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Staat in der Vermittlerrolle

Katar weitet Einfluss im krisengeschüttelten Libanon aus

Proteste vor der libanesischen Zentralbank Ende Januar 2023. Libanons Wirtschaft liegt bereits seit 2019 am Boden.

Proteste vor der libanesischen Zentralbank Ende Januar 2023. Libanons Wirtschaft liegt bereits seit 2019 am Boden.

Beirut. Die meisten reichen arabischen Golfstaaten sind in den vergangenen Jahren dem Beispiel Saudi-Arabiens gefolgt und haben dem Libanon die kalte Schulter gezeigt - wegen des wachsenden Gewichtes der vom Iran gestützten militanten Gruppe Hisbollah im Land. Katar ist eine Ausnahme. Es hat in aller Stille seinen Einfluss im Libanon ausgebaut, weiter Führungspersonen aus Beirut empfangen und angesichts des katastrophalen Zusammenbruches der Wirtschaft Dutzende Millionen Dollar zur Unterstützung der libanesischen Streitkräfte ausgegeben.

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Ende Januar hat die kleine gasreiche Golfnation die ersten Früchte ihrer Investitionen geerntet. Das staatseigene Unternehmen Katar Energy ersetzte eine russische Firma in einem internationalen Konsortium, das im Mittelmeer vor der libanesischen Küste nach Gas forscht. Und am (heutigen) Montag wird Katar zum ersten Mal an einem Treffen in Paris mit Vertretern Frankreichs, Saudi-Arabiens und der USA teilnehmen, in dessen Mittelpunkt die politische und wirtschaftliche Krise im Libanon steht.

Katar nimmt Vermittlerrolle ein

Katar porträtiert sich selbst als eine neutralere Kraft in einem Land mit starken religiös bedingten Spaltungen, die Mächte von außen seit Jahrzehnten genutzt haben, um ihre Stellvertreterkämpfe auszutragen. So hat Saudi-Arabien Libanons sunnitisch-muslimische Gruppen unterstützt und versucht, Irans Einfluss durch die schiitische Hisbollah zu unterbinden. Die Rivalität brachte den Libanon wiederholt an den Rand eines bewaffneten Konflikts.

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Katar hat gute Verbindungen zum Iran und versucht, Verhandlungen zwischen Teheran und Golfstaaten zu fördern. Dass es in die Pariser Gespräche einbezogen wird, „ist ein Signal, dass der Iran nicht völlig bei dem diesem Treffen außen vor bleibt, und es trägt dem Einfluss Rechnung, den der Iran auf den Libanon hat“, sagt Mohammad Bazzi vom Hagop-Kevorkian-Zentrum für nahöstliche Studien an der New York University.

Katar versuche, seine Vermittlerrolle im Libanon wiederzubeleben, sagt der Professor mit Blick auf das so genannte Doha-Abkommen von 2008. Er sieht aber bislang wenig Anzeichen dafür, dass der Golfstaat bereit ist, dem Land im Alleingang finanziell aus der Klemme zu helfen.

Libanons Wirtschaft ist seit Ende 2019 am Boden, zusammengebrochen unter dem Gewicht verbreiteter Korruption und Misswirtschaft. Die Landeswährung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren, der größte Teil der Bevölkerung ist in die Armut abgesunken. Internationale Geber, darunter Katar, verknüpfen die Freigabe von rund elf Milliarden Dollar an Krediten und Subventionen mit der Forderung, dass die Regierung Reformen durchführt. Aber Libanons Politiker sind abgeneigt, weil Reformmaßnahmen ihre Position im Land schwächen würden.

Bereits in der Vergangenheit Unterstützung durch Katar

Katars Engagement im Libanon ist nicht neu. Nach dem 34-Tage-Krieg zwischen Israel und der Hisbollah 2006 half es beim Wiederaufbau mehrerer Städte und Dörfer im Süden des Landes. Im Mai 2008, nach den Kämpfen zwischen der Hisbollah und ihren vom Westen gestützten Rivalen - den schlimmsten in Beirut seit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 - flogen die führenden libanesischen Politiker nach Katar. Das dort erzielte „Doha-Abkommen“ beendete einen 18-monatigen völligen Stillstand und führte zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten sowie der Bildung einer neuen Regierung. Massive ausländische Investitionen flossen ins Land, und Libanons Wirtschaft wuchs drei Jahre lang durchschnittlich um 9 Prozent.

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Saudi-Arabien hat sich in den jüngsten Jahren im Zuge der wachsenden Macht der Hisbollah zurückgezogen. 2022 verkündete Riads Hauptverbündeter im Libanon, Ex-Ministerpräsident Saad Hariri, der sowohl libanesischer als auch saudischer Staatsbürger ist, seinen Rückzug aus dem politischen Leben. 2020 stoppte Riad Importe libanesischer Produkte, nachdem ein libanesischer Minister die von Saudi-Arabien geführte militärische Intervention im Jemen kritisiert hatte.

Mehrere andere Golfstaaten folgten dem Schritt, aber Katar nicht. Vielmehr verstärkte das Land, eines der reichsten der Welt, seine Investitionen im Libanon. Es gibt Berichte, nach denen Doha Geld in den schwer angeschlagenen libanesischen Bankensektor pumpen will, um einen der Kreditgeber des Landes zu kaufen. Im vergangenen Juni hat Katar 60 Millionen Dollar zur Stützung der Gehälter für libanesische Militärangehörige gespendet, zusätzlich zu monatlichen Nahrungsmittel-Lieferungen für die Streitkräfte.

Vor rund einer Woche schließlich unterzeichneten Katars Energieminister Saad Scherida al-Kaabi und libanesische Vertreter in Beirut eine Vereinbarung, nach der das Emirat einen 30-prozentigen Anteil an einem Konsortium für Öl- und Gassuche in libanesischen Gewässern übernimmt. „Diese wichtige Vereinbarung gibt uns in Katar eine Gelegenheit, wirtschaftliche Entwicklungen im Libanon während dieser kritischen Wendung zu unterstützen, sagte Al-Kaabi. „Katar ist stets präsent, um eine bessere Zukunft für den Libanon und dessen Volk zu unterstützen.“

Der Vereinbarung zufolge übernimmt Katar Energy den 20-prozentigen Anteil, den Russlands Nowatek zuvor besaß, und zusätzlich je 5 Prozent vom italienischen Riesen Eni und Frankreichs TotalEnergies, was das arabische Unternehmen auf 30 Prozent bringt, während Eni und TotalEnergies jeweils 35 Prozent halten.

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Bisher Zurückhaltung bei politischer Unterstützung

Im politischen Bereich hat Katar bislang keine Partei öffentlich unterstützt, aber Berichten zufolge würde es gern Joseph Aoun, den derzeitigen Oberbefehlshaber der libanesischen Streitkräfte, als nächsten Präsidenten des Landes sehen. Die Amtszeit des bisherigen Staatsoberhauptes Michel Aoun - die Beiden sind nicht verwandt - ist Ende Oktober abgelaufen, aber die Wahl eines Nachfolgers bisher gescheitert. Der General reiste im Dezember auf Einladung nach Katar und traf dort hochrangige Offizielle.

Das Emirat sei - wie so häufig - bemüht, seine wirtschaftlichen und politischen Interessen zusammen voranzutreiben, sagt der libanesische Volkswirtschaftler Antoine Farah. Es stelle Einkünfte aus seinen Investitionen sicher und gewinne zugleich eine politische Rolle in dem Land, in dem es investiere.

RND/AP

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