US-Experten sehen Russland hinter Staudammexplosion – massive Folgen befürchtet
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Rettungskräfte evakuieren eine ältere Frau und ihren Mann aus einem überfluteten Viertel in Cherson.
© Quelle: Evgeniy Maloletka/AP
Nach der Zerstörung des Staudamms wächst die Sorge vor den Folgen für die Bevölkerung in der Südukraine. Die ukrainischen Behörden schickten am Mittwoch Helferinnen und Helfer zur Rettung Hunderter Menschen, die auf Dächern festsaßen. Die Einsatzkräfte sollten überschwemmte Gebiete auch mit Trinkwasser versorgen.
Präsident Wolodymyr Selenskyj traf sich mit Beamten, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Er warnte vor einer zu erwartenden Umweltkatastrophe. In einem auf Youtube veröffentlichten Video sagte Selenskyj, es sei unmöglich vorherzusagen, wie viele der in den überfluteten Gebieten gelagerten Chemikalien und Ölprodukte in die Flüsse und das Meer gelangen würden.
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Das ukrainische Landwirtschaftsministerium zeigte sich ebenfalls alarmiert: „Die Felder im Süden der Ukraine können sich im nächsten Jahr in Wüsten verwandeln.“
Dauerhafte Schäden in der Landwirtschaft und der Trinkwasserversorgung sind sicher
Der Kachowka-Damm und der Stausee waren für die Frischwasser- und Bewässerungsversorgung der Südukraine von entscheidender Bedeutung. Schon jetzt ist klar, dass Zehntausende von Menschen kein Trinkwasser mehr haben, die Ernten ruiniert und die Weichen für einen langfristigen Strommangel gestellt sind.
Die Zerstörung werde „zu dauerhaften Schäden in der Landwirtschaft und bei der Trinkwasserversorgung führen“ und „ganze Gemeinden auslöschen“, sagte der Analyst Michael Kofman vom Center for Naval Analyses, einer US-Forschungsgruppe, im Gespräch der Sendung „PBS News Hour“.
In der von Moskau kontrollierten Stadt Oleschky sagte die 19-jährige Lera der Nachrichtenagentur AP, dass der erste Stock ihres Hauses überflutet worden sei. „Alles um uns herum schwimmt. Die Menschen stehen auf den Dächern und bitten um Hilfe, aber niemand evakuiert sie“, schilderte Lera, die ihren Nachnamen aus Angst vor Repressalien nicht nennen wollte.
Die meisten russischen Truppen seien kurz nach dem Dammbruch aus Oleschky geflohen. Es gebe jedoch noch einen militärischen Kontrollpunkt. Boote mit Menschen, die versuchten, die Stadt zu verlassen, seien unter Beschuss von Soldaten geraten. Leras Aussagen konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Nach Bruch des Kachowka-Staudamms: Hilfe aus Deutschland vom Technischen Hilfswerk
Einen Tag nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine kristallisiert sich das Ausmaß der Katastrophe langsam heraus.
© Quelle: Reuters
Putin erhebt Vorwürfe gegen die Ukraine
Warum der Damm brach, ist weiterhin unklar. Einige Expertinnen und Experten vermuteten Kriegsschäden, während andere argumentierten, dass Russland den Damm aus militärischen Gründen zerstört haben könnte. Was auch immer der konkrete Grund sei, „Russland ist verantwortlich, entweder durch sein Handeln oder durch die Tatsache, dass es den Damm kontrolliert hat“, sagte Analyst Kofman.
In seinen ersten öffentlichen Äußerungen zu der Katastrophe wiederholte der russische Präsident Wladimir Putin den Standpunkt Moskaus, dass die Ukraine für die Zerstörung des Kachowka-Damms verantwortlich sei. In einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan warf Putin Kiew vor, „Kriegsverbrechen zu begehen, offen terroristische Methoden anzuwenden und Sabotageakte auf russischem Territorium zu inszenieren“, wie der Kreml in seinem Bericht über das Telefonat mitteilte.
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„Es tut sich etwas an der Südfront“
Russland spricht von einer gescheiterten „Großoffensive“ der Ukraine südlich von Donezk. Geolokalisierte Bilder und Videos bestätigen zwar Kämpfe, doch Militärexperten sehen dort noch keine ukrainische Großoffensive. Bleibt am Ende nicht viel mehr als russische Propaganda?
Washingtoner Denkfabrik sieht Russland hinter der Explosion
Es war unklar, wie sich die Zerstörung auf den Krieg und die Gegenoffensive der Ukraine gegen die russischen Truppen auswirken wird. Kofman sagte, er glaube nicht, dass der Dammbruch „die militärischen Aussichten der Ukraine für ihre Offensive in diesem Sommer wesentlich beeinflussen wird“.
Wenn man sich die Situation entlang des Flusses Dnipro ansehe, „wird das Hochwasser einerseits die Verteidigungsanlagen beschädigen, die das russische Militär entlang des Flussufers errichtet hat“. Indessen „wird es eine ukrainische Operation auf der anderen Flussseite äußerst schwierig machen“.
Das Institute for the Study of War, eine Washingtoner Denkfabrik, gab die Einschätzung ab, Russland habe „ein größeres und deutlicheres Interesse daran, den unteren Dnipro zu überfluten, trotz der Schäden an seinen eigenen vorbereiteten Verteidigungspositionen“.
RND/AP