittags versuchten Aktivisten das Gleiche an der Staatskanzlei.

 

Termine

Die Klima­konferenz COP27 in Scharm el Scheich steht jeden Tag im Zeichen verschiedener Schwer­punkte. In den kommenden Tagen sind das unter anderem:

„Anpassung und Land­wirtschaft“ am Samstag, 12. November: Wenn sich das Klima verändert, muss sich auch die Land­wirtschaft anpassen und verändern. Welches Gemüse, welches Getreide, welche Baumarten gedeihen in einer Region besser, die plötzlich wesentlich wärmer oder trockener ist? Welche Antworten können und müssen Landwirte auf der ganzen Welt geben? Fragen, die am Samstag diskutiert werden.

„Wasser“ am Montag, 14. November: Wie können Frühwarn­systeme entwickelt und verbessert werden, die vor den zahlreicheren Überschwemmungen und außergewöhnlich heftigen Regen­fällen warnen? Wie können ganze Land­striche sich besser auf eine Zukunft vorbereiten, in der es wesentlich weniger Wasser in ihrer Region gibt? Fragen für den Wochen­anfang der COP27.

Durch die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan standen und stehen weite Landstriche unter Wasser. Vielen Kindern droht ein Ende ihrer Schulbildung.

Durch die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan standen und stehen weite Landstriche unter Wasser. Vielen Kindern droht ein Ende ihrer Schulbildung.

„Biodiversität“ am Mittwoch, 16. November: Wie hängen ein verändertes Klima und die Biodiversität miteinander zusammen? Am Mittwoch wird dazu zunächst ein wissenschaftlicher Überblick über den Stand der Forschung gegeben – um im nächsten Schritt aktuelle Projekte zur Förderung der Biodiversität zu besprechen. Wie kann Biodiversität gefördert werden, um das Klima zu stabilisieren? Das Tagesthema am Mittwoch.

 

Über die Ergebnisse der Klima­konferenz halten wir Sie natürlich auch nächste Woche wieder mit dem Klima-Check-Newsletter auf dem Laufenden. Falls Sie Anregungen oder Kritik haben, melden Sie sich gern direkt bei unserem Redaktions­team: klima@rnd.de Wir freuen uns auf Ihr Feedback!

Mit klimafreundlichen Grüßen,

Phillip Kampert und Ansgar Nehls

 

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