Drohungen mit Atomwaffen: Lässt sich Nordkorea von Putin inspirieren?
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Kim Jong Un und Wladimir Putin bei einem Treffen im Jahr 2019 in Wladiwostok.
© Quelle: AP
Tokio. Seit Jahrzehnten droht Nordkorea damit, feindliche Städte in ein „Flammenmeer“ zu verwandeln, und arbeitet hartnäckig am Aufbau eines Atomwaffenprogramms. Jetzt könnte Pjöngjang nach dem Vorbild des russischen Präsidenten Wladimir Putin seine Rhetorik weiter verschärfen, wie Fachleute befürchten.
Putins Anspielungen auf einen möglichen russischen Einsatz von nuklearen Gefechtswaffen weckt die Sorge, dass eine solche Normalisierung atomarer Drohungen den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un stärken könnte.
Nordkorea testet Marschflugkörper für taktische Atomwaffen
Staatschef Kim Jong Un erklärte, die Abschüsse seien weitere klare Warnungen an seine „Feinde“. Wo die Raketen einschlugen, blieb unklar.
© Quelle: Reuters
„Putin und Kim inspirieren sich gegenseitig und machen das Recht zum atomaren Angriff auf einen friedlichen Nachbarn zur Routine, indem sie es wiederholen, ohne dass es Folgen nach sich zieht“, sagt der Nordkorea-Experte Sung-Yoon Lee von der Tufts University in den USA. „Putins Drohungen klingen angesichts des täglichen Blutvergießens in der Ukraine glaubwürdiger. Aber Kims Drohungen sollten nicht als heiße Luft abgetan werden.“
Mit jedem Raketentest kommt Nordkorea seinem Ziel näher
Nordkorea hat in diesem Jahr bereits eine Rekordzahl von mehr als 40 Raketen abgefeuert. Zuletzt begründeten staatliche Medien die Starts damit, dass ein Einsatz taktischer Atomwaffen simuliert werden solle, um potenzielle Ziele in Südkorea und den USA „auszulöschen“. Kim beaufsichtigte alle Tests persönlich und sprach anschließend von einer erfolgreichen Demonstration der erweiterten nuklearen Angriffsmöglichkeiten seiner Streitkräfte und der Bereitschaft zu einem „realen Krieg“.
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Es gibt auch Hinweise darauf, dass Pjöngjang taktische Kernwaffen an der Grenze zu Südkorea stationieren will. Ein neues Gesetz ermöglicht unter verschiedenen Bedingungen präventive Atomangriffe, etwa wenn sich die Führung bedroht sieht. Die Atomraketentechnik ist zwar noch nicht ganz ausgereift, doch mit jedem Test kommt das Land diesem Ziel näher. „Nordkorea hat eindeutig Putins Ansatz im Krieg gegen die Ukraine nachgeahmt und als Möglichkeit zur Beschleunigung der Waffenentwicklung genutzt“, sagt der Nordkorea-Experte Park Won Gon von der Ewha Womans University in Seoul.
Nukleare Gefechtswaffen zielen darauf ab, vorrückende feindliche Truppen in einem bestimmten Abschnitt zu stoppen, und haben im Vergleich zu Atomsprengköpfen eine geringe Durchschlagskraft. Dennoch würden sie zahlreiche Zivilpersonen in der dichtbesiedelten Ukraine sowie möglicherweise in Russland und andernorts einem Strahlenrisiko aussetzen. Auch politisch hätte ein erster Atomwaffeneinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg verheerende Wirkung und würde zu einer raschen Eskalation führen.
Russische Atomdrohungen verfehlen bisher ihr Ziel
Die USA und ihre Verbündeten erklärten zwar, Putins Drohungen ernst zu nehmen. Sie betonten jedoch zugleich, sich davon nicht einschüchtern zu lassen und in ihrer Unterstützung für die Ukraine nicht nachzulassen. Auch Kiew will seine Gegenoffensive trotz der russischen Atomdrohungen nicht stoppen.
In US-Regierungskreisen hieß es, man rechne aktuell nicht mit konventionellen oder nuklearen Angriffen Kims, da der nordkoreanische Staatschef die Geschehnisse in der Ukraine verfolge. Eine Eskalation sei vielmehr dann zu erwarten, wenn Kim das Gefühl habe, dass Putin die gesamte internationale Aufmerksamkeit bekomme. Womöglich könne er versuchen, mit Atomtests Druck aufzubauen, um seine langfristigen Ziele zu erreichen: eine Lockerung der westlichen Sanktionen gegen Nordkorea und einen Abzug der fast 30.000 US-Soldaten in Südkorea.
Jeder Schritt Putins könnte Kim Jong Un bestärken
„Nordkorea verfolgt die Situation (in der Ukraine) aufmerksamer als alle anderen“, sagt Experte Park. Wenn Putin ohne größere Folgen Atomwaffen einsetzen könne, werde Pjöngjang das als Stärkung seiner eigenen Nuklear-Doktrin verstehen.
Auf die nordkoreanischen Atomdrohungen könnten nach Ansicht von Park zudem nun weitere Zusammenstöße mit dem Süden folgen. Die Halbinsel befindet sich offiziell immer noch im Kriegszustand, da beide Seiten nach ihrem Konflikt von 1950 bis 1953 kein Friedensabkommen geschlossen hatten. Ähnlich sei es zwischen Indien und Pakistan verlaufen, erklärt Park: Auch hier hätten sich die Spannungen weiter verschärft, nachdem Pakistan sich eigene Atomwaffen zugelegt habe.
RND/AP