Ein Votum über Macrons Machtumfang
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Paris. Frankreich ist bekannt als Land, dessen Verfassung dem Präsidenten viel Macht einräumt. Er ist Chef der Armee, bestimmt die großen Linien der Außen- und der Innenpolitik. Letzteres gilt allerdings nur, wenn seine Partei in der Nationalversammlung über die absolute Mehrheit von mindestens 289 der 577 Sitze verfügt. Vor fünf Jahren gelang dies Präsident Emmanuel Macrons Partei La République en marche (LREM) quasi aus dem Stand, doch eine Wiederholung des Erfolgs ist ungewiss.
Bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen an diesem Sonntag dürfte sein Lager zwar eine Mehrheit erringen, aber nicht unbedingt die absolute. Wird diese verfehlt, wäre Macron bei jedem einzelnen Gesetz nicht nur auf seine Bündnispartner, vor allem die neue Partei „Horizonte“ seines ambitionierten Ex-Premierministers Édouard Philippe, angewiesen. Sondern auch auf Stimmen der Opposition – insbesondere der konservativen Republikaner, die auch den Senat als zweite Parlamentskammer dominieren.
Knapper Ausgang in erster Runde
Beim ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag gelang der Allianz „Ensemble!“ („Gemeinsam!“), zu der sich LREM mit anderen Mitte-rechts-Parteien zusammenschloss, nur ein hauchdünner Vorsprung vor dem linken Bündnis Nupes („neue soziale und ökologische Volks-Union“). Diesem gehören die Linkspartei La France Insoumise („Das unbeugsame Frankreich“), die Sozialisten, Kommunisten und Grünen an.
Parlamentswahl in Frankreich: Kein klarer Sieger bei erster Runde
Prognosen der französischen Parlamentswahl deuten bei der Sitzverteilung für die zweite Wahlrunde eine Mehrheit für das Lager des Präsidenten an.
© Quelle: Reuters
Demoskopen zufolge dürfte der rot-grüne Zusammenschluss zwischen 150 und 200 Wahlkreise erobern – zu wenig, um den Regierungschef zu stellen. Trotzdem verfolgt der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon dieses Ziel, der die aktuelle Premierministerin Élisabeth Borne bereits unbescheiden als „meine Vorgängerin“ bezeichnete. Zuletzt versuchten er und sein Lager, Stimmung gegen Macron zu machen, um Wähler zu mobilisieren.
Die Beteiligung in der ersten Runde war mit knapp 48 Prozent so niedrig wie nie. So behauptete Mélenchon, Macron plane heimlich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer – wie sonst könne er die notwendigen 80 Milliarden Euro pro Jahr einsparen, um die Neuverschuldung den EU-Regeln entsprechend bis 2027 unter drei Prozent zu drücken? „Mélenchon verbreitet Lügen über unser Programm“, schoss Premierministerin Borne zurück.
Macron selbst appellierte am Dienstag, kurz bevor er in seinen Flieger nach Rumänien stieg und am Donnerstag die Ukraine besuchte, vom Rollfeld aus an die Wähler, dem Land eine „solide Mehrheit“ zu geben. „Nichts wäre schlimmer, als der weltweiten Unordnung eine französische Unordnung hinzuzufügen“, sagte der Staatschef.
Seine Partei hatte sich schwergetan, eine klare Wahlempfehlung für jene Bezirke auszugeben, in denen Ensemble! schon ausgeschieden ist und Kandidaten der Nupes und des rechtsextremen Rassemblement National (RN) aufeinander treffen. Erst nach einigem Hin und Her verkündete unter anderem Premierministerin Borne, es dürfe „keine Stimme an die extreme Rechte“ gehen.
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Europas neues Problem heißt Frankreich
Die Parlamentswahl am Sonntag dürfte zu einem neuem Paukenschlag des Populismus in Europa werden: Radikale von links und rechts sind in Frankreich so stark wie noch nie. Damit gerät ausgerechnet die Nation, die mehr als andere eine Führungsrolle in der EU beansprucht, ihrerseits ins Trudeln.
Tatsächlich kann die Partei der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die gute Wahlchancen in ihrer nordfranzösischen Hochburg Hénin-Beaumont hat, deutliche Zuwächse verzeichnen. Der RN qualifizierte sich in 208 der 577 Wahlkreise – fast doppelt so vielen wie 2017. Da sie mit wenigen Stimmenübertragungen von anderen, bereits ausgeschiedener Parteien rechnen kann, sagen ihr Demoskopen 20 bis 45 Sitze in der Nationalversammlung vorher. Damit könnte sie eine eigene Fraktion bilden, für die mindestens 15 Abgeordnete nötig sind. Über eine solche verfügte die rechtsextreme Partei seit 1986 nicht mehr.
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