Brexit-Deal zu Nordirland: Großer Durchbruch oder nur ein Zwischenerfolg?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/LAT7RUF4NBGYRBJPYRMF5XASCY.jpg)
Gelöste Stimmung zwischen Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
© Quelle: Getty Images
London. Als sich Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am gestrigen Montag in dem beschaulichen Örtchen Windsor westlich von London trafen, begrüßten sie sich herzlich, die Stimmung zwischen den beiden Politikern wirkte gelöst. Dazu hatten sie auch guten Grund. Denn nach monatelangen intensiven Gesprächen haben sich Brüssel und London auf einen überarbeiteten Deal zum Nordirland-Protokoll geeinigt.
Sunak bezeichnete die Einigung im Rahmen der Pressekonferenz am Nachmittag als „großen Durchbruch“. Durch das neue „Windsor Framework“, wie das juristische Rahmenwerk für das Nordirland-Protokoll genannt wird, würde das Leben der Menschen der Region einfacher. So sollen unter anderem die meisten Kontrollen für Waren, die die Irische See überqueren und in dem Landesteil verbleiben, abgeschafft und überdies Vorschriften zur Mehrwertsteuer nun von London ausgehandelt werden. Überdies solle das Rahmenwerk „die Souveränität und den Platz Nordirlands in der Union schützen“.
Es ist ein heikler Moment für Sunak
Das ist jedoch allenfalls ein Zwischenerfolg. „Kann Sunak seinen Brexit-Deal verkaufen?“ Es ist die entscheidende Frage, die auch sofort von Medien gestellt wurde. Für den Regierungschef ist dies ein heikler Moment. Schließlich muss er die erzkonservative unionistische Democratic Unionist Party (DUP) sowie die Brexit-Hardliner in der eigenen Partei von der Übereinkunft überzeugen. Es gehe um „alles oder nichts“, kommentierte der Fernsehsender Sky News.
Für Stirnrunzeln sorgte ein geplantes Treffen von der Leyens mit dem König. Der Monarch hält sich aus Fragen der Tagespolitik eigentlich strikt heraus. Es gilt daher als ungewöhnlich, dass er ausgerechnet an dem Tag mit von der Leyen zusammentraf, an dem eine umstrittene Vereinbarung mit Brüssel geschlossen werden sollte. Kritiker warfen Sunak vor, den König für seine Zwecke zu instrumentalisieren.
Das Nordirland-Protokoll ist schon seit Jahren ein Zankapfel zwischen London und Brüssel. Im Zuge dessen wurde die Zollgrenze zwischen Nordirland auf der einen und Großbritannien auf der anderen Seite in die Irische See verlegt. So soll eine sichtbare Grenze zwischen der Provinz und dem EU-Staat Irland vermieden werden – auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. London hatte den Vertrag mit der EU 2019 ausgehandelt, verschob die damit einhergehenden Warenkontrollen jedoch immer wieder. Die ohnehin schon schlechte Stimmung zwischen Brüssel und London verschlechterte sich weiter.
„Ich will die Sache zu Ende bringen“
Während Ex-Premierminister Boris Johnson versuchte, die EU unter Druck zu setzten, schlug Sunak in den vergangenen Monaten versöhnliche Töne an. Er setzte auf Diplomatie. „Ich will die Sache zu Ende bringen“, sagte er am Wochenende. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei Keir Starmer sagte dem Premier seine Unterstützung zu, wenn es zu einer Abstimmung über den Deal im Parlament kommen sollte.
Schließlich ist es ein heikles Unterfangen für den Premier. Die unionistische DUP wehrte sich lange gegen das Abkommen und will eine mögliche Übereinkunft genau prüfen. Die Erzkonservativen aus dem Norden fordern, dass die Bevölkerung bei Gesetzen, die in Nordirland gelten, mitreden kann. Ihr Druckmittel: die politische Stabilität des ohnehin fragilen Landesteils. Sie drohen damit, die Regierungsarbeit mit der Sinn-Fein-Partei nicht wiederaufzunehmen. Ex-Premierminister Boris Johnson sowie weitere Brexit-Hardliner halten überdies an einem höchst umstrittenen Gesetzentwurf fest, den sie als Druckmittel gegen die EU nutzen wollen. Damit könnten Warenkontrollen gestoppt und durch eine freiwillige Regelung ersetzt werden.
Doch wie geht es jetzt weiter? Kann sich der Premier die Unterstützung der DUP für den Deal sichern, könnte auch der Widerstand in den Reihen der Tory-Partei dahinschmelzen, betonen Experten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die DUP zunächst nicht äußert. „Das könnte zunächst ausreichen, um eine Rebellion zu verhindern“, sagte der Brexit-Experte Paul McGarde. Sprechen sich die Unionisten hingegen offen gegen das Abkommen aus, könnten die Brexit-Hardliner aufbegehren und es käme zu einem erneuten erbitterten Streit um den Brexit innerhalb der Tory-Partei