Newsletter „Klima-Check“

Klimakonferenz auf der Zielgeraden: zu viel Zoff, zu wenige Lösungen

Draußen Proteste, drinnen zähe Verhandlungen: Die COP27 geht in die Verlängerung.

Draußen Proteste, drinnen zähe Verhandlungen: Die COP27 geht in die Verlängerung.

Liebe Leserinnen und Leser,

der Solutions Day, der Tag der Lösungen, das ist bekanntlich der letzte Programmpunkt der Weltklimakonferenz (COP27). Und wie jedes Mal zeigt sich: Dass knapp 200 Staaten gemeinsame Lösungen finden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, ist beinahe unmöglich. Die Verhandlungen laufen – nicht überraschend – schleppend, sodass die Konferenz wieder in die Verlängerung geht. Die größten Knackpunkte: der Abschied von Öl und Gas und die Ausgleichszahlungen für ärmere Länder, die besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden.

Der erste Entwurf der Abschlusserklärung stellt Fachleute nicht zufrieden. Er sei zu lang, zu unkonkret und in sich widersprüchlich. „Es wäre absolut inakzeptabel, wenn am Ende einer zweiwöchigen Klimakonferenz inmitten des Klimakollaps maximal die Ergebnisse aus dem Vorjahr wiederholt würden“, betonte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Bei all den düsteren Prognosen müssten die Klimaanstrengungen der Länder eigentlich größer sein als jemals zuvor. Doch offenbar scheint das Gegenteil der Fall zu sein. „Natürlich kommt all das zu spät und zu langsam“, räumte Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock ein, die mein Kollege Steven Geyer zur COP27 begleitet hat. (+) Aber ohne diese Konferenzen käme es gar nicht.

Doch ein klares Klimaschutzsignal ist vom Weltklimagipfel wieder nicht zu erwarten. Dabei wäre es gerade in diesen geopolitisch schwierigen Zeiten wichtig gewesen, zu demonstrieren, dass man trotz aller Differenzen zumindest bei einer Krise an einem Strang zieht. Das bedeutet nicht nur, fossilen Energieträgern zu entsagen, um zu verhindern, dass sich die Erde durch die hohen CO₂-Emissionen weiter erwärmt, sondern auch die Artenvielfalt zu erhalten und weitere Umweltverschmutzungen zu reduzieren. Dazu gehören zum Beispiel die Einträge von Arzneimittelrückständen in Gewässer und Böden. Sie verschmutzen die Umwelt sogar noch stärker als CO₂, wie Forschende berichten. Wie genau, lesen Sie in unserem Faktencheck.

 

Faktencheck der Woche

Wie landen Medikamente in der Natur?

Zum einen werden jedes Jahr unzählige Arzneimittel einfach unachtsam in der Toilette oder der Spüle entsorgt. Auf diesem Weg gelangen sie ins Abwasser und somit in die Kläranlagen, von denen die meisten nicht in der Lage sind, Arzneimittelrückstände vollständig herauszufiltern. Über den Klärwasserablauf finden sie schließlich ihren Weg in die Oberflächengewässer wie Flüsse und Seen und damit in den natürlichen Wasserkreislauf. Zum anderen verwertet der menschliche Körper Pharmazeutika nicht komplett, sodass sie über Kot und Urin abgegeben werden und somit ebenfalls im Abwasser landen.

Der dritte und letzte Weg führt über die Tiere. Auch sie können Medikamente nicht vollständig abbauen und scheiden sie aus. Über Gülle und Mist sowie über die Abwässer gelangen die Arzneimittelrückstände dann vom Stall in die Umwelt.

Kühe stehen auf einem Feld.

Werden Tiere wie Kühe mit Arzneimitteln behandelt, scheiden sie diese wieder aus und setzen sie somit in der Natur frei.

Welche Arzneimittel kommen in der Umwelt vor?

Laut Umweltbundesamt wurden allein in Deutschland bisher mehr als 400 verschiedene Arzneimittelrückstände in der Umwelt gefunden, vor allem in Gewässern. Eines dieser Medikamente, auf das Forschende aufmerksam geworden sind, ist das Schmerzmittel Diclofenac. Aber auch Rückstände der Antibabypille, Antibiotika und das Diabetes-2-Mittel Metformin ließen sich nachweisen.

Sind Medikamente in der Umwelt ein Problem?

Die gemessenen Konzentrationen der Arzneimittelrückstände sind meist sehr gering. Häufig betragen sie zwischen 0,1 und einem Mikrogramm pro Liter, in seltenen Fällen aber auch mehrere Mikrogramm pro Liter. Doch selbst kleine Mengen wirken sich auf die Ökosysteme aus. Wie schädlich und langlebig sie sind, hängt dabei auch vom jeweiligen Medikament ab. Das Schmerzmittel Diclofenac löste in den 1990er Jahren beispielsweise ein Geiersterben in Indien und Pakistan aus. Von der Antibabypille ist wiederum bekannt, dass sie die Vermehrung von Fischen – selbst in niedrigen Konzentrationen – nachhaltig beeinträchtig.

Für einen Großteil der Arzneimittel sind die Auswirkungen jedoch völlig unklar.

Woran liegt das?

Grund dafür ist, dass nach der Zulassung der Pharmazeutika nicht erfasst wird, welche Langzeitwirkungen sie auf die Ökosysteme und ihre Bewohner haben. Für neu zuzulassende Medikamente müssen Arzneimittelhersteller inzwischen Unterlagen zur Umweltrisikobewertung vorlegen. Doch Mittel, die schon seit Jahrzehnten über die Apothekentische wandern, bleiben davon unberührt.

Wie lassen sich die Medikamente aus der Umwelt entfernen?

Zum einen müssen die Menschen, die Medikamente nutzen, aufgeklärt werden. Etwa darüber, wie abgelaufene Arzneimittel richtig entsorgt werden. Denn die Toilette oder die Spüle ist nicht der richtige Weg. „Fragen Sie in Ihrer Apotheke, wie das Arzneimittel zu entsorgen ist, wenn Sie es nicht mehr verwenden“, rät das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Alternativ können Medikamente auch im Restmüll entsorgt oder auf Recyclinghöfen abgegeben werden. Aber auch Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheke können das Problem verbessern, indem sie etwa darauf achten, Medikamente zu verschreiben, deren Schaden für die Umwelt geringer ist.

Abgelaufene Medikamente niemals in der Spüle oder der Toilette entsorgen, sondern im Hausmüll.

Abgelaufene Medikamente niemals in der Spüle oder der Toilette entsorgen, sondern im Hausmüll.

Auch die Wasserwirtschaft ist gefragt. Die EU-Kommission plant, bis zum 31. Dezember 2035 für bestimmte Kläranlagen eine vierte Reinigungsstufe zur Pflicht zu machen. Diese soll dann mit Hilfe von Ozon, UV-Licht oder Aktivkohle unter anderem Arzneimittelrückstände herausfiltern. Der Effekt dieser Maßnahme ist allerdings umstritten.

Umweltschützerinnen und -schützer fordern zudem, Arzneimittel grundsätzlich verschreibungspflichtig zu machen, sodass deren Verbrauch sinkt. Gleichzeitig sollten Umweltrisiken bei zulassungsrelevanten Nutzen-Risiko-Analysen eine entscheidende Rolle ­spielen. Aber das sehen die Hersteller kritisch – nicht zuletzt, weil es für sie höhere Kosten bedeuten würde. „Die Lösungen sind vorhanden, aber der tatsächliche Wille, sie anzugehen, vor allem vonseiten der Industrie, ist nicht vorhanden“, meint Ökologe Peter Manning von der norwegischen University of Bergen.

 

Infografik der Woche

Die Weltbevölkerung hat eine neue Rekordmarke erreicht: Seit Dienstag leben nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als acht Milliarden Menschen auf der Erde. (+) Was bedeutet das fürs Klima? Klar ist: Der Druck auf die endlichen ökologischen Ressourcen des Planeten steigt. Doch den Klimawandel allein auf das große Bevölkerungswachstum zurückzuführen, wäre zu einfach. Schließlich sind die Länder im globalen Süden, in denen die Geburtsraten sehr hoch sind, nicht die primären CO₂-Emissionsproduzenten. Sondern es sind die Länder im globalen Norden, die maßgeblich zum Klimawandel beitragen.

 

Verbrauchertipp der Woche

Der Pedelec-Akku findet häufig seinen Platz am Rahmen - und sollte dort abgenommen werden, wenn das E-Bike im Winter für längere Zeit in der Kälte steht.

E-Bike-Akkus müssen fachgerecht entsorgt werden.

Der Akku des E-Bikes hält nicht ewig. Nach mehreren Ladezyklen ist irgendwann Schluss – und dann stellt sich die Frage: Wie und wo entsorgt man ihn? Im Hausabfall, auf dem Sperrmüll und im Metallschrott haben die Akkus nichts zu suchen. Denn dort könnten sie sich schlimmstenfalls selbst entzünden, warnt das Umweltbundesamt. Die Behörde rät, E-Bike-Akkus bei kommunalen Sammelstellen, etwa bei Wertstoffhöfen, abzugeben. Alternativ können sie auch gratis bei allen Händlern zurückgegeben werden, die Ersatzakkus im Sortiment führen.

 

Der RND-Klima-Podcast – hier hören

An 25 Weltklimakonferenzen hat Niklas Höhne schon teilgenommen. Wie erlebt der renommierte Klimaforscher und Leiter des New-Climate-Instituts die derzeitigen Verhandlungen in Ägypten? Das erzählt er in der neuesten Ausgabe von „Klima und wir“. Außerdem dabei: Klimaaktivistin Evelyn Acham aus Uganda. Sie kritisiert die eingeschränkten Beteiligungs- und Protestmöglichkeiten auf der COP27, insbesondere für Menschen aus dem globalen Süden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Spotify Ltd., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

 

Die gute Nachricht

Erster Durchbruch bei der Weltartenkonferenz: Der Schutz von 60 Haiarten soll verbessert werden.

Erster Durchbruch bei der Weltartenkonferenz: Der Schutz von 60 Haiarten soll verbessert werden.

60 Haiarten – 54 Requiemhaie und sechs weitere Hammerhaie – sollen erstmals unter internationalen Schutz gestellt werden. Darauf haben sich die 184 Vertragsstaaten des Cites-Artenschutzübereinkommens, die gerade bei der Weltartenkonferenz in Panama tagen, verständigt. Die Umweltstiftung WWF sprach von einem „Gänsehautmoment“ für Artenschützerinnen und -schützer. „Das ist eine historische Entscheidung für die Gesundheit der Meere. Denn Haie sind unverzichtbare Schlüsselarten“, sagte WWF-Expertin Heike Zidowitz. Gleich mehrere Haiarten gelten inzwischen als stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht – auch, weil sie wegen ihrer Flossen und ihres Fleisches gejagt und gehandelt werden. Die Entscheidung muss kommende Woche noch im Plenum der Konferenz bestätigt werden.

 

Aktuelle Hintergründe

 

Bild der Woche

Der Gartenschläfer (Eliomys quercinus) ist das Tier des Jahres 2023. Der faustgroße Nager steht in Deutschland als „stark gefährdet“ auf der Roten Liste bedrohter Arten. Intensive Forstwirtschaft, Insektensterben und der Einsatz von Rattengiften und Pestiziden setzen der Art zu. Einst verbreitet in struktur- und felsreichen Mittelgebirgen ist der Gartenschläfer heute nur noch im Harz, im Schwarzwald und in Bayern zu finden.

Der Gartenschläfer (Eliomys quercinus) ist das Tier des Jahres 2023. Der faustgroße Nager steht in Deutschland als „stark gefährdet“ auf der Roten Liste bedrohter Arten. Intensive Forstwirtschaft, Insektensterben und der Einsatz von Rattengiften und Pestiziden setzen der Art zu. Einst verbreitet in struktur- und felsreichen Mittelgebirgen ist der Gartenschläfer heute nur noch im Harz, im Schwarzwald und in Bayern zu finden.

 

Termine

Freitag, 18. November, Berlin: Im Kriminalgericht Moabit beginnt der Prozess gegen einen 20-jährigen Klimademonstranten. Er soll sich bei einer Aktion der Gruppe Letzte Generation zusammen mit anderen Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten auf einer Fahrbahn festgeklebt und so eine Autobahnausfahrt blockiert haben.

Montag, 21. November: Der Bundesverband Erneuerbare Energie stellt sein Wärmeszenario 2045 vor. Es soll zeigen, in welchem Umfang erneuerbare Technologien in Deutschland eingesetzt werden können und sollten sowie mit welcher Geschwindigkeit der Ausstieg aus den konventionellen Energieträgern erfolgen sollte.

Donnerstag, 24. November, Brüssel: Die Energieministerinnen und Energieminister der EU kommen zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammen. Dort wollen sie unter anderem über ein Notfallgesetz beraten, das die Genehmigung von Solaranlagen und den Ausbau anderer erneuerbarer Energien beschleunigen soll. Auch ein Gesetz über gemeinsame Gaseinkäufe und zuverlässige Referenzpreise für Gas steht zur Diskussion.

Freitag, 25. November, bis Samstag, 26. November, Halle: Das Europäische Institut für Klima und Energie lädt zur 15. Internationalen Klima- und Energiekonferenz. Die Impulsvorträge thematisieren dieses Mal unter anderem, warum sich Deutschland mit der Energiewende so schwer tut und welche Rolle die Sonne beim Klimawandel spielt.

 

Falls Sie Anregungen oder Kritik haben, melden Sie sich gern direkt bei unserem Redaktionsteam: klima@rnd.de. Wir freuen uns auf Ihr Feedback! In der nächsten Ausgabe nehmen wir dann die Ergebnisse der Weltklimakonferenz genauer in den Blick.

Nachhaltige Grüße

Laura Beigel

 

Abonnieren Sie auch

Der Tag: Das Nachrichtenbriefing vom RedaktionsNetzwerk Deutschland. Jeden Morgen um 7 Uhr.

Unbezahlbar: Wertvolle Tipps und Hintergründe rund ums Geld – immer mittwochs.

Hauptstadt-Radar: Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Die Pandemie und wir: Die wichtigsten Nachrichten der Woche, Erkenntnisse der Wissenschaft und Tipps für das Leben in der Krise – jeden Donnerstag.

What‘s up, America? Der USA-Newsletter liefert Hintergründe zu den Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kultur – jeden zweiten Dienstag.

Das Stream-Team: Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken