Nach Katargate: Europaparlament wählt neuen Vizepräsidenten
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Der Luxemburger Sozialdemokrat Marc Angel ist zum neuen Vizepräsidenten des Europaparlaments gewählt worden.
© Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS
Straßburg. Die Postenfrage war schnell erledigt, der Korruptionsskandal im Europaparlament ist es dagegen noch lange nicht. Die absolute Mehrheit der Europaabgeordneten hat am Mittwoch in Straßburg den Luxemburger Sozialdemokraten Marc Angel zum neuen Vizepräsidenten des Parlaments gewählt. Er ist damit Nachfolger von Eva Kaili. Die Sozialdemokratin aus Griechenland hat den Posten verloren, weil sie im Verdacht steht, Schmiergeld von Katar angenommen zu haben.
1,5 Millionen Euro in bar haben belgische Ermittler vor gut fünf Wochen bei aktiven und ehemaligen Europaabgeordneten sowie Mitarbeitern des Parlaments beschlagnahmt. Das Emirat Katar und Marokko sollen durch hohe Geldzahlungen über mindestens eine Brüsseler Nichtregierungsorganisation versucht haben, Einfluss auf die politische Arbeit des Parlaments zu nehmen. Beide Länder weisen die Vorwürfe zurück.
Noch ist nicht klar, welche Rolle die ehemalige Parlamentsvizepräsidentin Kaili im wahrscheinlich größten Skandal in der 70-jährigen Geschichte des Parlaments genau spielte. Ein Richter in Brüssel wird an diesem Donnerstag entscheiden, ob sie in Untersuchungshaft bleiben muss.
Ruf des Europaparlaments stark beschädigt
Fest steht jedoch nach Überzeugung der Mehrheit der Europaabgeordneten: Katargate hat die Glaubwürdigkeit des Europaparlaments gewaltig beschädigt – und das nur gut ein Jahr vor der nächsten Europawahl im Mai 2024. Viele Abgeordnete erzählen, dass sie zu Hause in ihren Wahlkreisen nur noch auf die Korruptionsaffäre angesprochen werden.
Korruptionsfall im Europäischen Parlament sorgt für Ruf nach Konsequenzen
Am Freitag waren sechs Verdächtige von belgischen Behörden nach übereinstimmenden Medienberichten festgenommen worden.
© Quelle: Reuters
Da ist Eile geboten, den Laden schnell wieder in Ordnung zu bringen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat vor wenigen Tagen eine Liste mit 14 Reformvorschlägen auf den Tisch gelegt. Hauptziele: Das Europaparlament soll transparenter, der Zugang von Lobbyisten zu Parlamentariern erschwert werden.
Metsola will etwa eine sogenannte Abkühlungsfrist für Abgeordnete, die aus dem Parlament ausscheiden. Sie sollen danach zwei Jahre lang keine Lobbyarbeit machen dürfen. Auch sollen die Abgeordneten in größerem Umfang als bisher öffentlich machen, welche dienstlichen Kontakte sie zu Lobbyisten haben, welche Geschenke sie erhalten, wer sie zu Reisen einlädt und welchen Nebentätigkeiten sie nachgehen.
Auch die sogenannten parlamentarischen „Freundschaftsgruppen“ mit Staaten, die nicht der EU angehören, sollen verboten werden. Zudem soll der Zugang von Lobbyisten zu den Abgeordneten in Brüssel und Straßburg erschwert werden. Ehemaligen Abgeordneten will Metsola das Recht auf einen unbefristeten Hausausweis nehmen.
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Der Skandal hat inzwischen zu einem Streit zwischen den Parteien im Europaparlament geführt. Konservative halten den Sozialdemokraten vor, sich zu wenig um Aufklärung in den eigenen Reihen zu bemühen. Soweit bekannt, sind bislang nur Mitglieder der europäischen sozialdemokratischen Fraktion in den Skandal verwickelt.
Gleichzeitig sagen manche konservative Abgeordnete, dass es keine Verschärfung der Regeln brauche. Katargate hätte sich auch damit nicht verhindern lassen. Außerdem sei das Europaparlament bereits sehr transparent. Das wiederum finden die Grünen ganz und gar nicht. Sie fordern noch schärfere Vorschriften.
Drahtzieher will auspacken
Die juristische Aufarbeitung des Skandals hat gerade erst begonnen, die politische wird sich noch hinziehen. Da dürfte eine aktuelle Nachricht aus Brüssel für Unruhe sorgen.
Eva Kaili als Vizepräsidentin des EU-Parlaments abgesetzt
Das EU-Parlament hat die im Fokus eines Korruptionsskandals stehende griechische Sozialdemokratin Eva Kaili als Vizepräsidentin abgesetzt.
© Quelle: Reuters
Pier Antonio Panzeri, womöglich die Schlüsselfigur in der Schmiergeldaffäre, will auspacken. Im Gegenzug könnte er nur eine kurze Gefängnisstrafe erhalten. Der Italiener saß bis 2019 für die Sozialdemokraten im Europaparlament und soll danach über die Nichtregierungsorganisation Fight Impunity in Brüssel die Kontakte zu Katar und Marokko gehalten haben.
Nun hat sich Panzeri mit der belgischen Staatsanwaltschaft geeinigt. Er will offenbar als Kronzeuge auftreten und umfassende Einblicke in die kriminellen Strukturen geben. Dazu gehören nach Darstellung der belgischen Behörden auch die Namen derjenigen, die bestochen wurden. Es kann gut sein, dass sich die Affäre noch ausweitet.