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Heil und Schulze in der Elfenbeinküste

Nachhaltiger Kakao: Wie in der Elfenbeinküste die Abholzung des Regenwaldes gestoppt werden soll

Sougue Moussa steht auf seiner Kakaoplantage neben einem Kakaobaum. Bundesarbeitsminister Heil und Bundesentwicklungsministerin Schulze besuchen Ghana und die Elfenbeinküste.

Sougue Moussa steht auf seiner Kakaoplantage neben einem Kakaobaum. Bundesarbeitsminister Heil und Bundesentwicklungsministerin Schulze besuchen Ghana und die Elfenbeinküste.

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Abidjan. Hubertus Heil will mit anpacken: „Ich bin doch schließlich Arbeitsminister“, scherzt er. Doch die 70 Kilogramm, die ein Sack voller Kakaobohnen wiegt, wollen die Bauern dem SPD-Mann dann doch nicht zumuten. Heil darf sich aber dennoch nützlich machen: Er heftet ein Plastikschild mit einem Strichcode an den Sack. Und Entwicklungsministerin Svenja Schulze lässt sich anschließend zeigen, wie der Code zusammen mit einem Ausweis von Bauer Moussa Sougue gescannt wird. Was hier auf einer Kakaoplantage in der Elfenbeinküste passiert, soll ein wesentlicher Schritt sein für einen nachhaltigen Anbau von Kakao, der ohne Abholzung der kostbaren Regenwälder auskommt.

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Die Elfenbeinküste ist mit einem Anteil von 45 Prozent der größte Kakaoexporteur der Welt. Größter Abnehmer ist Deutschland. Rund eine Million Kleinbauern verdienen in dem westafrikanischen Staat ihren Lebensunterhalb mit dem Kakaoanbau.

Wie hoch der Anteil der arbeitenden Kinder ist, weiß keiner genau

Kakao ist aber Segen und Fluch zugleich: Seit 1960 hat das Land 80 Prozent seiner Waldfläche durch Rodungen verloren, allein in der Zeit zwischen 2002 und 2019 schrumpfte der Primärwald um ein Viertel. Der Anbau befördert aber nicht nur den Klimawandel, sondern auch die Kinderarbeit. Wo hoch der Anteil der arbeitenden Kinder genau ist, weiß niemand. Schließlich ist der Anbau Familiensache, wo die Grenzen zwischen Hilfe und Arbeit fließend sind. Studien gehen aber davon aus, dass mindestens 30 Prozent der Kinder in den ländlichen Gebieten Arbeiten übernehmen, die als gefährlich eingestuft sind und damit nach internationalen Kriterien als Kinderarbeit gelten. Dazu gehört zum Beispiel die Arbeit mit Pestiziden, mit Feuer oder Macheten.

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Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, und Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, riechen auf einer Kakaoplantage an geöffneten Kakaoschoten.

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, und Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, riechen auf einer Kakaoplantage an geöffneten Kakaoschoten.

Bei dem Projekt, das sich Schulze und Heil in einer Kooperative 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Abidjan anschauen, geht es zunächst um die Rückverfolgbarkeit des Kakaos bis zur Plantage des Kleinbauern. Das wird in Zukunft essenziell, schließlich ist in der EU eine Richtlinie in Arbeit, die die Einfuhr von Kakao verbietet, der von gerodeten Flächen stammt. Außerdem gilt das deutsche Lieferkettengesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, auch bei den Zulieferern für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards zu sorgen. Eine EU-Regelung soll später folgen.

Erfassungssystem für Kakaoernte

Die Erfassung hat aber noch eine andere wichtige Aufgabe: Mit dem auch mithilfe der deutschen Entwicklungshilfe entwickelten System soll der weitere Verlust des Regenwaldes verhindert werden. „Wir wollen nicht, dass hier Wälder abgeholzt werden, damit wir in Europa Schokolade essen können“, mahnt Entwicklungsministerin Schulze.

Die Funktion des Systems: Durch die genau Erfassung kann kein Bauer künftig mehr Kakao an die staatlich organisierten Aufkaufstellen liefern, als er auf seiner offiziell registrierten Landfläche anbauen kann, erläutert Sonja Lehmann von der bundeseigenen Entwicklungsorganisation Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die Bauern werden Kakao, der auf illegal gerodeten Flächen angebaut wurde, also nicht mehr los.

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Für die Bauern ist das System die Garantie dafür, dass ihr Kakao künftig weiterhin in die EU exportiert werden kann. Bauer Moussa Sougue ist aber auch aus einem anderen Grund zufrieden mit der neuen Plastikkarte, auf der seine Daten abgespeichert sind. Sie hat zugleich die Funktion eines Kontos, auf das nach der Einlieferung der Kakaobohnen umgehend der Aufkaufpreis überwiesen wird. Ein Übervorteilen der Kleinbauern, die oftmals nicht lange in der Schule waren, wird somit verhindert. „Wir wollen nicht weniger Handel, aber wir wollen fairen Handel“, betont Ministerin Schulze

Kinderarbeit lässt sich mit dem Erfassungssystem nicht verhindern. Allerdings scheint es so, als sei auch bei den Bauern die Sensibilität für das Thema gewachsen – wenn auch nicht ganz freiwillig. Der Druck ist hoch, weil zum Beispiel begehrte internationale Siegel nur dann vergeben werden, wenn Kinderarbeit ausgeschlossen wird.

„Wir schicken unsere Kinder in die Schule und nicht aufs Feld“

Die Kooperative Rasso in Agboville, in der über 1000 Kleinbauern aus der Region organisiert sind, nimmt das offensichtlich ernst. Am Schwarzen Brett wird mit einfachen Darstellungen genau erklärt, welche Tätigkeiten verboten sind: „Wir schicken unsere Kinder in die Schule und nicht aufs Feld“, versichert Alida Kolibali von der Kooperative. Wenn Kinder mehrere Tage nicht in die Schule kämen, werde nachgeforscht, ob sie arbeiten müssten, erklärt sie. Sollten Mitglieder gegen die Vorschriften verstoßen, droht der Ausschluss aus der Kooperative, was die eigene Existenzgrundlage gefährdet.

Heil und Schulze loben die Bemühungen. „Kinderarbeit ist ein Verbrechen“, betont der Arbeitsminister immer wieder. Beide verweisen in diesem Zusammenhang aber auch darauf, dass die Kakaobauern besser bezahlt werden müssten. So schwanke der Weltmarktpreis für Kakao heftig und sei zuletzt stark zurückgegangen, beklagt Heil. Und Entwicklungsministerin Schulze mahnt: „Die Menschen müssen von ihrer Arbeit auch leben können.“

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