Gericht weist Schröder-Klage ab: Altkanzler bekommt Büro und Mitarbeiter nicht zurück
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Ehemalige Kanzler und Bundespräsidenten erhalten nach Ende ihrer Amtszeit ein Büro. SPD-Politiker Gerhard Schröder, der wegen seiner engen Verbindungen nach Russland in der Kritik steht, sind solche Privilegien entzogen worden. Nun hat ein Gericht entschieden.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Gegen 15.20 Uhr ergeht am Donnerstagnachmittag im Namen des Volkes folgendes Urteil am Berliner Verwaltungsgericht: Die Klage des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) gegen die Bundesrepublik Deutschland wird abgewiesen. Schröder hat auch weiterhin keinen Anspruch auf ein Büro und dazugehöriges Personal im deutschen Bundestag. Diese Entscheidung hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags im Mai 2022 getroffen. Schröder hatte im August Klage dagegen eingereicht. Er wollte seine Privilegien zurück. Nun ist der Ex-Kanzler zumindest vorerst gescheitert – eine Berufung gegen das Urteil ist möglich.
Schröders Scheitern hat unter anderem damit zu tun, dass er die Falschen verklagt hat, wie die Vorsitzende Richterin, die Präsidentin des Berliner Verwaltungsgerichts, Erna Viktoria Xalter, in ihrer Urteilsbegründung ausführt. Seine Klage richtete sich gegen das Bundeskanzleramt. Die Büros von Altkanzlern und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dem Kanzleramt organisatorisch zugeordnet. Das Amt übt auch die Dienst- und Fachaufsicht über die Altkanzlerbüros aus. Die Räume selbst stellen jedoch die Bundestagsfraktionen zur Verfügung. Schröder hätte also gegen die SPD-Fraktion klagen müssen.
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Und auch in Personalfragen ist das Kanzleramt nach Auffassung des Gerichts die falsche Beklagte: Schließlich liege die Hoheit über die Finanzierung der Stellen beim Bundestag. Über den Beschluss des Bundestags-Haushaltsausschusses kann sich das Kanzleramt deshalb gar nicht hinwegsetzen.
Schröders Anwälte bemühten das Grundgesetz
Das Gericht sieht außerdem keinen Rechtsanspruch auf ein Altkanzlerbüro, der sich daraus ergeben würde, dass ehemaligen Regierungschefs dieses Privileg seit mehreren Jahrzehnten eingeräumt wurde. Auf ein solches Gewohnheitsrecht hatten Schröders Anwälte gepocht. Kurzum: Nur weil das schon immer so gemacht wurde, muss es nicht weiterhin geschehen. Das liege im Ermessen des Bundestages, der eine verfassungsmäßig garantierte Budgethoheit habe, erklärte das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Schröders Anwälte hatten sogar das Grundgesetz bemüht: Die Streichung des Büros verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 GG. Schließlich hätten alle aus dem Amt geschiedenen Bundeskanzler ein Büro auf Lebenszeit erhalten – unabhängig davon, ob sie tatsächlich „fortwirkende Aufgaben“ aus ihrem Amt wahrgenommen hätten. Das Gericht sieht auch das anders: Die Ausstattung mit einem Büro erfolge ausschließlich im öffentlichen Interesse und sei keine Begünstigung der Altkanzler. Deshalb würde durch die Streichung auch kein grundgesetzlich geschütztes Interesse Schröders verletzt.
Altkanzler Schröder darf trotz Nähe zu Putin SPD-Mitglied bleiben
Ein Schiedsgericht der Partei hat den Antrag mehrerer Parteigliederungen, Schröder aus der SPD zu werfen, auch in zweiter Instanz abgelehnt.
© Quelle: dpa
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte seine Entscheidung zur „Ruhendstellung“ des Altkanzlerbüros im Mai 2022 damit begründet, dass Schröder keine „fortwirkenden Aufgaben“ aus seinem früheren Amt mehr wahrnehme und deshalb auch keinen Anspruch mehr auf Büro und Personal habe. Schröder bestreitet das.
Legt Schröder Berufung ein?
Die Entscheidung stand allerdings auch im Zusammenhang mit der öffentlichen Debatte über die langjährige Russland-Nähe Schröders – auch wenn das offiziell nicht zur Erklärung für den Vorgang herangezogen wurde. Dass Schröders Freundschaft zu Putin, seine Nähe zu dessen Regime und der Krieg in der Ukraine trotzdem etwas mit der Streichung der Privilegien des Altkanzlers könnte zu tun haben, sieht allerdings offenbar auch Verwaltungsrichterin Xalter: „Was ist eigentlich mit dem Ukraine-Krieg und der Nähe des Klägers zu Putin?“, fragt sie in Richtung der Anwälte des Kanzleramts. Was wirklich der Grund für die Entscheidung im Bundestag war, vermag der aber nicht zu beantworten: „Das müssen Sie den Haushaltsausschuss fragen“, entgegnet Rechtsanwalt Wolfram Hertel.
Der zweite Senat des Berliner Verwaltungsgerichts schafft mit seinem Urteil vorläufige Klarheit – vorbehaltlich einer möglichen Berufung durch Schröders Anwälte. Das Verfahren war allerdings alles andere als gewöhnlich. Nicht nur weil zunächst geklärt werden musste, ob sich Schröders Klage überhaupt gegen die Richtigen wendet. Das Gericht betrat teilweise völlig neues Terrain: Die Ausstattung von Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern nach dem Ausscheiden aus dem Amt ist nicht in einem Gesetz geregelt, auf das das Gericht sich beziehen könnte, sondern folgt lediglich einer jahrzehntelangen Praxis. Auch gibt es kaum vergleichbare Fallkonstellationen, die das Gericht zum Vergleich heranziehen konnte. Und sowohl der Privilegienentzug durch den Haushaltsausschuss als auch eine Klage eines Altkanzlers gegen die Bundesrepublik hatte es zuvor noch nie gegeben.
Massive Kritik an Schröder wegen Verbindung zu Putin
Seit mehreren Jahrzehnten ist es üblich, dass ehemalige Bundeskanzler und Bundespräsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit ein Büro erhalten. Dies soll der Erledigung von Aufgaben dienen, die sich aus dem früheren Amt ergeben. Im Jahr 2021 hatten die Personalausgaben für das Büro des Altkanzlers die Staatskasse 407.000 Euro gekostet.
Schröder war von 1998 bis 2005 Kanzler und von 1999 bis 2004 Parteivorsitzender der SPD. Bevor ihm ein Teil der Sonderrechte entzogen worden war, hatte er wegen seiner Verbindungen zu Russland und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin massiv in der Kritik gestanden – auch in der eigenen Partei. Mehrere seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ihre Posten bereits aufgegeben. In dem vom Haushaltsausschuss beschlossenen Antrag waren Schröders Verbindungen zu russischen Konzernen oder Putin aber nicht genannt worden.
Das von Schröder beauftragte Anwaltsbüro hatte nach Einreichung der Klage argumentiert, der Beschluss sei rechtswidrig. Es werde „behauptet, Herr Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder nehme die sog. ‚nachwirkenden Dienstpflichten‘ nicht mehr wahr“. Dabei werde „aber nicht festgelegt, was ‚nachwirkende Dienstpflichten‘ überhaupt sind, wie ihre Wahr- bzw. Nichtwahrnehmung zu ermitteln ist und welches Procedere es im Übrigen dabei einzuhalten gilt“, hieß es in der Erklärung weiter.
Schröder war nach seiner Abwahl als Regierungschef viele Jahre für russische Energiekonzerne tätig und gilt bis heute als enger Freund Putins. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn und dann erneut im Juli 2022 hatte sich Schröder in Moskau mit Putin getroffen. Russland sei daran interessiert, den Krieg zu beenden, sagte er danach jeweils.
Vielen in der SPD sind Schröders Russland-Verbindungen ein Dorn im Auge. Die Parteispitze hat Schröder schon vor Monaten für politisch isoliert erklärt. Seit Monaten läuft ein Verfahren um einen möglichen Parteiausschluss Schröders. Ins Rollen gebracht wurde es von 17 SPD-Gliederungen. Der SPD-Unterbezirk Region Hannover entschied jedoch im Sommer 2022 in erster Instanz, dass Schröder nicht gegen die Parteiordnung verstoßen habe.
Dagegen legten sieben SPD-Gliederungen Berufung ein, die im März von der Schiedskommission des Bezirks Hannover zurückgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung zogen dann noch die beiden Ortsvereine Leutenbach (Baden-Württemberg) und Leipzig Ost/Nordost (Sachsen) vor die Bundesschiedskommission. Deren Entscheidung, ob die Berufung zugelassen wird, steht noch aus.