Generalistische Pflegeausbildung: Sorgt die Reform von 2020 für Personalmangel auf Kinderstationen?
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Die Kinderkrankenschwester gilt für viele als unabdingbar. Trotzdem könnte der Beruf bald der Vergangenheit angehören.
© Quelle: Monkeybusinessimages/Getty Images/iStockphoto
Die Lage auf den Kinderstationen der Krankenhäuser ist dramatisch. Bereits im Dezember warnten Notfallmediziner, wegen Personalmangels können bundesweit 39,5 Prozent der Kinderintensivbetten nicht belegt werden. Es gibt zu wenig Kinderkrankenpflegende – und laut einer Petition auf der Plattform change.org wird sich der Mangel in den nächsten Jahren noch verschlimmern.
Schuld sei die Reform der Pflegeausbildung von 2020. Seit damals die Kinderkrankenpflegeausbildung durch die generalistische Pflegeausbildung ersetzt wurde, würden sich weniger Menschen für eine Ausbildung in der Kinderpflege entscheiden. Die Forderung: Die Reform müsse rückgängig gemacht werden. Mehr als 128.000 Menschen hatten sie Ende der Woche bereits unterzeichnet.
Generalistische Pflegeausbildung: Das bedeutet die Reform für die Kinderkrankenpflege
„Hinsichtlich der pflegerischen Versorgung von Kindern in der Zukunft ist die Umstellung auf das Pflegeberufegesetz in der jetzigen Umsetzung sicherlich nicht förderlich“, sagt auch Birgit Pätzmann-Sietas, Vorstandsmitglied beim Berufsverband Kinderkrankenpflege, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die Reform der Pflegeausbildung schaffte die Ausbildung zum/zur Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in ab. Stattdessen gibt es nun die generalistische Pflegeausbildung, die die Auszubildenden für alle Pflegeberufe qualifizieren soll. Wer in die Kinderkrankenpflege will, kann zusätzlich eine Vertiefung in der pädiatrischen Versorgung wählen. Außerdem haben die Azubis die Wahl, sich im dritten Lehrjahr auf die Versorgung von Kindern zu spezialisieren.
Es gibt bisher keine Statistik darüber, wie viele Azubis sich für diesen Weg entscheiden – somit lässt sich auch die Aussage der Petition nicht belegen, dass es weniger seien als zuvor bei der Reform. „Wir bekommen aus unseren Häusern aber die Rückmeldung, dass sich weniger Azubis für die Vertiefung und auch für die Spezialisierung entscheiden“, bestätigt Alexandra Müller-Helm, Pflegekoordinatorin der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und -abteilungen in Deutschland (GKinD).
Den Grund dafür erklärt Pätzmann-Sietas so: Zu wenige Kliniken und Ausbildungsstätten bieten die Vertiefung und die Spezialisierung im Bereich der Kinderkrankenpflege überhaupt an. „In ganz Bayern ist nicht eine Schule, die diese Spezialisierung anbietet, in Berlin sind es nur wenige, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist das auch ein Problem.“
Viele Auszubildende scheinen außerdem nicht ausreichend über die Möglichkeiten informiert zu sein, die die generalistische Pflegeausbildung biete, erklärt Müller-Helm. Hinzu kommen persönliche Gründe der Anwärterinnen und Anwärter. „Wer mit Kindern arbeiten möchte, der möchte mit Kindern arbeiten. Der möchte nicht generalistisch qualifiziert sein, heute in der Altenpflege und morgen bei den Kindern eingesetzt sein, je nachdem, wie der Träger es gerade braucht“, sagt Verbandsvorständin Pätzmann-Sietas. Viele würden sich aus diesem Grund stattdessen für andere kinderaffine Berufe entscheiden, sagt auch Alexandra Müller-Helm.
Pflegeratspräsidentin: Es gab „keine Alternative“
Eine weitere Schwachstelle der Reform: Laut dem Berufsverband kommt der Abschluss der generalistischen Pflegeausbildung nur dann der ursprünglichen Kinderkrankenpflegeausbildung gleich, wenn sowohl Vertiefung als auch Spezialisierung gewählt wurden. Generalisten und auch vertieft Ausgebildete seien damit schlicht nicht vergleichbar – und für die pflegerische Ausbildung von Kindern nicht ausreichend qualifiziert. Trotzdem können auch sie am Ende in der Kinderkrankenpflege arbeiten. „Diese Entscheidung entstand aus der leider falschen politischen Meinung, dass Kinder lediglich kleinere Erwachsene sind und deren medizinische Versorgung sich nicht wesentlich von der Erwachsenenkrankenpflege unterscheidet“, prangert die Petition an.
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, sagte der Nachrichtenagentur KNA Anfang Januar, man habe hinsichtlich der generalistischen Pflegeausbildung „keine Alternative“ gehabt. In ihren Augen sei die Reform gelungen, es müssten nur weitere Schritte bei Aus- und Weiterbildung folgen. Eine Rückkehr zur Kinderkrankenpflegeausbildung, wie die Petition sie fordert, wäre in den Augen von Pätzmann-Sietas auch gar nicht notwendig. Das Problem sei nicht das Pflegeberufegesetz, sondern dessen mangelhafte Umsetzung: Die Kinderkrankenpflegerausbildung sei bei korrekter und ausreichender Umsetzung der Spezialisierung im Pflegeberufegesetz enthalten. „Aber wir müssen in allen Bundesländern ausreichend Kinderkrankenpflegende mit den richtigen Abschlüssen ausbilden“, so Pätzmann-Sietas. „Und das ist für mich eigentlich das, was durch die Petition gefordert wird. Sie zeigt zumindest auf, dass wir ein großes Problem haben.“