Welche Turbulenzen den Kanzler auf dem Westbalkan erwarten
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fliegt am Dienstag nach Albanien.
© Quelle: Jonas Walzberg/dpa
Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU gemeinsam nach Albanien reisen, dann wollen sie ein Zeichen setzen. Der Westbalkan hat nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine für die EU-Staaten an Bedeutung gewonnen. Keinesfalls sollen sich die früheren sowjetischen Satellitenländer wieder Russland zuwenden. Außerdem gilt es auch Sicht der EU, den Westbalkan als Route für Flüchtlinge aus Afrika und Syrien zu schließen. Zuletzt hatte die EU Druck auf Serbien gemacht, der irregulären Migration mit einer strengeren Vergaben seiner Visa entgegenzuwirken.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in der EU an die Spitze der Bewegung gesetzt, die endlich Fortschritte bei der europäischen Integration der sechs Westbalkanstaaten Albanien, Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Nordmazedonien erzielen will. Vor 20 Jahren hatte man den Ländern die Beitrittsperspektive eröffnet. Die Staaten sind in dem komplizierten Verfahren der EU unterschiedlich weit – aber alle von einer Mitgliedschaft noch weit entfernt. „Europa ist nur vollständig mit dem westlichen Balkan“, hatte Scholz Anfang November beim Westbalkangipfel in Berlin erklärt. Die sechs Staaten des westlichen Balkans gehörten zum freien und demokratischen Teil Europas.
Insbesondere die Rivalität zwischen Serbien und dem Kosovo sorgt für Ärger
Die Liste der Beitrittshürden ist allerdings auch nach 20 Jahren lang. Den Beitritten stehen vor allem regionale Konflikte sowie fehlende demokratische und rechtsstaatliche Standards im Weg. Es geht um Pässe und Nummernschilder, um den Umgang mit ethnischen Minderheiten und um die Anerkennung von Nationen.
Insbesondere die Rivalitäten zwischen Serbien und dem Kosovo sorgen für Ärger. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic will zum Gipfel gar nicht erst anreisen, weil er sauer ist auf den Regierungschef des Kosovo, Albin Kurti, der keinen Ministerposten mehr an einen Vertreter der Serbischen Liste vergeben hat. Vucic spricht gar von „Vertreibung der Serben aus Kosovo“.
Wadephul: Darf nicht bei Symbolpolitik bleiben
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul forderte, dass es beim Westbalkangipfel nicht bei „Symbolpolitik“ bleiben dürfe. „Der Gipfel muss konkrete Ergebnisse zu den zentralen Fragen liefern: Fortschritte im Normalisierungsprozess Serbien-Kosovo, Visaliberalisierung für Kosovo und Fortschritte bei Rechtstaat und Demokratie in der gesamten Region“, sagte Wadephul dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Denn nur so werde ein absehbarer Beitritt zur EU gelingen, der im gegenseitigen Interesse liege. Der deutschen Bundesregierung komme eine besondere Rolle zu, weil Deutschland für die Staaten des westlichen Balkans traditionell eine herausgehobene Rolle spielt, erklärte Wadephul. „Man muss hoffen, dass der Bundeskanzler dies erkennt und nicht erneut dem französischen Präsidenten die Agenda überlässt.“
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Wie schnell man in den unübersichtlichen nationalen Rivalitäten zwischen allen Stühlen sitzen kann, hatte Kanzler Scholz im Juni bei seiner ersten Westbalkanreise erlebt. Damals hatte er dem serbischen Präsidenten unumwunden gesagt, Serbien könne nur Mitglied der EU werden könne, wenn es den Kosovo anerkennt. Der serbische Präsident war empört. Immerhin fehlt auch die Anerkennung von fünf EU-Staaten, darunter Spanien und Griechenland.
Die EU hat auch insgesamt ihre Hausaufgaben für eine Aufnahme von sechs weiteren Staaten noch nicht erledigt. So lange in der EU das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, gilt eine Erweiterung der Union als nicht möglich. Die 27 Mitgliedstaaten haben schon heute oft genug große Mühe, einstimmige Entscheidungen zu erzielen. Während Scholz den Prozess der Integration trotz aller Schwierigkeiten vorantreiben will, steht der französische Präsident Emmanuel Macron auf der Bremse.