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ARD-Talksendung

„Hart aber fair“: Bei Scholz’ AKW-Entscheidung „war schon viel Theaterdonner dabei“

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt.

Das Kanzlermachtwort zur AKW-Frage beschäftigt am Montagabend die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ARD-Talksendung „Hart aber fair“. Zweieinhalb Stunden vor Sendungsbeginn schuf Bundeskanzler Olaf Scholz Fakten im Koalitionsstreit: Alle drei Meiler sollen bis Mitte April 2023 im Streckbetrieb bleiben. Die Atomfrage gab dabei nur den Startschuss für die Diskussion zur Frage: „Warten auf die Preisbremse: Wie lange steigen die Kosten für Strom und Gas noch weiter?“

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Die Gäste

Für Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestags, ist nach der Scholz-Entscheidung weiterhin klar: „Es wird keine neuen Brennstäbe geben“, am 15. April 2023 soll definitiv Schluss mit Atomenergie sein. Sie kündigte beim Thema Energiepreise zudem Entlastung für Unternehmen in Form von Darlehen an: „In diese Richtung wird es gehen“.

„Hätte, hätte, Fahrradkette“, urteilt der Ökonom Jens Südekum nicht nur einmal während der Sendung. Er berät als Wissenschaftler Robert Habecks Wirtschafsministerium und ist überzeugt: Die reale Bedeutung der AKW-Frage sei viel kleiner, als sie in den letzten Wochen dargestellt wurde. Und mit der Ausarbeitung der Energiepreisbremse hätte man eher beginnen sollen – nun gehen Zahlungen eben auch an Villenbesitzer. „Das ist ein bisschen schade“, so sein Fazit.

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Noch kein Schmierentheater war der AKW-Streit mit großem Finale für Eva Quadbeck, Leiterin des Hauptstadtbüros des RedaktionsNetzwerks Deutschlands (RND). Aber: „Es war schon viel Theaterdonner dabei“, so wie Scholz seinen Dolch aus dem Gewand gezogen und „Richtlinienkompetenz!“ gerufen habe. Die Journalistin schließt nicht aus, dass die Regierungsparteien zuvor gehofft hatten, dass der Kanzler so den „Knoten durchschlägt“.

„Es kann nicht sein, dass der Kanzler sein schärftes Schwert zieht und nur ein fauler Kompromiss herauskommt“, sagte Thorsten Frei und knüpfte an die Kampfrhetorik an. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht mit der AKW-Entscheidung die „europäische Solidarität mit Füßen getreten“. Die Gaspreisbremse ist für ihn wiederum das richtige Instrument, käme aber zu spät: „Das ist so, als würde man die Winterreifen erst im Frühjahr aufziehen.“

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Für seine drei Restaurants im Ruhrgebiet muss der Gastronom Antonio Link demnächst viel höhere Gas- und Strompreise zahlen. Der Familienvater fordert von der Bundesregierung gezielte Entlastung für kleinere Unternehmen, am besten in Form von günstigen Darlehen. Ob Energiekrise oder zuletzt der Atomkraftstreit: „Da schwindet mehr und mehr das Vertrauen in die Regierung“, hält Link den Politikern der Runde den Spiegel vor.

Zum Abschluss des Talks fragt Moderator Frank Plasberg Frank Umbach, Experte für Energiesicherheit, nach der Gefahr durch Sabotage kritischer Infrastruktur. Der Politikwissenschaftler kann sich durchaus vorstellen, dass Angreifer dem Westen signalisieren wollen, wie verwundbar dieser ist. „Wir sollten eigentlich etwas gelernt haben“, sagt er mit Blick auf vergangene Vorfälle und fordert: „Wir brauchen eine andere Sicherheitskultur.“

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Die Streithähne des Abends

Wer ist Schuld an der misslichen Lage? Darüber diskutieren Göring-Eckardt und Frei scharf. „Hier ist wirklich viel Zeit verplempert worden“ sagt der Unionspolitiker mit Blick auf die Gaspreisbremse und will wissen, warum die nicht schon ab Januar gilt. „Das kann ich Ihnen nicht durchgehen lassen, Herr Frei“, entgegnet die Grünen-Politikerin und stellt die Gegenfrage: „Warum sind wir denn in dieser fossiler Sucht gelandet?“ Das sei Freis Regierungsverantwortung gewesen. Statt die erneuerbaren Energien auszubauen, habe man sich von Putin und anderen Autokraten abhängig gemacht.

Frei kontert: Nord Stream 2 habe Rot-Grün beschlossen, und für Nord Stream 1 habe sich Altkanzler Gerhard Schröder eingesetzt. Plasberg setzt dem Streit schließlich ein Ende: „Gehen Sie ins Haus der Geschichte in Bonn“, da könnten die beiden weiterdiskutieren.

Der emotionalste Moment

Im Streit um die AKW-Laufzeiten sei es oft um rote Linien gegangen, bemerkte der Gastronom Link. „Meine rote Linie ist dann, wenn ich Gasheizungen ausschalte für meine Kinder“ sagt er. Gerade heize seine Familie nicht, daher sei er auch verschnupft. „Der Eiertanz hat endlich ein Ende“, kommentierte er erleichtert Scholz‘ Machtwort. Gegen die Energiekrise sei Corona „ein Pups“ gewesen, so der Restaurantinhaber.

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Das Zitat des Abends

„Die Richtlinienkompetenz ist ein Instrument, das man ein Mal in der Wahlperiode anwendet – und das ist hiermit vergeben“, sagt RND-Hauptstadtjournalistin Eva Quadbeck zum Kanzlermachtwort. Eigentlich werde es nicht wirklich angewandt, sondern man nutze es, um einen Kompromiss zu finden. Beim nächsten Mal werde sich Scholz etwas anderes einfallen lassen müssen.

Das Fazit

Viel Konjunktiv, die üblichen Argumente und ein wenig Schwert-und-Dolch-Rhetorik: Während der Sendung wird deutlich, dass mit Scholz‘ abendlicher AKW-Entscheidung die Wogen im Berliner Regierungsviertel alles andere als geglättet sein dürften. Gastronom Link holt die Politiker dabei immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Nicht nur der „Eiertanz“ um die Atomkraftwerke habe die Glaubwürdigkeit der Regierung untergraben, auch offene Fragen bei der Energiepreisbremse ließen die Menschen weiter skeptisch-distanziert auf das anhaltende Ampeltheater blicken.

Die Sabotagegefahr geht als Schlusspunkt der Sendung fast ein wenig unter – zu Umbachs unheilvollen Szenarien hätte es sicher einigen Gesprächsbedarf gegeben.

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