Kommentar

Geplatzter Koalitionsausschuss: der kollektive Gesichtsverlust der Ampel

Bundeskanzler Olaf Scholz reiste direkt nach dem Abbruch der Koalitionsausschusssitzung zu deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam.

Bundeskanzler Olaf Scholz reiste direkt nach dem Abbruch der Koalitionsausschusssitzung zu deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam.

Berlin. Was für ein Trauerspiel: Aus einem abendlichen Koalitionstreffen zur „zügigen“ Klärung (O-Ton Olaf Scholz) der angestauten Ampelstreitfragen ist an diesem Montag ein Krisenmarathon geworden, der für die deutsch-niederländischen Regierungskoalitionen lediglich unterbrochen wurde. Selbstverständlich ohne Ergebnis. Nach 19 Stunden.

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So lange zogen die Verhandlungen zwischen Bundeskanzler, seinen Ministern und den Partei- und Fraktionsspitzen hin, dass man schon fürchten musste, sie beschließen am Ende eine Osterruhe – wie einst die übernächtigten Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin.

Wegen solcher Murksergebnisse, aber auch wegen des Bildes, das solche Verzweiflungsrunden nach außen abgeben, hatte sich die Ampel einst vorgenommen, auf derlei Nachtsitzungen, Kraftproben und Nervenkriege zu verzichten. Mehr noch: Das Bündnis sollte gleich auf zwei Legislaturen angelegt sein, weil jeder Partner auch den anderen Erfolge gönnen würde. Das war einmal. Spätestens jetzt haben sich die drei Partner sehenden Auges entschieden, den zerrütteten Zustand ihres Bündnisses offen zu dokumentieren.

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Dabei hatte Olaf Scholz nur zwei Tage zuvor bei einer Pressekonferenz mit schlumpfigem Grinsen und verschränkten Armen gespottet, dass „Journalismus ja auch ein Unterhaltungsbusiness ist und dass Sie“, die Medien, „es deshalb ganz doof finden, dass wir uns einfach einigen – aber das wird schon passieren, und zwar ziemlich zügig“. Nun ja, wie man im Showbiz sagt: Hochmut kommt vor dem Fall.

Das sollte dem Kanzler eine Warnung sein. Er mag sich von seiner Vorgängerin abgeschaut haben, wie man Parteienstreit einfach laufen lässt, damit er sich von selbst erledigt. Doch erstens hat Scholz sich noch keine Merkel‘sche Autorität aufgebaut, wie die öffentlichen Duelle von Grünen und Liberalen zeigen. Und zweitens ging das schon bei Merkel oft genug schief. Nein, Scholz wird dringend als Moderator am eigenen Kabinettstisch gebraucht – mit dem Koalitionsvertrag als Geschäftsgrundlage.

Keine Einigung: Koalitionsausschuss der Ampel vertagt

Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat ihr Spitzengespräch am Montag vorerst unterbrochen.

Doch genau da liegt das Problem: Tatsächlich hat der Krieg in der Ukraine die Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Nicht nur, aber vor allem in Finanzfragen. SPD, Grüne und FDP müssen ihre gemeinsamen Prioritäten für die neuen Zeiten neu aushandeln.

Und doch ist die Zeitenwende nicht der Grund dafür, dass die Konflikte derart unlösbar sind, dass die Ampel nun den kollektiven Gesichtsverlust hinnimmt – denn nichts anderes stellt der geplatzte Koalitionsausschuss dar, auch wenn Einzelne es mit Standhaftigkeit verwechseln mögen.

Wo ist der Platz der FDP?

Das Problem ist grundlegender: Anders als man zum Start der Ampel glaubte, als Grüne und FDP auf gemeinsamen Selfies den Eindruck erweckten, sie könnten durch eine fortschrittsbejahende Einigkeit sogar den Kanzler in die Zange nehmen, sind die beiden Juniorpartner nicht kompromissfähig. Kein Wunder: Wenn der eine unter Fortschritt versteht, dem Klimaschutz die höchste Priorität zu geben, und für den anderen Fortschritt Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf Verluste ist, ist schwer ein Kompromiss zu finden.

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Schlimmer noch: Wollen die Grünen nun gerade wegen des kriegsbedingten Rückschlags Ernst machen mit dem Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, die FDP aber mit bangem Blick auf die Fünf-Prozent-Hürde in den Umfragen ihr Gewinnerthema darin sieht, konkreten Klimaschutz zu verhindern: Wie trifft man sich da in der Mitte? Das ist der Kanzler als Moderator nicht zu beneiden – und müsste stattdessen führen. Andererseits muss er Rücksicht nehmen: Er braucht beide Junioren als Partner.

Zugleich muss sich die FDP fragen: Wenn sie sich in der Ampel so sehr als Fremdkörper fühlt – wohin passt sie stattdessen? Jamaika gibt es auch nicht ohne Grüne, und dass Schwarz-Gelb noch mal zum Dreamteam wird, legt weder der Rückblick auf den bislang letzten Versuch unter Merkel/Westerwelle nahe, noch der Tonfall im Wahlrechtsstreit und beim Buhlen um eine ganz ähnliche Klientel.

Bleibt also nur die Oppositionsbank als liberaler Entfaltungsort? Das wäre traurig. Aber das Auftreten der Liberalen in der Koalition erweckt derzeit diesen Eindruck.

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