Der Krieg in der Ukraine und die Klimaziele Asiens
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In Folge der weltweiten Engpässe bei der Energieversorgung suche auch die asiatischen Länder nach Lösungen.
© Quelle: IMAGO/Panama Pictures
Neu-Delhi. Immer wieder checkt Asanka Sampath an der Tankstelle, ob es Benzin gibt. Auf dem Handy lässt sich der Fabrikangestellte aus Sri Lanka per SMS über Lieferungen informieren, und in den sozialen Netzwerken hält er sich über Nachschub auf dem Laufenden. Engpässe und Verzögerungen könnten für den 43-Jährigen bedeuten, dass er tagelang nicht zur Arbeit kommt.
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„Mir reicht es wirklich“, sagt Sampath. Doch Licht am Ende des Tunnels ist lange nicht in Sicht. Die wachsende Energieknappheit, angefeuert vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine, hat den Weltmarkt für fossile Brennstoffe schwer getroffen. Der Preisanstieg ist vor allem für arme Länder kaum verkraftbar, fast überall hat aber die Energiesicherheit Priorität. Und das geht quer über die Kontinente zumindest kurzfristig zu Lasten von Umwelt, Klima und Sicherheit.
Reiche Länder setzen auf Atomstrom
In Asien zeigt sich das in verschiedenen Ausprägungen: Reiche Länder wie Südkorea und Japan setzen auf Atomstrom, der riesige Bedarf in China und Indien bedeutet eine stärkere Abhängigkeit von klimaschädlicher Kohlekraft. Die einschneidendsten Konsequenzen hat der Ukraine-Krieg nach Ansicht von Kanika Chawla, Managerin für Energieprogramme bei den Vereinten Nationen, aber für Entwicklungsländer mit ohnehin schon leeren Kassen. „Wir stehen an einer wirklich entscheidenden Weggabelung“, sagt Chawla mit Blick auf den künftigen Energie- und Klimakurs in Asien.
Sri Lanka will bis 2050 klimaneutral sein
Sri Lanka ist ein Beispiel für eine besonders drückende Lage. Ein enormer Schuldenberg verbaut den Energiekauf auf Kredit. Damit muss das südasiatische Land den Brennstoff selbst in wichtigen Sektoren rationieren. Engpässe werden auch für das kommende Jahr erwartet.
Insgesamt hat sich Sri Lanka zum Ziel gesetzt, bis zum Ende des Jahrzehnts 70 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Bis 2050 will Sri Lanka Netto-Null-Emissionen erreicht haben, also den Stand, dass alle durch Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen durch Reduktionsmaßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden.
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Dass nun zugleich die Notwendigkeit besteht, die Kosten zu senken, lasse dem Land „keine andere Möglichkeit“, als sich von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen, erklärt Aruna Kaltunga, Mitautor eines Regierungsberichts zu den Energiezielen. Wie realistisch die Ziele sind, sei jedoch fraglich, wenden Kritiker ein. Sie seien eher angestrebt als gesetzt, sagt Murtaza Jafferjee von der Denkfabrik Advocata Institute. Das derzeitige Stromnetz sei für erneuerbare Energien nicht ausgelegt. Es werde ein langsamer und mühevoller Prozess.
China und Indien setzen auf Kohle
Wie die beiden asiatischen Riesen China und Indien mit der Deckung ihres Energiebedarfs umgehen, hat besonders große Auswirkungen auf das Weltklima. Zumindest kurzfristig scheint die Antwort in der Kohle zu liegen – einer Hauptquelle für Kohlendioxidemissionen.
China, derzeit beim Treibgasausstoß die weltweite Nummer eins, will bis 2060 bei netto Null sein, was die Emissionen angeht. Doch seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat China nicht nur mehr fossile Brennstoffe aus Russland importiert, sondern auch seine eigene Kohleproduktion gesteigert. Dass die Lichter anbleiben, hat derzeit Vorrang vor dem Senken der Treibhausgase.
Indien rechnet mit Anstieg des Energiebedarf
Indien hat sich das Netto-Null-Ziel für ein Jahrzehnt später gesetzt als China. Das südasiatische Land steht auf Rang drei der weltweit größten Emittenten, und nirgendwo sonst wird mit einem so starken Anstieg des Energiebedarfs in den kommenden Jahren gerechnet wie in Indien.
Wie China will auch Indien die Kohleproduktion hochfahren, um die Abhängigkeit von teuren Importen zu verringern. Trotz der Forderungen nach Sanktionen gegen Moskau ist Indien aktuell Teil des Kundenstamms für russisches Öl.
Für beide Länder sehen Experten aber angesichts des puren Ausmaßes an Bedarf auf lange Sicht keine andere Option, als auch die saubere Energie entschieden auszubauen.
China sei führend im Bereich der erneuerbaren Energien und bewege sich bereits weg von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sagt Energiepolitikexperte Tim Buckley von der Denkfabrik Climate Energy Finance. Auch Indien investiert in erneuerbare Energien und hat sich verpflichtet, bis 2030 die Hälfte seines Stroms aus sauberen Quellen zu beziehen.
Mit Blick auf die fossilen Brennstoffe erklärt Christoph Bertram vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, ein Hochschrauben der Produktion vor Ort bedeute nicht, dass die beiden Länder mehr Kohle verbrennten, sondern dass sie teure Importkohle ersetzten. Entscheidend für die globalen Klimaziele sei, wohin künftige Investitionen fließen.
Japan und Südkorea wollen Atomkraft fördern
Sowohl Japan als auch Südkorea setzen seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine verstärkt auf Kernenergie. Die Regierung in Tokio hat angekündigt, Sicherheitsprüfungen zu beschleunigen, um mehr Reaktoren in Betrieb nehmen zu können.
Eigentlich strebt Japan an, den Anteil der Atomenergie an seinem Energiemix auf weniger als ein Viertel zu begrenzen. Die jüngsten Entwicklungen deuten aber darauf hin, dass die Atomkraft noch länger eine größere Rolle spielen könnte. Südkorea hat bislang keine direkten Folgen für seine Energieversorgung hinnehmen müssen, weil es Gas aus Ländern wie Katar und Australien und Öl aus dem Nahen Osten bezieht.
Indirekt könnte sich aber das europäische Bemühen um Energie aus denselben Quellen auswirken, da damit die Preise in die Höhe gehen. Wie Japan hat sich auch die neue südkoreanische Regierung für die Förderung von Atomstrom starkgemacht.
RND/AP