Regierung dringt auf Umsetzung

Irak will striktes Alkoholverbot durchsetzen – Bürgerrechtsaktivisten schlagen Alarm

Noch können Menschen in Läden im Irak Alkohol kaufen.

Noch können Menschen in Läden im Irak Alkohol kaufen.

Bagdad. Einfuhr, Verkauf und Herstellung von Alkohol gesetzlich zu verbieten, das hat der Irak schon vor vielen Jahren beschlossen. Dann lag das Gesetz praktisch auf Eis. Die neue Regierung macht nun aber ernst. Sie dringt auf Umsetzung der Vorschriften und greift dabei hart durch – ebenso wie bei der Kontrolle der sozialen Medien. Bürgerrechtsaktivisten schlagen Alarm.

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Das Alkoholgesetz wurde im vergangenen Monat im Amtsblatt veröffentlicht und gilt seither als durchsetzbar. Die ersten Schritte sind schon getan: Vor einer Woche wiesen nun die Zollbehörden die Grenzschützer an, keinen Alkohol mehr ins Land zu lassen. Derzeit wird der zwar noch in vielen Läden verkauft, doch scheint der Nachschub zu stocken. Und die Verknappung des Angebots treibt die Preise in die Höhe. „Es gibt Importware an den Grenzen im Wert von zig Millionen Dollar, die nicht eingeführt werden darf“, sagt der Geschäftsmann Ghaswan Isso, der in Mossul den beliebten Anisschnaps Arak produziert. Lediglich in der Kurdenregion im Norden des Landes wird das Einfuhrverbot nicht durchgesetzt.

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„Das Gesetz ist eine Einschränkung der Freiheiten“

Isso selbst hat in seinen Lagern Waren aus seiner Fabrik im Wert von drei Millionen Dollar, die er sich nicht mehr auf den Markt zu geben wagt. Auch wenn noch nicht klar ist, wie und wann das Verkaufsverbot durchgesetzt wird, so traut Isso der Sache nicht. Er schicke seine Lastwagen nicht von der Produktionsstätte in Mossul zu seinen Läden in Bagdad, weil er befürchte, dass der Transport angehalten werde, sagt er.

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Nicht nur geschäftlich sieht er bedrohliche Folgen der Vorschriften. „Das Gesetz ist eine Einschränkung der Freiheiten“, sagt er. Und es sei ein Schlag für das multikonfessionelle soziale Gefüge im Irak. Dadurch könnten noch mehr Nicht-Muslime zum Auswandern gedrängt werden, meint Isso. Die Mehrzahl der 40 Millionen Einwohner im Irak gehört dem muslimischen Glauben an, in dem Alkohol an sich verboten ist. Von religiösen Minderheiten wie den Christen wird Alkohol hingegen auch in Glaubenspraktiken genutzt.

Christlicher Ex-Abgeordneter: Alkohol wird genauso verkauft wie illegale Drogen

Die Umsetzung des Gesetzes könne ein Versuch von Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani sein, politische Herausforderer aus dem religiös-konservativen Lager abzuwehren und von wirtschaftlichen Problemen des Landes abzulenken, erklären Beobachter. Der christliche Ex-Abgeordnete Joseph Sliwa macht Hardliner innerhalb der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften für die aktuelle Durchsetzung des lange schlummernden Gesetzes verantwortlich und fürchtet, dass das Verbot Bestechung und Korruption zunehmen lässt. „Alkohol wird so genauso verkauft wie illegale Drogen“, sagt auch Geschäftsmann Isso.

Irak: Haftstrafen wegen „anstößiger“ Inhalte in den Sozialen Medien

Der Anti-Alkohol-Vorstoß folgt auf ein Durchgreifen gegen „anstößige“ Inhalte in den Sozialen Medien. Im Januar setzte das Innenministerium einen Ausschuss ein zur Untersuchung von Berichten über solche Inhalte. Außerdem richtete es eine Website für öffentliche Beschwerden dazu ein, auf der Zehntausende Meldungen einliefen. Einen Monat später meldeten die Justizbehörden, dass mehr als ein Dutzend Personen wegen der Veröffentlichung als unmoralisch eingestufter Inhalte angeklagt worden seien. Mehrere seien zu Haftstrafen verurteilt worden.

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Ins Visier der Ankläger waren Musikvideos, Comedy und Satire-Sketche oder sarkastische Kommentare geraten. Zu sehen und hören waren dort beispielsweise als provokant empfundene Tanzschritte oder deftige Ausdrücke, oder die Veröffentlichungen sprachen sensible soziale Themen wie die Beziehung zwischen den Geschlechtern an.

Protest gegen das Durchgreifen der Behörden kam von Menschenrechtsgruppen aus dem In- und Ausland. „Die Iraker sollten sich frei äußern können“, betonten Amnesty International und Human Rights Watch in einer gemeinsamen Erklärung, „sei es, um Witze zu machen oder Satire zu betreiben, Behörden zu kritisieren oder zur Verantwortung zu ziehen, über Politik oder religiöse Themen zu diskutieren, fröhliche Tänze zu teilen oder zum öffentlichen Austausch über sensible oder kontroverse Themen.“

RND/AP

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