Deutsche Panzer für die Ukraine? Grüne und FDP wollen Waffenlieferungen überprüfen
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Ein Leopard-2-Panzer der Bundeswehr, der von der NATO Enhanced Forward Presence Battle Group (eFP-Bataillon) in Litauen eingesetzt wird, fährt beim Besuch von Bundeskanzler Scholz durch das Camp Adrian Rohn. (Archivbild)
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. Wegen der stockenden Waffenlieferungen in die Ukraine per Ringtausch wollen die Grünen nun Alternativen ausloten und bringen dabei die direkte Lieferung deutscher Panzer ins Spiel.
Außenministerin Annalena Baerbock und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (beide Grüne) räumten am Wochenende ein, dass die seit Monaten verfolgte Strategie des Ringtauschs zur Versorgung der Ukraine mit schweren Waffen nicht so funktioniere wie geplant. „Wenn dieser Weg nicht richtig war (...), dann müssen wir das natürlich reflektieren und schauen, wie wir dann anderweitig aktiv werden können“, sagte Baerbock in einem „Bild“-Interview.
Verteidigungsministerin Lambrecht weist Kritik Polens an Ringtausch zurück
Der geplante Ringtausch von schweren Waffen, der die Ukraine unterstützen soll, hat schon mehrfach für Unmut gesorgt.
© Quelle: Reuters
Göring-Eckardt forderte die Bundesregierung auf, schon in den nächsten Tagen neue Wege zu prüfen. „Alternativen gehören auf den Tisch. Etwa, direkt Waffen zu liefern, wenn wir das können“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Sie wäre auch für direkte Panzerlieferungen, „wenn das schneller geht und wir oder andere Partner es können“.
Auch Strack-Zimmermann spricht sich für Panzerlieferungen aus
Auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigt sich nun offen für die direkte Lieferung deutscher Panzer in das von Russland angegriffene Land. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags räumt ein, dass die osteuropäischen Bündnispartner für ihre Waffenlieferungen in die Ukraine bisher nicht so schnell wie erwartet mit Ersatz ausgestattet werden konnten. „Wenn das für die Partner problematisch ist, sollten wir den Ringtausch einstellen und direkt an die Ukraine liefern - gegebenenfalls auch den (Kampfpanzer) Leopard 2. Die Zeit drängt“, sagte Strack-Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur.
„Die Realität trifft beim Ringtausch, der grundsätzlich eine gute Idee ist, auf die Wünsche beziehungsweise Erwartungen der osteuropäischen Partner - und das passt irgendwie nicht zusammen, vor allem was die Zeitspanne der Lieferungen betrifft“, sagte Strack-Zimmermann. Natürlich könne Deutschland nicht so schnell liefern wie erwartet, sonst bräuchte die Bundeswehr ja nicht das 100 Milliarden Euro schwere Ausrüstungsprogramm. „So können wir nur Stück für Stück Material weitergeben“, sagte Strack-Zimmermann.
Sie verwies aber darauf, dass die Bundeswehr ausreichend Schützenpanzer Marder zur Weitergabe habe und diese auch innerhalb eines Jahres von der Industrie ersetzt bekäme. „Darüber hinaus könnten wir auch das Transportfahrzeug Fuchs direkt liefern“, sagte sie.
FDP-Generalsekretär ebenfalls offen für direkte Panzerlieferungen an Ukraine
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat sich offen für direkte Panzerlieferungen gezeigt. Wenn das Verteidigungsministerium zu der Feststellung komme, dass der Ringtausch nicht funktioniere, „ist das ein Weg aus meiner Sicht zu sagen, ja, dann wird das direkt geliefert“, sagte Djir-Sarai am Montag im Deutschlandfunk.
FDP offen für direkte Panzerlieferungen an Ukraine
Bisher kam eine direkte Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern in die Ukraine für die Bundesregierung nicht in Frage.
© Quelle: dpa
„Es geht hier um konkrete Unterstützung der Ukraine in einer entscheidenden Phase des Krieges, und es geht auch um das Ansehen Deutschlands als Nato-Partner“, sagte Djir-Sarai. Es solle sehr rasch untersucht werden, „warum das Ganze nicht klappt“ und wie man dies optimieren könne. Gegebenenfalls solle auch gesagt werden, „diese Konzeption des Ringtausches war in der Theorie richtig, aber leider in der Praxis nicht umsetzbar“.
Deutschland müsse der Ukraine Solidarität nicht nur mit Worten, sondern „konkret mit Taten und Handlungen“ demonstrieren, mahnte der Außenpolitiker. An den Machtverhältnissen im Ukraine-Krieg habe sich nichts geändert - Russland verfüge nach wie vor über sehr viele Ressourcen. „Umso wichtiger ist es, in dieser Phase des Krieges weiterhin die Ukraine zu unterstützen. Zeit spielt eine sehr wichtige Rolle, und bei allen Debatten zum Thema Waffenlieferungen sollte man das immer berücksichtigen, dass die Zeitkomponente außerordentlich wichtig ist.“
Unionspolitiker Hardt: „Deutschland sollte rasch handeln“
Auch nach Ansicht des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, sollte Deutschland über direkte Lieferungen von Kampfpanzern an die Ukraine nachdenken. Auf eine entsprechende Frage sagte der CDU-Politiker am Montag bei SWR Aktuell, „dass wir diese Optionen alle erwägen sollten und dass Deutschland jetzt rasch handeln sollte“.
Deutschland sei zu zögerlich, was die Unterstützung der Ukraine mit militärischen Ausrüstungsgegenständen angehe, sagte Hardt. Er mutmaßte, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) glaube, damit den russischen Präsidenten Wladimir Putin besänftigen zu können. Stattdessen aber müsse der Druck auf Putin durch wirksame Sanktionen und militärischen Widerstand so erhöht werden, dass dieser erkenne, dass die Fortsetzung des Krieges riskanter sei als in „solide, ernsthafte Verhandlungen einzutreten“, forderte Hardt.
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„Russen hassen uns mehr als Ukrainer“: Wie Litauen auf den übermächtigen Nachbarn blickt
Litauen hat beim Streit um den Warentransport in die russische Enklave Kaliningrad nachgegeben. Doch gelöst ist der Konflikt damit noch lange nicht. Die Nato schickt neue Truppen ins Baltikum – und in Litauen zeigen sich viele wehrhafter denn je.
Weidel warnt vor Konsequenzen
AfD-Chefin Alice Weidel warnte dagegen vor den Konsequenzen direkter Lieferungen von Kampfpanzern an die Ukraine. Sollte die Bundesregierung dies tun, „darf sie sich nicht beschweren, wenn der russische Präsident Putin Deutschland zu einem unmittelbaren Kriegsbeteiligten erklären sollte“, sagte Weidel laut Mitteilung. Als mögliche Szenarien, die dann drohen könnten, nannte sie eine weitere Drosselung der Gaslieferungen aus Russland oder Cyber-Angriffe auf die deutsche Infrastruktur.
Bisher nur erfolgreiche Verhandlungen mit Tschechien bekannt
Die Idee des Ringtauschs entstand kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs. Ziel war es eigentlich, die Ukraine möglichst schnell mit schweren Waffen zu versorgen. Dazu sollten östliche Nato-Partner Waffen sowjetischer Bauart, mit denen die ukrainischen Soldaten ohne Zusatzausbildung umgehen können, zur Verfügung stellen. Als Ersatz sollten sie von Bündnispartnern wie Deutschland westliche Fabrikate erhalten.
Die Bundesregierung führte dazu Verhandlungen mit Polen, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Griechenland, in denen es vor allem um Panzerlieferungen ging. Im Mai erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), dass Deutschland Tschechien 15 Leopard-2-Panzer aus Industriebeständen zur Verfügung stellen wolle, um die Lieferung von 20 T-72-Panzern sowjetischer Bauart auszugleichen. Für andere Länder sind solche konkreten Zusagen nicht bekannt.
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Polen wirft Deutschland „Täuschungsmanöver“ vor
Stattdessen gibt es Ärger mit Polen, das Kompensation für die Lieferung von mehr als 200 T-72-Panzern in die Ukraine verlangt. Ein deutsches Angebot über die Bereitstellung von 20 Leopard-Panzern des Typs 2A4 wies die polnische Regierung am Wochenende als unzureichend zurück. Man benötige mindestens 44 Panzer, um ein Bataillon ausstatten zu können, sagte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak dem Nachrichtenportal „wPolityce.pl“. „Sicherlich gibt es Geschenke, die man nur mit großer Vorsicht annehmen sollte.“ Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek hatte zuvor im „Spiegel“ von einem „Täuschungsmanöver“ Deutschlands gesprochen.
Aus dem deutschen Verteidigungsministerium heißt es, dass Polen schon in einer frühen Phase der Verhandlungen 100 verfügbare Panzer vom Typ Leopard 1 in gutem Zustand angeboten worden seien. Diese seien als zu alt abgelehnt worden. Es sei deutlich geworden, dass Polen auf dem Leopard 2 bestehe. Aus Beständen der Bundeswehr seien diese aber nicht zu liefern.
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Beide von Deutschland angebotenen Leopard-Varianten sind älterer Bauart. Der erste Prototyp des Kampfpanzers Leopard 1 stammt aus dem Jahr 1963, der erste Leopard 2A4 wurde 1979 an die Bundeswehr ausgeliefert. Die modernste Version ist der 2A7+ aus dem Jahr 2010.
Göring-Eckardt: Kritik aus Polen ist „Weckruf“
Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte am Wochenende, man habe die Äußerungen aus Warschau zur Kenntnis genommen. „Die Bundesregierung ist weiterhin bereit, auch mit Polen einen Ringtausch zu organisieren.“ In Berlin hieß es aber auch, man habe die scharfe Tonlage aus Warschau mit Verwunderung aufgenommen, da die Gespräche auf Fachebene konstruktiv verlaufen seien.
Die Grünen nehmen die Kritik der polnischen Nato-Partner jetzt allerdings zum Anlass, beim Thema Waffenlieferungen in die Offensive zu gehen. „Die Wortmeldung aus Polen mag undiplomatisch gewesen sein, sie ist aber ein Weckruf“, sagte Göring-Eckardt. „Waffenlieferungen entscheiden mit über die Dauer des Krieges, über Menschenleben.“
Schon in den vergangenen Wochen hatten Grünen-Politiker eine gewisse Offenheit für direkte Panzerlieferungen in die Ukraine durchblicken lassen. Baerbock führte am Rande des Nato-Gipfels Ende Juni Gespräche mit der spanischen Regierung über die Lieferung von Leopard-2-Panzern der spanischen Streitkräfte aus deutscher Produktion. Die Bundesregierung müsste einer solchen Lieferung zustimmen, eine Entscheidung gibt es aber noch nicht.
Scholz will sich an den USA orientieren – und die liefern noch keine Panzer
Aus dem Kanzleramt kommen bisher keinerlei Signale, dass die direkte Lieferung von Panzern eine Option sein könnte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat bisher stets darauf verwiesen, dass Deutschland nicht im Alleingang neue Waffengattungen bereitstellen werde. „Wir orientieren uns immer bei dem, was wir machen, an den Lieferungen der Verbündeten, insbesondere den USA. Und das werden wir auch weiter tun“, hatte Scholz beim Nato-Gipfel gesagt. Bisher hat kein Nato-Verbündeter Kampfpanzer westlicher Bauart an die Ukraine geliefert - auch die USA nicht.
RND/dpa/sic