170 Festnahmen, 150 Einsatzkräfte verletzt

Gewalt, Tränengas, Brände: Protest gegen Rentenreform in Frankreich spitzt sich zu

Ein Demonstrant am Donnerstag in Paris.

Ein Demonstrant am Donnerstag in Paris.

Paris. In Frankreich haben sich die Streiks und Proteste gegen die Rentenreform zugespitzt. Gegner der Reform blockierten am Donnerstag einzelne Bahnhöfe, Straßen und auch einen Teil des Pariser Flughafens Charles-de-Gaulle, wie Medien berichteten. Die Stimmung bei Protesten in Bordeaux, Nantes und Rennes war demnach aufgeheizt. Auch in Paris setzte die Polizei bereits am Nachmittag Tränengas ein.

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Im südfranzösischen Bordeaux wurde ein Feuer am Eingangsbereich des Rathauses entfacht. Beschädigt wurde das Portal eines Säulengangs, das zum Vorhof des Rathauses führe, sagte eine Sprecherin der zuständigen Präfektur der Deutschen Presse-Agentur am Abend. Ein Mann sei festgenommen worden.

Demonstranten marschieren während einer Kundgebung in Paris.

Demonstranten marschieren während einer Kundgebung in Paris.

In Paris versammelten sich Zehntausende auf der Place de la Bastille. Viele schwenkten Gewerkschaftsflaggen und skandierten Parolen gegen Macron. In Rennes im Westen des Landes kam es zu Handgemengen, als die Polizei versuchte, die Demonstranten mit Wasserwerfern zu vertreiben.

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Innenminister Gérald Darmanin zufolge wurden mehr als 170 Menschen festgenommen. Knapp 150 Einsatzkräfte seien verletzt worden. Es habe Angriffe auf mehrere öffentliche Gebäude gegeben. „Diese Taten dürfen nicht unbestraft bleiben“, schrieb er auf Twitter. Premierministerin Élisabeth Borne nannte die Gewalt und Beschädigungen inakzeptabel.

Demonstranten stoßen in Lyon mit Polizisten zusammen.

Demonstranten stoßen in Lyon mit Polizisten zusammen.

Gewerkschaften sprechen von 3,5 Millionen Demonstranten

Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre und das Vorgehen der Mitte-Regierung unter Präsident Emmanuel Macron. 12.000 Polizisten und Gendarmen waren im Einsatz. Die Behörden sprachen von landesweit knapp 1,09 Millionen Demonstrantinnen und Demonstranten. Laut der Gewerkschaft CGT beteiligten sich 3,5 Millionen Menschen. Für Dienstag haben die Gewerkschaften zu neuen landesweiten Streiks und Protesten aufgerufen. Der britische König Charles III. soll dann zu Besuch in Frankreich sein.

Die Streik- und Protesttage waren wochenlang überwiegend friedlich verlaufen. In den vergangenen Tagen kam es bei spontanen Demonstrationen immer öfter zu Gewalt. „Wir wollen nicht-gewaltvolle Aktionen, die Güter und Menschen respektieren“, forderte Laurent Berger von der Gewerkschaft CFDT.

Demonstranten zündeten in Paris Barrikaden an.

Demonstranten zündeten in Paris Barrikaden an.

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Die Mitte-Regierung will mit der Reform eine drohende Lücke in der Rentenkasse schließen. Vor einer Woche verschärfte sich der Streit, weil sie den Text ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drückte. Am Montagabend scheiterten zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung. Die Reform ist damit verabschiedet. Sie liegt zur Prüfung beim Verfassungsrat. Wann dieser entscheidet, ist noch unklar. Macron will, dass die Reform bis zum Jahresende in Kraft tritt.

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen.

Macron verteidigt Reform

Macron hatte die umstrittene Reform noch am Vortag in einem Fernsehinterview verteidigt. Die Reform sei sehr schwierig. „Wir verlangen von den Menschen eine Anstrengung. Das ist nie beliebt.“ Er fragte: „Denken Sie, es macht mir Spaß, diese Reform zu machen?“ und antwortete: „Nein“. Aber: „Zwischen den Umfragen und der Kurzfristigkeit und dem allgemeinen Interesse des Landes entscheide ich mich für das allgemeine Interesse des Landes.“ Für seinen Auftritt erntete Macron harsche Kritik von der Opposition und den Gewerkschaften. Der Streit um die Reform hat die Regierung und Macron geschwächt. Eines der Misstrauensvoten überlebte die Regierung nur knapp. Ihr Durchgreifen wurde als Zeichen der Schwäche gewertet.

Durch die Streiks fielen am Donnerstag erneut Züge und Flüge aus. Gymnasien und Universitäten waren teils versperrt. Wegen der fortlaufenden Blockade von Öldepots fehlte laut Sender BFMTV an 15 Prozent der Tankstellen in Frankreich mindestens ein Kraftstoff.

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Unterstützung für den Protest kam auch aus Deutschland. Die Linken-Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler beteiligten sich an der Demonstration in Paris. „Jede Anhebung des Rentenalters geht zu Lasten derer, die schwer arbeiten“, sagte Schirdewan. „Das ist in Frankreich genauso wie in Deutschland.“ Wissler sagte: „Der soziale Kahlschlag macht eben nicht vor der Grenze halt, deshalb ist Widerstand nötig.“ Dies gelte im Parlament und auf der Straße.

RND/dpa/AP/seb

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