Mehr Geld und ein neues „Mindset“: Die Bundeswehr muss revolutioniert werden
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Soldaten der Bundeswehr.
© Quelle: Moritz Frankenberg/dpa/Archivbild
Am Dienstagabend sollte sich in Berlin noch mal eine Frau zeigen, die in diesen schnellen Zeiten fast schon vergessen war: Christine Lambrecht. Die Sozialdemokratin, die gut ein Jahr lang weithin glücklos als Verteidigungsministerin amtiert hatte, sollte bekommen, was bisher alle ihre Vorgängerinnen und Vorgänger bekamen: den Großen Zapfenstreich als Geste der Wertschätzung. Auch die 57-Jährige hat diese Wertschätzung verdient.
Ihr Nachfolger und Parteifreund Boris Pistorius agiert weit weniger glücklos. Der vormalige niedersächsische Innenminister versteht nicht nur mehr vom Fach. Er hat ferner erkennbar mehr Lust auf die Aufgabe, weshalb die Bevölkerung mehr Lust auf ihn hat. Ja, Pistorius ist ein überragendes Beispiel dafür, dass Spitzenpolitiker ohne ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit nicht mehr weit kommen. Er gehört ohnehin nicht zu jener Sorte Landespolitiker, die sich im Berliner Regierungsviertel aufs Kreuz legen lassen. Vielmehr ist Pistorius ausreichend gewieft, er hat gleich inhaltliche Pflöcke eingeschlagen und mit Carsten Breuer einen gut beleumundeten Soldaten zum Generalinspekteur berufen.
Pistorius und Breuer müssen eine Revolution beginnen
Freilich sind die zentralen militärischen Herausforderungen Deutschlands damit keineswegs bewältigt. Das gilt zunächst für die internationale Lage. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine kann noch Jahre dauern. Damit werden Deutschland und seine westlichen Verbündeten noch über Jahre gezwungen sein, die Ukraine zu unterstützen. Mit dem immer enger werdenden Schulterschluss zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem chinesischen Pendant Xi Jinping sowie Putins Entscheidung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren, müsste überdies selbst dem Letzten klar werden: Die aktuelle Ost-West-Konfrontation wird mit dem Ukraine-Krieg nicht vorüber sein. Stattdessen entsteht eine neue internationale Ordnung von autoritären und demokratischen Blöcken – ergänzt um jene, die man früher die „Blockfreien“ nannte, und bei wohl nachlassendem Engagement der USA in Europa.
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Aus alldem folgt die zweite große Herausforderung – die für das Innere der Streitkräfte, die seit der Vereinigung stetig verkleinert, umstrukturiert und kaputtgespart wurden. Sie brauchen neben mehr Geld weniger Bürokratie und, wie der neue Generalinspekteur soeben sagte, ein anderes „Mindset“. Die Erkenntnis, dass die Bundeswehr sehr rasch radikal gefordert sein könnte, muss auf allen Ebenen handlungsleitend werden. Pistorius und Breuer müssen eine Revolution beginnen. Das dauert.
Ob die vorige Verteidigungsministerin bedauert, dafür nicht mehr die Verantwortung tragen zu müssen? Wetten möchte man darauf lieber nicht abschließen. Denn Christine Lambrecht hat jetzt, egal, ob mit oder ohne Zapfenstreich, was ihr Nachfolger auf lange Zeit nicht haben wird: ihre Ruhe – und ihren Frieden.