Ein "historischer Durchbruch“?

Japan und Südkorea sind nun „Partner“ – nach Jahrzehnten der Spannungen

Nähern sich nach Jahrzehnten an: Japan und Südkorea.

Nähern sich nach Jahrzehnten an: Japan und Südkorea.

Peking. Manche Südkoreaner sprechen bereits von einem „historischen Durchbruch“, andere sehen eine „riesige Schande“. Zumindest lässt das Thema absolut niemanden kalt: Die konservative Regierung rund um Präsident Yoon Suk Yeol hat am Montag vorgeschlagen, eine Stiftung zur Entschädigung ehemaliger koreanischer Zwangsarbeiter einzurichten, die während des Zweiten Weltkriegs von japanischen Unternehmen ausgebeutet wurden. Südkoreas Außenminister sprach voller Pathos von einem „neuen und historischen Fenster für eine gemeinsame Zukunft jenseits von Konflikt und Hass zwischen Korea und Japan“.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Tatsächlich mag das Zugeständnis aus Seoul symbolisch erscheinen, schließlich handelt es sich mittlerweile nur mehr um 15 Überlebende, die nun Kompensationszahlungen von vorwiegend südkoreanischen Firmen erhalten werden. Doch der historische Zwist mit Japan ist derart emotional aufgeladen, dass er das Land zutiefst spaltet: Von der linksgerichteten Oppositionspartei hagelte es extrem harsche Kritik, die mitunter unter die rhetorische Gürtellinie ging. Parteichef Lee Jae Jae Myung bezeichnete Yoons Vorstoß etwa als „größten Schandfleck in der Geschichte der Diplomatie“.

Vom Aggressor zum Partner

US-Präsident Joe Biden hingegen begrüßte die Annäherung der zwei Nachbarstaaten, die bereits zuvor am 1. März durch eine aufsehenerregende Rede Yoon Suk Yeols eingeleitet wurde. Darin sprach der 62-Jährige, dass man Japan nicht mehr als „Aggressor“ sehen würde, sondern sich der Nachbarstaat vielmehr zum „Partner“ entwickelt habe.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Jene Rhetorik könnte nun eine Annäherung der zwei demokratischen Nachbarstaaten bedeuten, die angesichts eines erstarkten Chinas allein aus pragmatischen Gründen Sinn macht. Insbesondere Südkorea wurde in der Vergangenheit drastisch von den wirtschaftlichen Vergeltungsschlägen aus Peking getroffen: Als das Land 2016 den Bau eines Raketenabwehrsystems des US-Militärs genehmigte, beschloss die Volksrepublik China quasi über Nacht, sämtliche chinesischen Gruppenreisen nach Südkorea auf Eis zu legen und den kulturellen Austausch zu suspendieren. Die versteckten Sanktionen sorgten für einen finanziellen Schaden, der im zweistelligen Milliardenbereich liegt.

Es gäbe also viele Gründe, warum Seoul und Tokio enger kooperieren sollten – wäre da nicht die dunkle historische Vergangenheit der Japaner. Diese hatten die koreanische Halbinsel noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf teils brutale Weise kolonialisiert. Davon zeugen nicht zuletzt die euphemistisch als Trostfrauen bezeichneten Zwangsprostituierten, die vom japanischen Militär während des Zweiten Weltkriegs rekrutiert wurden. Ebenso grausam war der Umgang mit den damaligen Zwangsarbeitern.

USA und Südkorea wollen Militärmanöver ausbauen
13.01.2023, Südkorea, Paju: Soldaten der US-Armee steigen während einer gemeinsamen Militärübung mit südkoreanischen Streitkräften aus einem gepanzerten Fahrzeug. An der Übung war die «Army Tiger Demonstration Brigade» beteiligt, die geschaffen wurde, um die Integration und Nutzung von Industrie 4.0-Technologien durch die südkoreanische Armee zu unterstützen. Foto: Ahn Young-Joon/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Spannungen wegen des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms haben sich wieder deutlich verschärft.

„Chinas Gewaltanwendung eindämmen“

Der Groll der Südkoreaner bezieht sich darauf, dass die japanische Führung sich nicht deutlich genug zu ihrer historischen Schuld bekennt – und diese auch nicht angemessen entschädigt hat. Tokio verweist hingegen auf einen Grundlagenvertrag von 1965, der sämtliche Kompensationsansprüche nach einer einmaligen Zahlung von 500 Millionen Dollar abgegolten hatte.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Der Zwist ist vor allem deshalb kompliziert, weil die Frage nach internationalem Recht und moralischer Gerechtigkeit auseinanderliegen: Denn natürlich besitzt die Einigung von vor knapp 60 Jahren nach wie vor Gültigkeit, doch ist sie gleichzeitig hochproblematisch. Sie wurde schließlich unter der Herrschaft Park Chung-hees getroffen, einem einstigen Militärgeneral ohne demokratische Legitimierung. Südkorea befand sich damals wirtschaftlich wie politisch in einer krass unterlegenen Position: Um die für den Aufbau des Landes bitter benötigten Auslandsdevisen schnell zu beschaffen, verkaufte sich Seoul damals unter Wert. Die Gelder gelangten niemals zu den tatsächlichen Opfern der japanischen Gräuel.

Wie man mit der Geschichte umgehen soll, das entzweit seit jeher die politischen Lager: Die südkoreanische Linke prangert den Geschichtsrevisionismus der japanischen Regierung an, während die Konservativen vor allem nach vorne blicken und die Vergangenheit überwinden wollen. „Wir können die Konflikte nicht lösen oder eine angemessene Kooperationsbeziehung aufbauen, indem wir gegenüber Japan einfach nachgeben“, schreibt Journalist Jeong Nam-ku in einem Leitartikel für die linksgerichtete „Hankyoreh“. Doch gleichzeitig räumt der renommierte Journalist ein: „Unsere dringendste Herausforderung besteht darin, Chinas Gewaltanwendung einzudämmen. Dazu müssen wir mit Japan zusammenarbeiten“.


Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken