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Auftakt der konzertierten Aktion

So lief das erste Treffen zwischen Bundeskanzler, Arbeitgebern und Gewerkschaften

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), Yasmin Fahimi, DGB-Chefin, und Rainer Dulger, Arbeitgeberpräsident, kommen im Bundeskanzleramt zur Pressekonferenz nach den Gesprächen zur sogenannten konzertierten Aktion gegen die Inflation in Deutschland.

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), Yasmin Fahimi, DGB-Chefin, und Rainer Dulger, Arbeitgeberpräsident, kommen im Bundeskanzleramt zur Pressekonferenz nach den Gesprächen zur sogenannten konzertierten Aktion gegen die Inflation in Deutschland.

Berlin. Der Bundeskanzler und Gastgeber persönlich hatte vorab erklärt, er werde nach diesem Gipfeltreffen keine konkreten Ergebnisse verkünden können – und doch hielt die Zwei-Stunden-Veranstaltung an diesem Montag das politische Berlin den ganzen Tag lang in Atem: Olaf Scholz hatte zur konzertierten Aktion im Kanzleramt geladen.

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Zum Auftakt kamen die Spitzen von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Bundesbank, dazu Wirtschaftswissenschaftler, sein Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) sowie die Minister für Wirtschaft, Robert Habeck (Grüne), und für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD). „Und es war ein guter Auftakt“, sagte Scholz danach, „vielversprechend“.

Das Ziel: „Erst einmal ins Gespräch kommen“

Die Aufgabe, die er der Runde am Montag mitgab und für die sich Wirtschaft, Arbeitnehmer und Politik nun „unterhaken und gemeinsam einigen“ wollen, so Scholz, ist so klar wie riesig: reale Einkommensverluste durch die Inflation verhindern; eine Rezession abwenden, die wegen Corona und Krieg droht; die Bürger und Firmen von Energiekosten entlasten und Unternehmen unter Kostendruck, Fachkräfte- und Energiemangel helfen.

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Dass das nicht an einem Nachmittag auf den Weg gebracht werden kann, war vorab klar. Es sei „Auftakt einer ganzen Reihe von Treffen“ gewesen, auf die „eine ganze Reihe von Veranstaltungen“ folgen werde, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ziel von Tag 1: „Erst einmal ins Gespräch kommen.“

So kann man es freilich auch nennen, wenn routinierte Verhandlungsgegner wie der Verbandschef der Arbeitgeberverbände, BDA-Präsident Rainer Dulger, und die Chefs des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), Yasmin Fahimi und Frank Werneke, aufeinandertreffen, um erst einmal ihre vorab getätigten Kampfansagen an die Gegenseite und Forderungen an die Politik zu sortieren.

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Denn die Arbeitgeber erhoffen sich von der Runde durchaus, angesichts der „härtesten wirtschaftlichen und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung“, vor der der BDA-Chef nach dem Gespräch warnte, moderate Tarifabschlüsse zu verabreden. „Vor uns liegen schwierige Jahre, ein stetiges Wirtschaftswachstum ist keine Selbstverständlichkeit mehr“, sagte Dulger und verteilte Vorschusslorbeer: „Dieses Treffen hat einen Beitrag geleistet, den sozialen Frieden zu wahren.“

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Aus Arbeitgeber-Sicht ist die Idee demnach noch nicht vom Tisch, dass die Bundesregierung den Arbeitnehmern eine Lohnzurückhaltung erleichtert, indem sie eine Einmalzahlung steuerfrei stellt. Dagegen waren die Gewerkschaften vorab Sturm gelaufen: DGB-Chefin Fahimi hatte betont, Tarifverhandlungen würden nicht im Kanzleramt geführt und jede Lohnzurückhaltung klar abgelehnt. Sie stellte stattdessen das Modell eines Energiepreisdeckels mit Preisgarantie für Privathaushalte vor.

Ein überraschender Konsens

Nach der Auftaktrunde lobte Fahimi immerhin, man habe ein „gemeinsames Verständnis von Krisenfaktoren“ entwickelt – zu dem auch zählte, dass die Belastungen so hoch seien, dass „eine Diskussion über eine Lohn-Preis-Spirale falsch ist“.

Frank Werneke, Verdi-Vorsitzender.

Frank Werneke, Verdi-Vorsitzender.

Auch Verdi-Chef Werneke betonte nach dem Treffen, weiter auf Tarifabschlüsse zu setzen, die den Belastungen der Arbeitnehmer gerecht werden: „Die Belastungen durch die hohe Inflation sind unbestreitbar – darauf braucht es jetzt Antworten“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nach seiner Teilnahme an dem Gespräch im Kanzleramt. „Wir als Verdi kämpfen mit unseren Mitgliedern für Tarifverträge, die eine Antwort auf die stark gestiegenen Preise geben.“

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Und tatsächlich räumte auch der Arbeitgeberpräsident ein: „Löhne sind aktuell kein Inflationstreiber.“ Das war dann doch ein überraschender Konsens in einem Punkt, in dem man vorher auf Konfrontationskurs gegangen war.

Umso weiter liegen derweil die Parteien innerhalb der Ampel-Koalition auseinander: Den Grünen geht es um Entlastung von Geringverdienern, der FDP um Steuersenkungen auf mittlere Einkommen und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert beklagte sich, es sei ungerecht, „dass wir stinknormale Erwerbseinkommen mit Zusatzbeiträgen in der Krankenversicherung belasten, weil die FDP den Krisenprofiteuren partout keine Übergewinnsteuer zumuten will“. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warf ihm daraufhin „finanzpolitischen Populismus“ vor.

Erste Ergebnisse im Herbst geplant

Verdi sieht die Politik weiter in der Pflicht: „Auch die Bundesregierung ist gefordert – es braucht ein weiteres Entlastungspaket im Herbst“, sagte Gewerkschaftschef Werneke dem RND. „Und diesmal dürfen Rentner*innen und Studierende nicht wieder vergessen werden.“

Kanzler Scholz will in der konzertierten Aktion über alle Ansätze und Forderungen debattieren – vom Klimageld seines Arbeitsministers über Staatshilfe für Versorger bei Gaseinkauf bis zu weiteren Entlastungspaketen für 2023.

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So war nach dem Auftakt immerhin klar, dass für konkrete Ergebnisse mehrere Runden auf verschiedenen Ebenen nötig sind. Es gehe um langfristig gute Bedingungen für Gespräche von Arbeitgebern und Gewerkschaften, nicht um einen „Zauberworkshop“, sagte Kühnert.

Und immerhin: Trotz des Namens muss man offenbar nicht befürchten, dass sich die Format - wie sein historisches Vorbild - jahrelang hinzieht: Regierungssprecher Hebestreit kündigte erste Ergebnisse für den Herbst an. Dann dürfte guter Rat auch nötig sein: Wenn nach dem Sommer das Ausmaß der Energie- und Preiskrise klarer wird, dürften die entscheidende Runden der konzertierten Aktion anstehen.

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