Missbrauchsskandal: Durchsuchungsbeschluss gegen Münchner Erzbistum
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Der Missbrauchsskandal im Erzbistum München wird weiter aufgearbeitet.
© Quelle: dpa
München. Die Staatsanwaltschaft ist nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ mit einem Durchsuchungsbeschluss beim katholischen Erzbistum München und Freising vorstellig geworden. Die Aktion soll im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche stehen. Das Erzbistum wollte sich am Sonntag auf Anfrage nicht äußern.
„Wie bereits bekannt, ist die Staatsanwaltschaft München I mit der Prüfung der Anfang August 2021 durch die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl mitgeteilten über 40 Fälle befasst, in denen (...) aus dortiger Sicht ein Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger gegeben sein könnte“, sagte die Sprecherin der Justizbehörde, Anne Leiding. „Wir können wie üblich zu laufenden Ermittlungen keine Auskünfte geben, werden aber voraussichtlich zum Abschluss der Ermittlungen von uns aus mit Informationen an die Medien herantreten.“
Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte im Januar 2022 im Auftrag des Erzbistums ein Aufsehen erregendes Gutachten veröffentlicht. Um einen inzwischen verstorbenen Priester, dessen Fall auch in der Studie erwähnt wird, soll es nach „SZ“-Informationen bei der Aktion der Staatsanwaltschaft am 16. Februar gegangen sein. Die Taten dieses Mannes gehen in die 1960er Jahre zurück; wie Bistumsverantwortliche mit ihm umgegangen sind, soll nach Angaben der Zeitung Gegenstand der Untersuchung sein. Gegen den damals noch nicht zuständigen Kardinal Reinhard Marx richteten sich die Ermittlungen nach Informationen der Zeitung nicht.
Betroffneninitiative: „Bemerkenswerte Aktion“
„Das ist tatsächlich eine bemerkenswerte Aktion. Hoffentlich ist es ein Zeichen für einen Kurswechsel der Justiz im Umgang mit der Kirche“, sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. „Leider kommt er für viele Betroffene zu spät.“
„Die Kirchen haben viel zu lange versucht, alles kirchenintern selber zu regeln. Damit haben sie immer wieder Täter geschützt und vor allem weitere Verbrechen ermöglicht“, sagte Edgar Büttner, Sprecher von „Wir sind Kirche“ München. „Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass jetzt die staatlichen Justizbehörden einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Ordinariat und den Amtssitz des Münchner Erzbischofs vollzogen haben, auch wenn es in diesem Fall wohl eher eine symbolische Aktion war“, betonte Büttner. „Es wäre gut gewesen, wenn dies schon 2010 erfolgt wäre nach dem ersten Münchner Missbrauchsgutachten, das Kardinal Marx zwar hat erstellen lassen, dann aber unter Verschluss gehalten hat.“
Die Justiz - vor allem in Bayern - war immer wieder dafür kritisiert worden, die Kirche mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sich selbst zu überlassen, nicht einzugreifen und damit Vertuschung zu ermöglichen. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hatte sich zuletzt im Dezember im Landtag für eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene ausgesprochen und betont, dass kirchliche Gutachten für die Verfolgung von Straftaten nur eine sehr untergeordnete Rolle spielten.
RND/dpa