Familienministerin Anne Spiegel tritt zurück – Grüne wollen Nachfolge schnell klären
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Bundesfamilienministerin Anne Spiegel ( Bündnis 90/die Grünen)
© Quelle: Annette Riedl/dpa
Berlin. Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) stellt ihr Amt zur Verfügung. Das teilte Spiegel am Montagnachmittag mit.
„Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen“, schrieb Spiegel in einer Mitteilung. „Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht“, führte sie weiter aus. Sie bedanke sich insbesondere bei den Mitarbeitenden des Familienministeriums.
Spiegel ließ sich von Staatssekretären vertreten
Die Ministerin steht wegen eines vierwöchigen Frankreich-Urlaubs nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 in der Kritik. Damals war sie noch rheinland-pfälzische Umweltministerin. Bei einem emotionalen Auftritt hatte sie den Urlaub am Sonntagabend als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt. Dabei räumte sie auch ein, dass sie sich anders als ursprünglich mitgeteilt nicht aus den Ferien zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet hatte.
Spiegel ließ sich während des Urlaubs von einem ihrer beiden Staatssekretäre vertreten. In dieser Zeit zwischen dem 23. Juli und dem 29. August sei somit auch das Umweltministerium bei den Kabinettssitzungen dabei gewesen, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Montag in Altenahr.
Spiegel: „Das hat uns als Familie über die Grenzen gebracht“
Ihr Mann hatte demnach 2019 einen Schlaganfall erlitten und seitdem Stress vermeiden müssen. Außerdem habe die Corona-Pandemie bei ihren vier Kindern Spuren hinterlassen. Gleichzeitig wurde Spiegel Spitzenkandidatin der Grünen im dortigen Landtagswahlkampf 2021. Im Januar 2021 übernahm sie zusätzlich zum Amt der Landesfamilienministerin das der Umweltministerin von Rheinland-Pfalz.
Dies sei ein Fehler gewesen, sagte Spiegel rückblickend. „Das hat uns als Familie über die Grenzen gebracht.“ Die Familie habe im Sommer 2021 Urlaub gebraucht.
Familienministerin Spiegel entschuldigt sich für Urlaub nach Flutkatastrophe
Am Sonntagabend bat Anne Spiegel zum Pressestatement. Es folgten Erklärungen zu ihrem Frankreich-Urlaub nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz.
© Quelle: Reuters
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor noch über eine Regierungssprecherin mitteilen lassen, er arbeite „eng und vertrauensvoll“ mit Spiegel zusammen. Zu ihrem Amtsantritt als Familienministerin hatte sie im vergangenen Dezember den Kampf gegen Kinderarmut als vorrangiges politisches Ziel genannt. Spiegel hatte sich auch dafür eingesetzt, dass Väter nach der Geburt ihrer Kinder einen zweiwöchigen bezahlten Urlaub bekommen. Wer ihr Amt übernehmen wird, blieb zunächst offen. Die Grünen kündigten „zeitnah“ eine Entscheidung über eine Nachfolge an.
Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.
Scholz äußert „großen Respekt“ – Grüne wollen Nachfolge schnell klären
Nach dem Rücktritt seiner Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen „großen Respekt“ geäußert. Der Kanzler habe mit Spiegel im Kabinett eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag. „Er wünscht ihr nach dieser schweren Zeit für die Zukunft alles Gute.“
Die Grünen-Spitze will zeitnah einen Vorschlag zur Nachfolge der zurückgetretenen Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) machen. Das sagte Co-Parteichef Omid Nouripour am Montag in Husum. Mit Blick auf Spiegel sagte er, der Schritt, nun zurückzutreten, sei richtig - bei aller Härte und so schwierig die Entscheidung auch gewesen sei. Co-Parteichefin Ricarda Lang sagte, die Grünen-Spitze habe größten Respekt für den Mut und die Klarheit von Spiegel.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich bewegt vom Rücktritt der Familienministerin gezeigt. „Anne Spiegel ist durch eine extrem harte, persönlich unglaublich schwere Zeit gegangen“, sagte die Grünen-Politikerin am Montagnachmittag am Rande eines EU-Treffens in Luxemburg. „Mit dem heutigen Tag ist für sie nicht nur politisch, sondern auch persönlich ein Weg beschritten worden, der glaube ich deutlich macht, wie brutal Politik sein kann.“
„Das ist eine Mahnung für uns alle in der Politik“, sagte Baerbock mit Blick auch auf die Pressekonferenz, mit der Spiegel noch am Sonntag versucht hatte, einen Rücktritt abzuwenden. Der Rücktrittsentscheidung der Parteifreundin zollte Baerbock Anerkennung. „Ich habe größten Respekt vor ihrer heutigen Entscheidung und möchte deutlich sagen: Die Bundesregierung, wir als Kabinett, verlieren eine unglaublich tolle Familienministerin, die mit Leidenschaft für Familien, für Kinder, für Frauen in diesem Land brennt und die vor allen Dingen eines der größten Reformprojekte dieser Koalition auf den Weg gebracht hat: die Kindergrundsicherung.“
Die Grünen in Rheinland-Pfalz haben mit Respekt und Bedauern auf den Rücktritt Spiegels reagiert. Die Landesvorsitzenden Natalie Cramme-Hill und Paul Bunjes erklärten, die Grünen-Politikerin habe in den vergangenen zwölf Jahren „herausragende politische Arbeit als Landtagsabgeordnete, als Familienministerin, als stellvertretende Ministerpräsidentin, als Spitzenkandidatin der letzten Landtagswahl und als Umweltministerin geleistet“. Sie habe Rheinland-Pfalz und den Grünen-Landesverband nachhaltig geprägt.
RND/sic/dpa/epd