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Europa schottet sich ab

Die Flucht vor Putins Regime wird immer schwerer

Eine Frau hält in der estnischen Stadt Narva am Grenzübergang nach Russland ihren russischen Pass in den Händen. Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Polen beschränken die Einreise für Menschen aus Russland weiter.

Eine Frau hält in der estnischen Stadt Narva am Grenzübergang nach Russland ihren russischen Pass in den Händen. Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Polen beschränken die Einreise für Menschen aus Russland weiter.

Die Flucht vor Putins Regime wird für Russen immer schwerer. Durch die Aufkündigung des europäischen Visaabkommens mit Russland sind die Hürden für eine Einreise nach Deutschland stark gestiegen. Bis dahin war der einfachste Weg aus Russland raus das Touristenvisum. Dabei ging es beim Touristenvisum in den seltensten Fällen wirklich um Tourismus, erklärt Osteuropa- und Russland-Forscher Alexander Dubowy im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es sei schlichtweg die einfachste und günstigste Möglichkeit gewesen, um ein Schengenvisum zu erhalten. „Gerade für die Opposition und die in Russland verfolgten Minderheiten war das Touristenvisum die einfachste Möglichkeit, das Land jederzeit verlassen zu können. Faktisch eine Art der Lebensversicherung.“

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Die hohen Hürden der Visumvergabe träfen vor allem die erklärten Gegner des Putin-Regimes sowie die vulnerabelsten gesellschaftlichen Gruppen. Die Maßnahme gehe daher „völlig am Ziel vorbei“. Zwar können Russen noch ein humanitäres Visum beantragen. „Die Hürden dafür sind jedoch so hoch, dass kaum derartige Visa vergeben werden“, sagt Dubowy. 215 humanitäre Visa sind seit Kriegsbeginn an russische Staatsangehörige erteilt worden, wie das Auswärtige Amt auf RND-Nachfrage mitteilte.

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Wenn Russen stattdessen über ein Touristenvisum nach Deutschland kommen wollen, benötigen sie ab sofort ein Konto bei einer europäischen Bank. Die offizielle Bestätigung der Bank muss neben den vorhandenen Barmitteln auch Kontoauszüge der letzten drei Monate umfassen. Außerdem sind „Nachweise zur Rückkehrbereitschaft in die Russische Föderation“ nötig. Dies sind nur drei der vielen neuen Vorgaben, um ein Schengenvisum für Deutschland zu erhalten. Für die meisten Russen ist es unmöglich, ein Visum zu erhalten. Lediglich die russische Oberschicht mit Bankkonten in Europa, die noch nicht eingefroren wurden, kann ein Touristenvisum beantragen. Der Verband der Reiseveranstalter in Russland sprach von der „härtesten Option“ gegen russische Touristen.

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Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, hatte am Wochenende vor Anschlägen in Deutschland gewarnt und einen Einreisestopp für Russen gefordert. Er sprach von einem „ernsten Sicherheitsrisiko“. Die Russen würden nicht aus Protest fliehen, sondern nur nicht im Krieg sterben wollen.

Bedenken, dass durch Visa womöglich russische Spione und Saboteure nach Deutschland geschleust werden, hält Experte Dubowy für weitgehend unbegründet. „Der russische Staat findet immer Möglichkeiten, diese Menschen einzuschleusen, so beispielsweise mit einem Diplomatenpass.“ Das sei schon in der Vergangenheit oftmals der Fall gewesen.

Einige EU-Staaten haben bereits Einreiseverbote verhängt und weisen Russen trotz Schengenvisum an der Grenze einfach ab. Dazu zählt zum Beispiel Tschechien. Wenn Russen Tourismus, Sport oder Kultur als Einreisegrund angeben, dürfen sie trotz gültigen Visums nicht einreisen. Bis zu 200 Russen waren zuletzt täglich über internationale Flughäfen in Tschechien eingereist. Zuvor hatten bereits die baltischen Länder, Finnland und Polen ihre Grenzen geschlossen. Der ukrainische Botschafter Makeiev rief Deutschland auf, diesem Beispiel zu folgen und ebenfalls Russen abzuweisen.

Eine solche pauschale Verweigerung der Einreise oder der Visaausstellung ist jedoch nach EU-Recht nicht zulässig, erklärte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Stattdessen müsse jeder Fall einzeln geprüft werden und die Flucht vor dem Militärdienst wird in Deutschland nicht als Asylgrund anerkannt. Die Hauptlast dieser neuen russischen Fluchtbewegung tragen derzeit viele kleine Länder, wie Georgien und Kasachstan. Auch dort werden sie oft nicht mit offenen Armen empfangen. Man wisse schließlich nicht, ob die geflüchteten Russen Putin unterstützten oder nicht.

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