Millionenstädte im Lockdown: Null-Covid-Strategie trifft Chinas Wirtschaft stärker als erwartet
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Auf diesem von der Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichten Foto liegt ein Containerschiff aus Japan am 27. April 2022 im Containerdock des Yangshan-Hafens in Shanghai im Osten Chinas vor Anker. Chinas Exportwachstum brach im April ein, nachdem Shanghai und andere Industriestädte wegen der Bekämpfung von Virusausbrüchen geschlossen wurden.
© Quelle: Chen Jianli/Xinhua/dpa
Peking. Die Beschränkungen durch die Null-Covid-Strategie bremsen in China die zweitgrößte Volkswirtschaft viel stärker als erwartet. Die Industrieproduktion fiel im April überraschend um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt am Montag in Peking berichtete. Auch die Einzelhandelsumsätze brachen deutlicher als vorhergesagt sogar um 11,1 Prozent ein. „Es sind die schlimmsten Daten seit März 2020″, sagte der Vorsitzende der EU-Handelskammer, Jörn Wuttke, mit Blick auf den Beginn der Pandemie.
„Der Covid-Ausbruch im April hatte große Auswirkungen auf die Wirtschaft, aber die Folgen werden kurzfristig sein“, meinte der Sprecher des Statistikamtes, Fu Linghui. Die langfristigen Grundlagen der chinesischen Wirtschaft seien unverändert. Wenn die Covid-Kontrollen Fortschritte machten und die Politik zur Stabilisierung der Wirtschaft ihre Wirkung zeigten, sei zu erwarten, dass sich Konjunktur wieder schrittweise erhole.
Omikron stellt Null-Covid-Strategie auf Probe
Der wirtschaftliche Preis ist hoch. So deuten der Rückgang der industriellen Tätigkeit und des Konsums im April nach Ansicht von Experten darauf hin, dass der Abschwung in diesem Jahr stärker als erwartet ausfällt. „Die Daten für die Aktivitäten im April haben den Schaden durch die Lockdowns in Shanghai und anderen Teilen des Landes offengelegt“, schrieben Chang Shu und Eric Zhu in einer Analyse der Finanzagentur Bloomberg. „Die Auswirkungen sind viel breiter und tiefer als erwartet.“
Größter Lockdown der Welt: Chinesische Regierung verteidigt strikten Corona-Kurs
WHO-Chef Tedros Ghebreyesus hatte am Dienstag gesagt, dass Chinas Null-Toleranz-Politik im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Virus nicht nachhaltig sei.
© Quelle: Reuters
Die Ankunft der sich schnell verbreitenden Omikron-Variante stellt die strikte chinesische Null-Covid-Strategie auf eine harte Probe. Zig Millionen Menschen in Metropolen wie Shanghai, Changchun oder der Provinz Jilin stecken seit Wochen in Lockdowns und dürfen ihre Wohnungen nicht verlassen. In Peking sind zahlreiche Nachbarschaften abgeriegelt. Die meisten Geschäfte und viele U-Bahnhöfe sind geschlossen. Millionen müssen im Homeoffice arbeiten.
Auch Deutschland wird Lieferengpässe spüren
Wie alle leiden auch deutsche und andere europäische Unternehmen unter den ständigen Lockdowns, dem Rückgang des Güterverkehrs, der Stilllegung oder Verringerung der Produktion und der daraus folgenden Unterbrechung der Lieferketten. Auch die Unberechenbarkeit der Lage und die Willkür übervorsichtiger Behörden machen ihnen zu schaffen. „Die Unsicherheit macht alles sehr schwierig. Was passiert als nächstes? Wann wird der nächste Lockdown umgesetzt?“, sagte der Vorsitzende der EU-Handelskammer. Unternehmen hassten Unberechenbarkeit und bräuchten Vorhersehbarkeit.
Trotz der schlechten Zahlen versuchte der Sprecher des Statistikamtes, Fu Linghui, vor der Presse in Peking, eher Optimismus zu verbreiten. „Der Covid-Ausbruch im April hatte große Auswirkungen auf die Wirtschaft, aber die Folgen werden kurzfristig sein.“ Die guten langfristigen Grundlagen der chinesischen Wirtschaft seien unverändert. Wenn die Covid-Maßnahmen Fortschritte machten und die Politik zur Stabilisierung der Wirtschaft ihre Wirkung zeige, sei zu erwarten, dass sich die Konjunktur wieder schrittweise erhole.
Das sieht der der Vorsitzende der EU-Handelskammer Wuttke allerdings anders. Um das Blatt zu wenden, sei jetzt eine Impfkampagne wichtig, um die mehr als 100 Millionen nicht oder nur unzureichend geimpften Menschen in China über 60 Jahre zu schützen, forderte der EU-Kammerpräsident. Auch müssten westliche Impfstoffe zugelassen werden. „Aber anstatt die Impfungen der älteren Menschen zu beschleunigen, haben sie sich in Wirklichkeit verlangsamt“, schilderte Wuttke. „China ist weit von Herdenimmunität entfernt.“ Das erkläre auch die drakonischen Maßnahmen der Null-Toleranz-Politik.
Ausgaben für Infrastruktur werden erhöht
Die Anlageinvestitionen fielen im April leicht um 0,82 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, stiegen aber seit Jahresanfang um 6,8 Prozent und liegt damit im Rahmen des Plans. Der Anstieg spiegelt die Anstrengungen der Regierung wider, die Ausgaben für Infrastruktur zu erhöhen, um die Konjunktur anzukurbeln.
Die chinesische Führung hatte für dieses Jahr ein Wachstumsziel von 5,5 Prozent vorgegeben. Ob die ursprünglich schon optimistische Vorgabe erreicht werden kann, wird sowohl wegen der Covid-Ausbrüche und der strikten Maßnahmen in China als auch wegen des Rückschlags für die Weltwirtschaft durch den russischen Krieg in der Ukraine immer fraglicher.
RND/simm/dpa