Newsletter „What’s up, America?“

Die spionierenden Staubsauger kommen

Was saugt er alles auf? Autonom arbeitender Staubsauger Roomba von iRobot.

Was saugt er alles auf? Autonom arbeitender Staubsauger Roomba von iRobot.

Liebe Leserinnen und Leser,

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auf den ersten Blick sah die Übernahme der US-Firma iRobot durch Amazon aus wie eine dieser unzähligen Unternehmenskäufe in den USA: Große Firma schluckt kleine Firma, business as usual.

Doch inzwischen guckt ganz Amerika ein zweites Mal hin: Warum genau war Amazon so interessiert an dieser Firma? Liegt es daran, dass iRobot weiter ist als viele andere und schon jetzt Hunderttausende Roboter in Gestalt des Staubsaugers Roomba autonom durch amerikanische Privatwohnungen gleiten lässt?

Willkommen zur neuen Ausgabe von „What‘s up, America?“ – die uns diesmal zu einem eigentlich privaten Thema führt, das nun erstmals politisch aufgeladen wird: die Bodenpflege in den eigenen vier Wänden.

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What’s up, America?

Der wöchentliche USA-Newsletter liefert Hintergründe zu den amerikanischen Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kultur - immer dienstags.

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Gibt es einen Kamin? Eine Hundehütte?

Inzwischen sind sich Fachleute mit Blick auf Amazons iRobot-Deal einig: Es geht tatsächlich um die digitale Erfassung letzter Winkel von Privatheit. Den Datenschatz, der beim autonomen Staubsaugen en passent zu heben ist, wollte Amazon sich unbedingt sichern.

Am Montag dieser Woche beschrieb Helen Greiner, Mitgründerin von iRobot, in einem Videointerview auf Bloomberg, wie Roomba nicht nur Staub saugt, sondern auch eine überraschend große Menge Daten zu sammeln vermag.

Tatsächlich wird zunächst die Wohnung gleichsam kartografiert: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Esszimmer, Küche. Schnell kommt man dann an Punkte, die auch ein ökonomisch relevantes Profil bilden: Nicht jeder hat ein Arbeitszimmer. Nicht jeder hat ein Kinderzimmer. Doch damit nicht genug. Geklärt wird auch – noch bevor das Saugen losgeht: Gibt es einen Kamin, ein Katzenklo, eine Hundehütte?

Roomba hat praktischerweise auch eine Kamera. Die kann dem Nutzer oder der Nutzerin helfen, aus der Ferne, etwa vom Büro aus, zu Hause entstandene Missverständnisse auszuräumen: Wird das seltsame Ding da unterm Bett noch gebraucht oder kann das weg?

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Die Federal Trade Commission muss der Übernahme durch Amazon noch zustimmen: Hauptquartier von iRobot in Bedford, Massachusetts.

Die Federal Trade Commission muss der Übernahme durch Amazon noch zustimmen: Hauptquartier von iRobot in Bedford, Massachusetts.

Nach Ansicht des Datenschützers Ron Knox ist im Fall Amazon das Maß längst voll. „Die Leute kaufen einen Roomba, weil sie etwas wollen, das ihre Böden reinigt“, schrieb Knox in einem wütenden Aufsatz im Magazin „The Atlantic“. „Die meisten Leute wollen keinen rotierenden, mit Kameras ausgestatteten Datensauger, der eine Bestandsaufnahme ihres Hauses und seines Inhalts macht und diese Informationen dann an das mächtigste Einzelhandelsmonopol der Welt zurückbeamt.“

Schon die Verbreitung des ständig mit Amazon verbundenen Lautsprecher- und Mikrofonsystems Alexa und der massenhafte Verkauf digitaler Türsysteme war nach Ansicht von Knox ein datenschutzrechtliches Unding. Hinzu komme noch der für Amazon mögliche Zugriff auf Nutzungsdaten aus dem konzerneigenen Videosystem Prime. Dies alles laufe auf eine Rundumüberwachung in den eigenen vier Wänden hinaus.

Stellt Linda Khan sich quer?

Doch nicht nur der Datenschutz werde mit Füßen getreten, betont Konzernkritiker Knox. Auch jedem Gedanken an Fairness auf dem amerikanischen Markt widerspreche der Deal mit iRobot. Wenn ein alles dominierender Händler wie Amazon den führenden Hersteller autonomer Staubsauger übernehme und dann dessen Produkte auf den Markt schiebe, sei auf diesem Feld der Wettbewerb de facto beendet.

Von Joe Biden wurde sie als Wettbewerbswächterin eingesetzt – aber wie weit wird sie gehen? Linda Khan, Vorsitzende der Federal Trade Commission.

Von Joe Biden wurde sie als Wettbewerbswächterin eingesetzt – aber wie weit wird sie gehen? Linda Khan, Vorsitzende der Federal Trade Commission.

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Wird Kritik wie diese irgendetwas verändern in den USA? Die amerikanischen Behörden müssen die Übernahme von iRobot noch genehmigen. Widerspruch ist durchaus denkbar, etwa durch Präsident Joe Bidens oberste Wettbewerbshüterin Linda Khan. Die Juristin ging mit großem Tusch als Kritikerin der US-Großkonzerne an den Start, hat aber seither an Profil verloren.

Traditionell verfolgen die US-Demokraten eine im Zweifel eher sanfte Linie gegenüber den Techriesen an der Westküste – von Google in Mountain View, Kalifornien, bis Amazon in Seattle, Washington. Schon oft sahen Konzernlenkerinnen und -lenker sowie Politikerinnen und Politiker der Demokraten sich vereint in Weltoffenheit, Modernität und Diversität – und blickten über unschöne Streitigkeiten im Zweifel hinweg.

 

FACTS AND FIGURES: Biden am Wendepunkt

Die von den US-Demokraten seit Langem ersehnte Tendenzwende ist da: Nach langer Talfahrt in den Umfragen geht es für Joe Biden wieder aufwärts.

Zwar ist immer noch eine Mehrheit der Amerikaner (54,3 Prozent) unzufrieden mit der Amtsführung des Präsidenten. Der Mitte Juli gemessene Höhepunkt der Unzufriedenheit (57,2 Prozent) ist jedoch überwunden. Parallel dazu stieg der Anteil der Zufriedenen von 37,7 Prozent Mitte Juli auf nunmehr 40,9 Prozent.

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Bidens Zahlen sind im historischen Vergleich immer noch schwach. Sie künden aber – drei Monate vor den Zwischenwahlen im November – immerhin von einer Trendumkehr.

Drei Faktoren helfen derzeit dem Präsidenten:

  • Biden hat in den vergangenen Wochen eine ganze Serie wichtiger Gesetzespakete durch den Kongress geschaukelt. Darunter sind Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Preisdämpfung im Gesundheitswesen und zur Förderung der Mikrochipproduktion in den USA. Jenseits aller Details war der Eindruck wichtig, dass sich endlich wieder etwas bewegt im Land.
  • Der Anstieg der Benzinpreise konnte im Zaum gehalten werden. Der Jobmarkt zeigt weiterhin keine Einbrüche, Lohnerhöhungen sind an der Tagesordnung. Deshalb scheint – trotz eines fortbestehenden allgemeinen Pessimismus – zumindest die private Zuversicht vieler Amerikanerinnen und Amerikaner zu wachsen, mit der Inflation irgendwie fertig zu werden.
  • Das Ansehen Donald Trumps hat gelitten – erst durch die Anhörungen zum Sturm aufs Kapitol am 6. Januar, dann durch die Durchsuchung seiner Privaträume in Florida durch das FBI. Zwar taten republikanische Eiferer wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis die Durchsuchung flugs ab als Zeichen einer „Bananenrepublik“, zu der die USA unter Biden abgesunken seien. Viele Wählerinnen und Wähler der Mitte ticken aber ein bisschen altmodischer. Sie fragen sich, ob nicht doch eine Durchsuchung durch das FBI ein schlechtes Zeichen für denjenigen ist, bei dem sie stattfindet. In einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage für NBC News verlangten 57 Prozent im Fall Trump „weitere Untersuchungen“.
 

POPPING UP: Batteriegürtel statt Rostgürtel

Alle paar Jahrzehnte, so scheint es, bekommt der in Längsrichtung ausgebreitete Industriegürtel im Nordosten der USA, von Philadelphia bis Detroit, einen neuen Namen.

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Die Hauptstadt des Rostgürtels wird zum Ort neuer Hoffnungen: Detroit, Michigan.

Die Hauptstadt des Rostgürtels wird zum Ort neuer Hoffnungen: Detroit, Michigan.

  • Lange war man stolz auf den Manufacturing Belt: Nirgends wurde so viel zusammengeschraubt wie hier, in der ältesten Industrieregion der USA. Henry Ford ließ in Detroit schon im Jahr 1914 erste Autos am Fließband fertigen.
  • In den 70er- und 80er-Jahren ging es abwärts, die auswärtige Konkurrenz lieferte teils Billigeres, teils Besseres. Von nun an blickte Amerika bekümmert auf den Rust Belt, den bedauerlichen Rostgürtel.
  • In diesen Tagen lässt ein mögliches neues Buzzword für die alte Region aufhorchen: „Willkommen im Battery Belt (Batteriegürtel)“, schrieb das Newsportal Axios zu Beginn dieser Woche. Tatsächlich investieren nicht nur Ford und General Motors gerade Milliarden in die Batterietechnologie. Auch unzählige kleine und mittlere Betriebe sind derzeit im einstigen Rostgürtel unterwegs, um am Übergang zum kohlendioxidneutralen Wirtschaften zu verdienen. Von einer massiv veränderten post-industriellen Wirtschaftsszenerie ist die Rede. Größter Treiber des Wandels ist die US-Regierung mit ihren gerade beschlossenen milliardenschweren Förderprogrammen.
 

DEEP DIVE: Amerikas Ober-Arzt tritt ab

Anthony S. Fauci, medizinischer Chefberater des US-Präsidenten, will Ende des Jahres sein Amt niederlegen – nach einem halben Jahrhundert in der Rolle des Ober-Arztes der Nation.

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Der Schritt des mittlerweile 81 Jahre alten Immunologen kommt nicht überraschend. Dennoch war er den US-Medien sehr viel mehr wert als nur eine kleine Notiz. In der „Washington Post“ zum Beispiel liefert die Medizinjournalistin Yasmeen Abutaleb einen ebenso liebevollen wie lesenswerten Rückblick auf Faucis Leben und Werk – von dem der Umgang mit Corona nur ein kleiner Teil war. Los ging es einst mit Aids, dann kam Ebola. Fauci diente sieben Präsidenten. Immunologische Kampagnen, zu deren Entwicklung Fauci beitrug, retteten innerhalb und außerhalb der USA Millionen Leben.

Sieben US-Präsidenten hörten auf seinen Rat: Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, will zum Jahresende als Berater von Joe Biden aufhören.

Sieben US-Präsidenten hörten auf seinen Rat: Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, will zum Jahresende als Berater von Joe Biden aufhören.

Streitigkeiten mit Donald Trump und dessen uneinsichtigen Republikanern führten zu einem Tiefpunkt in Faucis Leben. Er wurde zum Blitzableiter, gar zur Hassfigur einer arroganten, wissenschaftsfernen Szene. Es gab Morddrohungen.

In einem Interview mit der „Washington Post“ sagte Fauci, er habe das Land noch nie so stark polarisiert gesehen. Ist dieses politische Leiden der USA womöglich unheilbar? In diesem Punkt zeigt Fauci die bei ihm schon seit Jahrzehnten eingeübte Zuversicht – und wird sogar ein bisschen wolkig: „Ich glaube, dass sich letztendlich die besseren Engel in unserem Land durchsetzen werden.“

 

WAY OF LIFE: Junge Amerikanerinnen und Amerikaner kiffen wie nie

Der Marihuanakonsum hat in der Gruppe der 19- bis 30-jährigen Amerikanerinnen und Amerikaner einen Rekordwert erreicht. Das Nationale Institut für Drogenmissbrauch meldete am Montag „die höchsten Werte, die jemals seit der ersten Überwachung dieser Trends im Jahr 1988 verzeichnet wurden“.

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Der Anteil der jungen Erwachsenen, die nach eigenen Angaben „Marihuana im vergangenen Jahr konsumiert“ haben, erreichte in der jüngsten – im Jahr 2021 durchgeführten Studie – 43 Prozent. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 34 Prozent im Jahr 2016 und 29 Prozent im Jahr 2011.

Ian Ford bietet die spezielle Cannabis-Kaffeemischung an.

Man kann den Wirkstoff auch in den Kaffee mischen: Cannabiscafé in New York.

Die Wissenschaftscommunity in den USA blickt auf diesen Trend mit wachsender Sorge – trotz vielfach gefeierter Liberalisierungen des Cannabisverkaufs in vielen Bundesstaaten.

Die Cannabiskeptikerinnen und -skeptiker sehen zwei Probleme im Mittelpunkt: Erstens ist ein einstelliger Prozentsatz der Konsumenten nach diversen Studien anfällig für ein Abgleiten in Psychosen. Zweitens häufen sich in vielen Bundesstaaten Hinweise auf eine gefährlich wachsende Konzentration des Wirkstoffs THC. Vor diesem Hintergrund könnte schon die wachsende absolute Zahl der Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten das bislang vernachlässigte Psychoserisiko zu einem ungeahnten neuen Problem werden lassen.

Den nächsten USA-Newsletter bekommen Sie am 6. September. Stay sharp – and stay cool!

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Ihr Matthias Koch

 

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