Chinas ökonomische Talfahrt
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Chinas Immobilienbranche und das Wirtschaftswachstum sind unter der „Null Covid“-Politik stark eingebrochen.
© Quelle: Sheldon Cooper/SOPA Images via Z
Peking. Dass die Wirtschaft Chinas unter der „Null Covid“-Politik massiv leidet, ist seit Längerem bereits mehr als deutlich. Doch die neuen Wirtschaftsdaten vom Montag fielen dennoch deutlich schlechter aus als erwartet: Der Einzelhandel brach im April um über 11 Prozent ein, selbst die Industrieproduktion sank um knapp 3 Prozent. Einige Indikatoren, darunter Immobilienverkäufe, liegen derzeit sogar noch unter dem massiven Corona-Schock der ersten Welle.
Wir befinden uns in einem langanhaltenden Winterschlaf. Und wir wissen nicht, wann der Frühling kommen wird.
Massimo Bagnasco,
Vizepräsident der europäischen Handelskammer in Peking
„Das ist der schlechteste Datensatz seit März 2020, sämtliche Zahlen zeigen in die falsche Richtung“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking. Sein Kollege Massimo Bagnasco meint: „Wir befinden uns in einem langanhaltenden Winterschlaf. Und wir wissen nicht, wann der Frühling kommen wird“. Angesichts der steten Angst vor Lockdowns und Zwangsquarantäne fehlt es den Unternehmen an Planungssicherheit.
Doch zumindest gibt es ein paar wenige Hoffnungsschimmer am Horizont. Seit der zweiten Aprilhälfte erholt sich die chinesische Wirtschaft in kleinen Minischritten, da die Corona-Maßnahmen über das gesamte Land verteilt allmählich zurückgehen. Mit einer V-förmigen Erholungskurve wie noch im Sommer 2020 rechnen jedoch nicht einmal die größten Optimisten. Denn die Unsicherheiten auf dem Markt werden bis auf Weiteres bestehen bleiben: Es reichen schließlich nur eine Handvoll Infektionen, um die Lage kippen zu lassen.
Größter Lockdown der Welt: Chinesische Regierung verteidigt strikten Corona-Kurs
WHO-Chef Tedros Ghebreyesus hatte am Dienstag gesagt, dass Chinas Null-Toleranz-Politik im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Virus nicht nachhaltig sei.
© Quelle: Reuters
In Peking zeigt sich dies auf eindrückliche Weise: Täglich melden die Behörden rund 50 Corona-Fälle, davon zwei Drittel innerhalb der ohnehin bereits abgesperrten Quarantänegebiete. Dennoch treten seit rund zwei Wochen sämtliche 22 Millionen Bewohner zum täglichen PCR-Test an. Auch die meisten Büros sind geschlossen, Schulen und Restaurants.
Die Regierung versucht dennoch, weiterhin Optimismus zu verbreiten. „Der Covid-Ausbruch im April hatte zwar große Auswirkungen auf die Wirtschaft, aber die Folgen werden kurzfristig sein“, sagte Fu Linghui, Sprecher des Statistikamts, am Montag. Doch mit seiner Prognose wird Fu wohl kaum recht behalten.
Kein schneller Ausweg in Sicht
Denn eine Öffnung des Landes scheint derzeit ausgeschlossen, und das nicht nur aus politischen Gründen: Noch immer sind viel zu wenige Senioren innerhalb der Bevölkerung geimpft, geschweige denn geboostert. Doch statt die Impfkampagnen zu forcieren, steckt die Regierung sämtliche medizinische Ressourcen in die täglichen Massentests.
In Shanghai scheint sich nun zumindest eine Öffnung abzuzeichnen. Bis Ende Juni verspricht die Lokalregierung gar eine „vollständige Normalisierung“. Derzeit ist die Handelsmetropole davon allerdings noch weit entfernt: Die Straßen sind menschenleer, der öffentliche Nahverkehr ausgesetzt und die Bezirksgrenzen mit militärischen Checkpoints bewacht. Doch selbst, wenn der Öffnungsplan für die wichtigste Wirtschaftsstadt des Landes aufgehen sollte, bleibt es nur eine Frage der Zeit, bis sich die hochinfektiöse Omikron-Variante erneut ausbreitet. „Nach Covid ist vor Covid“, sagt ein europäischer Unternehmensvertreter.
Fakt ist: Das von Peking für 2022 ausgegebene Wachstumsziel von 5,5 Prozent ist seit Längerem bereits in weite Ferne gerückt. Nach derzeitigem Stand scheint allerhöchstens ein vierprozentiges Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für realistisch. Das mag sich nach viel anhören, ist aber für die Volksrepublik China eine ökonomische Tragödie. Denn allein dieses Jahr werden weit über zehn Millionen Universitätsabsolventen auf den Arbeitsmarkt strömen. Dieser wird nur für ein Bruchteil von ihnen adäquate Jobs bereitstellen.
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