Zu viel Zucker, Salz und Fett

Neues Werbeverbot geplant: Kinder sollen keine ungesunden Lebensmittel mehr gezeigt bekommen

Keine Werbung mehr für Süßes: Ein neuer Gesetzentwurf sieht vor, dass Kinder keine Werbung mehr für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett oder Salz sehen sollen.

Keine Werbung mehr für Süßes: Ein neuer Gesetzentwurf sieht vor, dass Kinder keine Werbung mehr für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett oder Salz sehen sollen.

Berlin. Ein Kind sieht jeden Tag durchschnittlich 15 Werbespots für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Salz und Fett. Das fördert eine ungesunde Lebensweise und soll bald der Vergangenheit angehören. Zumindest sieht das ein neuer Gesetzentwurf vor, den Bundesminister Cem Özdemir an diesem Montag in Berlin vorgestellt hat: Künftig soll sich Werbung für ungesunde Lebensmittel nicht mehr explizit an Kinder richten dürfen.

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Das heißt, es dürfen keine Kinder als Darsteller vorkommen und auch die Aufmachung darf nicht kindlich gestaltet sein. Diese Regelung gilt für alle für Kinder relevanten Medien – inklusive TV, Radio, Printmedien, Außenwerbung, Streamingdienste und soziale Netzwerke mit Influencermarketing sowie für Sponsoring. Werbungen für Lebensmittel mit zu hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt dürfen außerdem nicht mehr zwischen 6 und 23 Uhr im Fernsehen gesendet werden und auch nicht als Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kitas, Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen für Kinder hängen.

Werbeverbot für Ungesundes: Wie viel ist zu viel?

Die Beurteilung der Lebensmittel soll sich dabei an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren. Für Frühstückscerealien beispielsweise empfiehlt die WHO auf 100 Gramm maximal zehn Gramm Fett, 15 Gramm Zucker und 1,6 Gramm Salz. Produkte, die diese Werte einhalten, dürfen auch weiterhin an Kinder gerichtete Werbung schalten. Werden die Mengen jedoch überschritten, greift die Regulierung.

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Kontrollieren sollen das die Marktüberwachungsbehörden der Länder, die auch die sonstige Kennzeichnung von Lebensmitteln überwachen. Um das neue Werbeverbot kontrollieren zu können, erhalten die Behörden vom Bund besondere Rechte. In sozialen Netzwerken sollen jene zur Verantwortung gezogen werden, die die Werbung schalten – nicht jedoch die Betreiber der Netzwerke.

Was soll das Verbot von Werbung für Kinder bringen?

„Das Vorhaben ist ein Baustein im Kampf gegen Adipositas“, sagt Özdemir. Aktuell seien 6 Prozent der Kinder in Deutschland adipös und während der Corona-Pandemie sei die Zahl an übergewichtigen Kindern gestiegen. „Kinder können die Folgen von ungesunder Ernährung nicht einschätzen, und auch nicht jedes Kind hat ein Elternhaus, das sich ausreichend um die Ernährung kümmert“, sagt der Grünen-Politiker.

Cem Özdemir stellt Vorhaben für mehr Kinderschutz in der Werbung vor.

Cem Özdemir stellt Vorhaben für mehr Kinderschutz in der Werbung vor.

Der Minister hofft zudem, dass Unternehmen das Werbeverbot zum Anlass nehmen, Produkte so weiter­zuentwickeln, dass sie den Standards der WHO entsprechen. „1975 war Schluss mit Fernsehwerbung für Zigaretten, und ich bin mir sicher, dass wir in ein paar Jahrzehnten über dieses Thema genauso denken werden“, sagt Özdemir.

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Die Regulierung war bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen und wird nun über das übliche Gesetzgebungs­verfahren auf den Weg gebracht. Der zuständige Minister Özdemir sagt: „Ich gehe davon aus, dass die Vereinbarung von allen so ernst genommen wird wie von mir.“ Sollte das Gesetz in Kraft treten, ist eine Übergangsfrist von zwei Jahren vorgesehen. Jetzt schon vereinbarte Sponsorings wie etwa für die Fußball-Europameisterschaft 2024 könnten also eingehalten werden.

Zuvor hatte sich ein Bündnis aus Verbraucherschützern, Ernährungs- und Kinderschutzorganisationen sowie den größten deutschen Krankenkassen für ein Werbeverbot ausgesprochen. Die Verbraucherschutzzentrale fand zudem in einer Umfrage heraus, dass 85 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher so ein Vorhaben befürworten würden.

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Süßigkeiten- und Werbeindustrie kritisiert Gesetzentwurf

Kritik an dem Vorstoß kam aus der Süßwarenindustrie. Eine Sprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) sagte dazu auf RND-Anfrage: „Ohne Werbung lebt es sich nicht per se gesünder.“ Werbeverbote seien nach Einschätzung des BDSI nicht geeignet, um einen Beitrag „zur Lösung des gesamt­gesellschaftlichen Problems“ des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen und den damit verbundenen Folgekrankheiten zu leisten. Zum aktuell vorgestellten Vorschlag sagt der BDSI: „Die heute genannten Vorschläge sind nicht verhältnismäßig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich, denn einerseits existieren keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Werbeverboten auf die Entwicklung von kindlichem Übergewicht, andererseits greifen die Vorschläge in ihrer praktischen Auswirkung auch auf die Werbung insgesamt ein.“ Es handele sich um ein komplettes Werbeverbot für Süßwaren und weitere Lebens­mittel in der Zeit von 6 bis 23 Uhr – selbst für beispielsweise zuckerfreie Bonbons, da die WHO für diese Produkt­kategorien keine Werbung zulasse.

Auch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) kritisiert den Gesetzentwurf. „Hierfür gibt es jedoch keine tragfähige Grundlage. Weder politisch, noch rechtlich und auch ernährungs- beziehungsweise medien­wissenschaftlich. Lebensmittel sind nicht per se gesund oder ungesund“, sagt ZAW-Präsident Andreas F. Schubert. Werbungen seien nicht in der Lage, das Ernährungsverhalten von Kindern ungünstig in Richtung Übergewicht zu beherrschen. „Mit Werbeverboten wird die Lebens- und Ernährungsrealität in benachteiligten Familien, bei denen Adipositas überdurchschnittlich viel vorkommt, nicht nachhaltig verbessert“, heißt es im Statement der ZAW.

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