Letzte Generation: 2023 wird der Widerstand „größer als je zuvor“
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Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation haben im vergangenen Jahr mit etlichen Aktionen in zahlreichen deutschen Städten auf sich aufmerksam gemacht.
© Quelle: Paul Zinken/dpa
Berlin. Es ist ein gewisser Stolz, der bei den Sprecherinnen und Sprechern der Letzten Generation mitschwingt, als sie im Rahmen einer Onlinepressekonferenz auf das vergangene Jahr zurückblicken. „Kaum jemand kannte uns“, sagt Carla Hinrichs, als sie an den 24. Januar 2022 und die erste Straßenblockade in Berlin mit zwei Dutzend Mitstreitern und Mitstreiterinnen erinnert. Dann, im Laufe des Jahres „wurden wir einfach immer mehr“. Und: „Es kam niemand an der Letzten Generation vorbei.“
Das kann man wohl sagen. Über keine Protestgruppe wurde in der Gesellschaft mehr gestritten – und geflucht. Mit Hunderten Aktionen blockierten die Aktivistinnen und Aktivisten Autobahnzufahrten, Kreuzungen, Flughäfen. Kunstmuseen zitterten um ihre Meisterwerke, vor allem um dessen Bilderrahmen, an denen sich die Protestler und Protestlerinnen festklebten. 2022 endete für die Bewegung mit einem Ermittlungsverfahren wegen einer „Bildung einer kriminellen Vereinigung“.
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Letzte Generation fordert Bildung eines Gesellschaftsrats
Medial war das Jahr für sie erfolgreich, politisch nicht. Keine ihrer Forderungen – ein Tempolimit, die dauerhafte Fortführung des 9-Euro-Tickets – setzte die Bundesregierung um. Für 2023 verordnet sich die Bewegung deshalb einen Kurswechsel. Die Aktivistinnen und Aktivisten fordern die Bundesregierung nun auf, einen sogenannten Gesellschaftsrat zu gründen. Nach Vorbild eines Bürgerrats sollen Menschen in eine repräsentative Versammlung gelost werden, „und selbst über Klimaschutz entscheiden“. Leitfrage soll dabei sein, wie eine Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden könne.
Die Forderung erinnert an das Modell des Bürgerrats, in dem per Los ausgewählte Teilnehmende gesellschaftliche Fragen diskutieren. 2021 entstand etwa der erste bundesweite Bürgerrat für Klimapolitik, in dem 160 Bürgerinnen und Bürger Maßnahmen für mehr Klimaschutz ausarbeiteten. Schirmherr war der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler; die Ergebnisse wurden den Bundestagsparteien überreicht. Ein weiterer Bürgerrat beriet im letzten Jahr über das Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“. Die Bürgerräte sprechen lediglich Empfehlungen aus, die Bundesregierung muss sich nicht daran halten. Dies will die Letzte Generation jedoch zur Bedingung des neu gegründeten Gesellschaftsrats machen.
Proteste sollen „in jede Stadt, in jedes Dorf“ getragen werden
Um ihre neue Forderung durchzusetzen, will die Bewegung ihre Proteste ab dem 6. Februar ausweiten, kündigte eine Sprecherin an. Der Protest solle „in jede Stadt, in jedes Dorf“ getragen werden. Der Widerstand werde nicht stoppen, sondern solle „größer als je zuvor“ werden. Von dem Ansatz, „den Alltag in Deutschland zu unterbrechen“, werde man nicht abrücken.
Inwiefern die Gruppe das Mobilisierungspotenzial besitzt, flächendeckend den Verkehr zu stören, bleibt dennoch unklar. Bislang konzentrierten sich die Aktionen auf Großstädte wie Berlin oder München. Auf die Nachfrage, über wie viele Mitstreitende die Bewegung verfüge, antwortete die Sprecherin, man führe „kein Mitgliederregister.“ Zudem kündigte sie weitere Protestformen an. Man werde „weiter kreativ bleiben“. „Unser Ziel ist es nicht, beleibt zu sein.“ Grundbedingung ihres Widerstands sei weiter die Gewaltfreiheit, wie die Vertreter mehrfach betonten.
Selbstbewusstsein und Popularität
Die Pressekonferenz verdeutlichte, mit welchem Selbstverständnis die Aktivisten und Aktivistinnen mittlerweile ihre Protestdrohungen und Forderungen verbreiten. Noch immer senden sie aus ihren WG-Zimmern, aus der Küche, im Hintergrund hing in der Vergangenheit gerne mal eine Warnweste am Kleiderhaken.
Doch die immense Aufmerksamkeit im letzten Jahr hat ihnen Selbstbewusstsein gegeben. Sprecherin Carla Hinrichs führt etwa als Beleg für die Popularität an, dass der Begriff „Klimaterroristen“ es zum Unwort des Jahres gebracht habe. Nachfragen lässt die Gruppe zu, doch wolle man keine Grundsatzfragen diskutieren, sondern nur „konkrete Rückfragen“ beantworten. Zum Schluss appelliert Carla Hinrichs: „Wir alle zusammen sind immer noch die Letzte Generation, die die Chance hat, die Klimakatstrophe abzuwenden.“ Sie klingt sehr routiniert dabei.