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Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Tagestour nach Peking: Wie schnell die Kanzlerpolitik sein muss

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), steigt am Flughafen in Berlin in ein Flugzeug der Flugbereitschaft der Luftwaffe.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), steigt am Flughafen in Berlin in ein Flugzeug der Flugbereitschaft der Luftwaffe.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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ich bin meine Dienstreisen mit der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel nach China einmal durchgegangen. Außer beim G20-Gipfel 2016 in Hangzhou ging es immer zuerst nach Peking zum Empfang in die Große Halle des Volkes am Platz des Himmlischen Friedens und danach in Provinzstädte: 2010 Xi’an, 2012 Kanton, 2014 Chengdu, 2016 Shenyang, 2019 Wuhan. Wobei die Bezeichnung Provinzstädte verwirrend ist, leben in ihnen doch mehr Menschen als in Deutschlands größter Stadt Berlin. Allein in Wuhan waren es damals schon elf Millionen.

Bestimmt habe ich eine Reise vergessen. Aber was ich genau weiß: Es gab immer eine Übernachtung. Nach dem Etwa-zwölf-Stunden-Flug ging es direkt in das Tagesprogramm (Peking ist sechs Stunden voraus) und spät am Abend ins Hotel. Eine Nacht schlafen, dann einen Abstecher in eine andere Region. Merkel besuchte mit ihrer stets hochrangig besetzten Wirtschaftsdelegation Unternehmen. Und sie traf sich mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, um Menschenrechtsfragen anzusprechen. So viel Zeit musste sein. Die Führung in Peking empfand das natürlich immer als Affront. Aber sie ließ Merkel machen. Die Geschäfte waren das Wichtigste.

Die Reise mit Bundeskanzler Olaf Scholz nächste Woche nach China wird anders. Die Zeiten sind andere. Wenige Wochen nach Merkels Besuch in Wuhan 2019 brach von genau dort aus die furchtbare Pandemie über die Welt herein, Peking betreibt eine harte Null-Covid-Strategie. Im Februar überfiel Russland die Ukraine, und Chinas Staatspräsident Xi Jinping ist auf dem Weg zu einer Alleinherrschaft, die an die des Staatsgründers und Diktators Mao Tsetung anknüpft.

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Auf dem Weg zur Alleinherrschaft in China: Xi Jinping.

Auf dem Weg zur Alleinherrschaft in China: Xi Jinping.

Das neue Zentralkomitee der Kommunistischen Partei stimmte jüngst für eine dritte Amtszeit des 69-Jährigen Xi als Generalsekretär und Chef der Militärkommission. Er setzt sich damit über bisher respektierte Alters- und Amtszeitgrenzen hinweg. Eine Szene während des Kongresses ging um die Welt, die wie eine Demütigung von Hu Jintao aussah, der von 2003 bis 2013 Staatspräsident war. Hu gilt nicht als Xis Unterstützer, der die Volksrepublik mindestens für weitere fünf Jahre anführen wird. Hu wurde aus dem Saal geführt.

Scholz’ Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte bei der Bekanntgabe des Antrittsbesuchs des Kanzlers in China in dieser Woche: „Es ist aufgrund der Corona-Pandemie die erste Reise seit einigen Jahren, die dahin möglich sein wird.“ Wegen des strikten Corona-Regimes der Chinesen sei alles „sehr kompliziert“. Die Reise könne nur unter „großen Beschränkungen“ stattfinden. „In China ist keine Übernachtung vorgesehen, sondern es ist sozusagen fast ein Tagesausflug.“

Ein Tagesausflug ans andere Ende der Welt. Es steht eine Menge auf dem Spiel. Scholz hat sich Zeit gelassen mit seinem Antrittsbesuch und ist zuerst nach Japan geflogen, was die Japaner gefreut und die Chinesen irritiert hat. Merkel hatte vor Besuchen stets mit der jeweils anderen Seite telefoniert, um weder Tokio noch Peking Anlass für Distanz zu geben. Scholz machte bereits mehrfach öffentlich deutlich, dass er sich von der Konzentration auf China lösen und das Reich der Mitte gern als einen Handelspartner von vielen sehen würde. Was schwierig wird, weil die deutsche Wirtschaft wohl noch viel abhängiger von China als von russischem Gas ist.

Das Containerschiff "Xin Lian Yun Gang" der Reederei Cosco Shipping liegt am Containerterminal.

Scholz drückte überraschenderweise die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco am Hamburger Hafen durch – kurz vor seinem Besuch in Peking.

Der von Scholz überraschend durchgedrückte und auch innerhalb der Koalition stark kritisierte Bundeskabinettsbeschluss zur Minderheitsbeteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen wurde in der Opposition so gewertet: Scholz habe wieder ein paar Punkte gutmachen wollen.

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Entscheidend wird aber sein, ob Scholz etwas für die von Russland überfallene Ukraine ausrichten kann. Wenn China auf Distanz zu Russland gehen würde, wäre Putin empfindlich geschwächt. Peking schaut aber zu. Nur einen Atomschlag der Russen gegen die Ukraine würde China von Russlands Seite abrücken lassen, heißt es in Berlin. Darauf will natürlich niemand setzen.

Ob Scholz noch Zeit findet, dringende Menschenrechtsfragen in Peking anzusprechen, ist ungewiss. Es ist eben nur ein Tagesausflug.

 

Machtpoker

Der Vogel ist befreit.

Elon Musk, US-Unternehmer, auf Twitter

Tech-Milliardär Elon Musk hat nach Monaten der Verunsicherung und juristischen Auseinandersetzung die Kontrolle bei Twitter übernommen. Zumindest legt das dieser Tweet unter Verweis auf das Firmenlogo mit dem Vogel nahe. Dabei war der Vogel schon vorher frei. Hass und Hetze müssten auf der Onlineplattform viel mehr eingedämmt werden. Wie die Zukunft für die Userinnen und User aussieht, ist offen. Musk gilt als egozentrisch. Als er im vorigen Jahr bei einem Besuch seiner Tesla Gigafactory in Brandenburg auf die befürchtete Verschärfung der Wasserknappheit in der Region durch die Großfabrik angesprochen wurde, konnte er sich vor Lachen kaum halten, so lustig fand er die Sorge: „Diese Region hat so viel Wasser. Es ist hier überall Wasser. Das ist lächerlich, es regnet sehr viel.“ Inzwischen beklagt der zuständige Wasserverband, aufgrund des hohen Verbrauchs der Fabrik könne die Grundversorgung nicht mehr garantiert werden. In vielen Regionen Brandenburgs sinkt der Grundwasserspiegel kontinuierlich. Im Sommer hat es partiell monatelang nicht geregnet.

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Hat sich Twitter gekauft: Elon Musk.

Hat sich Twitter gekauft: Elon Musk.

Was er nach dem Milliardenkauf des Kurznachrichtendienstes machen wird, ob er die Plattform als eigenes Sprachrohr missbrauchen und den von Twitter gesperrten, irrlichternden Ex-US-Präsidenten Donald Trump zu diesem Onlinegezwitscher zurückkehren lassen könnte, ist ungewiss. Aber möglich. Bedenken zu noch mehr radikalen Verbalattacken auf Twitter äußert EU-Industriekommissar Thierry Breton. „In Europa wird der Vogel nach unseren Regeln fliegen“, twitterte er. Das EU-Gesetz über digitale Dienste sieht vor, dass Plattformen illegale Inhalte schneller entfernen. Vielleicht lacht sich Musk darüber ja auch kaputt.

 

Wie unsere Leserinnen und Leser auf die Lage schauen

An dieser Stelle geben wir Ihnen das Wort:

Udo Frackenpohl aus Seelscheid zum Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Paris:

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„Die von Ihnen angesprochene Freundschaft hat es auf staatlicher Ebene nie gegeben und war auf deutscher Seite immer eine schöne Illusion. Auf privater und lokaler Ebene gibt es viele Freundschaften, wie mein Beispiel beweist. Seit meinem Schüleraustausch im Jahre 1966 habe ich bis heute eine Reihe von Freunden in Frankreich und fühle mich mit dem Land emotional eng verbunden. Aber ‚Staaten haben keine Freunde, sondern nur Interessen‘, wie schon Charles de Gaulle einst feststellte, der mit Konrad Adenauer sicherlich befreundet war. Deshalb ist in der französischen Presse auch nie von der ‚amitié franco-allemande‘, von der deutsch-französischen Freundschaft, sondern nur von der ‚cooperation franco-allemande‘ – von der deutsch-französischen Zusammenarbeit – die Rede.“

War zuletzt nicht so gut auf Deutschland zu sprechen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

War zuletzt nicht so gut auf Deutschland zu sprechen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Mark Jehner aus Frankfurt zur Minderheitsbeteiligung von Chinas Staatskonzern Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen:

„Darüber, dass Olaf Scholz auch in dieser Frage deutsche Wirtschaftspolitik gegen die europäischen Partner statt mit ihnen denkt, hat er bis kurz vor Toresschluss – so kennt man ihn – geschwiegen. Auch die letzten Kabinettsberatungen zum Thema waren eine Farce, denn die betroffenen sechs Bundesministerien hatten ihre Ablehnung des Deals schon lange zuvor klargemacht. Dass Scholz der Öffentlichkeit bis zuletzt gar nichts sagte und sich jetzt mit einem faulen Kompromiss zugunsten der Diktatur über sein eigenes Kabinett hinwegsetzt, hat mit einer wertebasierten Außenpolitik wenig zu tun. Ein solcher Kotau des Kanzlers bei Xi Jinping, der China wie ein Kaiser regiert, passt ins verbreitete Bild von einem Deutschland, das europäischer auftritt als handelt.“

Frank Stein Groitzsch zum Interview mit Rolf Mützenich:

„Viele Bürger und auch ich hätten sich gewünscht, als weitere Frage an Herrn Mützenich zu lesen, warum nichts bei Öl und Pellets getan wird. Denn wenn unsere Politiker nicht direkt darauf angesprochen werden, kommt von denen nichts. Deshalb danke, dass Sie es versucht haben. Von einem hochrangigen Politiker sollte man erwarten, dass er mehr dazu sagt.“

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Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich.

Michael Grützmacher aus Essen zum Newsletter über Scholz’ Machtwort – „Viel Wumms ums nichts“:

„Ein überfälliges Machtwort – leider viel zu flau. In der Sache unangemessen und hoffentlich nicht final. Richtig wäre ein Brückenzeitraum von mindestens fünf Jahren für die deutschen Atomkraftwerke, die sichersten der Welt. Besser sechs statt jetzt drei Meiler weiterlaufen lassen. Immer als Option formuliert. Als sichere Basis Energie und CO₂-Neutralität. Bei gleichzeitigem Verzicht auf Braunkohle! Der dreckigsten fossilen Verbrennung, die wir kennen. Eine klare Strategie für die Wirtschaft, die Bürger. Und damit wieder bezahlbaren Energiepreisen. Nach fünf Jahren kommen dann ‚mit großem Wumms‘ die erneuerbaren Energien. Die in Wirklichkeit diesen realistischen Vorlauf brauchen. Übrigens gehört diese zeitlich begrenzte Atomkraft für mich zur Zeitenwende. Was die Grünen nicht begreifen wollen. Über 70 Prozent der Bevölkerung sehen das aber so! Und 25 Prozent der Grünen. Wie wäre es mit einer demokratischen Volksabstimmung?“

Gesine Liesong grundsätzlich zu unserem Newsletter:

„Gern lese ich den Hauptstadtradar, leider muss ich jetzt aber eine fundamentale Kritik loswerden. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen immer nur auf die Grünen zu verkürzen, ist nicht rechtens. Zumindest im Osten ist ein großer Teil der ehemals ‚Bürgerbewegten‘ im Bündnis 90 und damit später bei den Grünen aufgenommen worden. Aber damit keinesfalls untergegangen. Wenn Sie verkürzen, weil ausgeschrieben zu lang, warum dann nicht wenigstens von den Bündnisgrünen reden? Ich bin eine leidenschaftliche ‚Bürgerbewegte‘ und wehre mich entschieden gegen eine solche Vereinnahmung.“

 

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Ein weiterer berührender Bericht von Can Merey aus der Ukraine (RND+)

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„Ich will nicht töten“ – Jan Emendörfer, Damir Fras und Fabian Wenck über russische Deserteure in Deutschland (RND+)

Hannah Scheiwes Interview zum Skandal um Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz

 

Das „Hauptstadt-Radar“ zum Hören

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Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Dienstag wieder. Dann berichtet mein Kollege Markus Decker. Bis dahin!

Herzlich

Ihre Kristina Dunz

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