Medikamente werden immer teurer: Krankenkassen fordern von Lauterbach ein Sparpaket und Reformen
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Die Ausgaben für Medikamente stiegen im vergangenen Jahr um 8 Prozent – und damit deutlich stärker als andere Leistungen der Krankenkassen.
© Quelle: imago images/JuNiArt
Berlin. Angesichts kräftig steigender Ausgaben für Medikamente haben die gesetzlichen Krankenkassen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aufgefordert, ein Arzneimittel-Sparpaket auf den Weg zu bringen. Der Ausgabenanstieg bei Arzneimitteln habe im vergangenen Jahr mit fast 8 Prozent rund ein Drittel über dem durchschnittlichen Anstieg aller Leistungsausgaben der Krankenkassen gelegen, sagte der Vorstand des Kassen-Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist ein Weckruf, es muss gehandelt werden“, betonte sie.
Senkung der Mehrwertsteuer
Konkret fordert der Verband unter anderem die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. „Für Grundnahrungsmittel wie Brot und Butter werden 7 Prozent Mehrwertsteuer berechnet, für oftmals lebenswichtige Medikamente müssen die Krankenkassen dagegen die vollen 19 Prozent bezahlen. Das ist schlicht nicht nachvollziehbar“, sagte Stoff-Ahnis. Eine Absenkung wäre ein klares sozialpolitisches Signal und würde die Beitragszahlenden der Krankenkassen um rund 6 Milliarden Euro im Jahr entlasten, fügte sie hinzu.
Zudem verlangt der Verband eine Änderung der Preisregulierung für neue Medikamente. Bisher können die Pharmaunternehmen für das erste Jahr nach der Zulassung den Preis beliebig festsetzen, egal wie hoch der zusätzliche Nutzen für die Patienten ist. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, diese Zeitspanne auf sechs Monate zu verkürzen. Die Kassen fordern jedoch eine weitere Reduzierung. „Der am Nutzen für die Patientinnen und Patienten orientierte gemeinsam verhandelte Preis muss ab dem ersten Tag und nicht erst nach vielen Monate gelten“, sagte Stoff-Ahnis. „Einseitige und zum Teil willkürliche Preisfestsetzungen für lebenswichtige Medikamente sind weder sozial gerecht noch passen sie zur sozialen Marktwirtschaft“, argumentierte sie.
Keine Sonderregelung für Medikamente gegen seltene Erkrankungen
Der Spitzenverband der Kassen fordert darüber hinaus, die Sonderregelungen bei der Preisregulierung für Medikamente gegen seltene Krankheiten zu streichen. Hier gibt es bis zu einer jährlichen Umsatzschwelle von 50 Millionen Euro keine Überprüfung des Mehrnutzens für Patienten. Untersuchungen des staatlichen Qualitätsinstituts IQWIG hätten aber ergeben, dass weniger als die Hälfte dieser Medikamente einen Zusatznutzen habe, so Stoff-Ahnis. „Deshalb muss auch bei diesen Medikamenten genauer hingesehen werden“, sagte sie. Die gesetzliche Regelung, eine Nutzenbewertung erst ab einer bestimmten Umsatzschwelle vorzunehmen, müsse abgeschafft werden. Die Ersparnis bezifferte Stoff-Ahnis auf jährlich 350 Millionen Euro.
Die zentrale Herausforderung der Arzneimittelpolitik sei es einerseits, die laufende Versorgung mit bewährten Arzneimitteln zu erhalten und den Zugang zu echten Innovationen zu bewahren, und andererseits, die Finanzierbarkeit der Arzneimittelversorgung auch in Zukunft sicherzustellen, sagte Stoff-Ahnis. Deutschland sei ein starker Pharmastandort, fügte sie hinzu. Der Weg von der Zulassung bis zur praktischen Verfügbarkeit neuer Medikamente werde in keinem EU-Land schneller zurückgelegt als hierzulande. „Wir wollen, dass das so bleibt“, so die Verbandsvertreterin.
Im kommenden Jahr wird bei den Krankenkassen ein Defizit von rund 17 Milliarden Euro erwartet. Gesundheitsminister Lauterbach plant ein Sparpaket, erste Überlegungen waren in der Koalition aber auf Kritik gestoßen. Deshalb ist weiterhin unklar, wie der Minister die Löcher stopfen will.